Go East - Mit dem Fahrrad zu Ev. Gemeinden in Osteuropa
Go East - Mit dem Fahrrad zu Ev. Gemeinden in Osteuropa
vakantio.de/go-east-mit-dem-rad-zu-gemeinden-in-osteuropa

20. Tag-28. Juli: Ev. Gastfreundschaft pur in Gliwice

Veröffentlicht: 29.07.2022

Um 8 Uhr morgens schwang ich mich auf den Sattel, denn schon zur Mittagszeit wollte ich im rund 45km entfernten Gliwice sein. Über Schotterwege, einsame Dorfstraßen und Waldwege kam ich den Randbereich dieser historisch bedeutsamen Stadt. Gliwice, über diese Stadt lernt jeder deutsche Schüler etwas im Geschichtsunterricht. Ich war gespannt auf diese Stadt und ob ich vielleicht den Pfarrer der Ev. Gemeinde antreffe und er mir etwas zum Gemeindeleben erzählen kann. Wegen der nahen Autobahn musste ich wieder mal einen Umweg fahren, um überhaupt in das Zentrum zu kommen. Nach mühsamer Suche fand ich endlich das Touristbüro, denn ich brauchte eine neue Karte zur Orientierung. Die letzten Kilometer konnte ich nur nach Google Maps fahren. Nachdem ich die neue Karte erhalten habe – Fahrradkarten waren bisher in Tschechien und Polen immer kostenlos – suchte ich erst mal ein Cafe aus und schrieb wieder einen neuen Text. Leider stürzte mein Programm ab, so dass ich alles noch einmal schreiben musste und kam erst gegen 15 Uhr bei der Ev. Kirche von Gliwice an. Die freundliche Frau im Pfarrbüro öffnete mir die Tür, kochte gleich einen Tee und versuchte mehrfach den Pfarrer zu erreichen, der irgendwo in der Stadt unterwegs ist. Leider erreichte sie ihn nicht und holte stattdessen den Praktikanten.

Aber der Praktikant, Mikolaj, war in Wirklichkeit Ev. Vikar an der Gemeinde, hat Theologie studiert und konnte sogar etwas Deutsch. Er zeigte er mir die Kirche und die Gemeinderäume. Er erklärte das die Gemeinde etwa 450 Gemeindemitglieder hat und zum Sonntagsgottesdienst rund 120 Menschen kommen. Er zeigte mir die großzügigen und ansprechenden Gemeinderäume, für die Kinder und Mütter Räume mit Wohlfühlatmosphäre während des Hauptgottesdienstes, er präsentierte die aufwendig installierte Kameratechnik im Kirchenraum , denn seit Corona wird jeder Gottesdienst Live ins Internet gestreamt. Es gibt eine aktive und professionelle Internetarbeit und sogar für die Kinder gibt es einen Extra Youtubekanal. Zu der Pfarrstelle gehört noch ein Ort in der Nähe, so dass immer erst 11 Uhr Gottesdienst in Gliwice ist. Er berichtete von einer aktiven Jugendarbeit, Sommercamps der Gemeinde und im Herbst findet ein christliches Bandtreffen mit jugendgemäßer Worship Musik statt. Ich war wieder einmal sichtlich erstaunt, wie zeitgemäß und modern die Evangelische Gemeinde in Gliwice aufgestellt ist. Sehr bemerkenswert fand ich, wie er erzählte, dass es in letzter Zeit durch den Youtube Kanal, immer mehr katholische Konvertiten gibt, die zum Evangelischen Glauben „übertreten“. Dann erläuterte er noch die besondere historische Bedeutung der Stadt und der schlesisch-pietistischen Prägung der Ev. Gemeinde. Ich spürte, wie kamen gut ins Gespräch und fanden „einen Draht“ zueinander.

Dann lud er mich zu einem Spaziergang durch das Stadtzentrum ein, wenn ich Interesse hätte und wir könnten doch auch gemeinsam Essen gehen, denn am Abend hätte er noch nichts vor. Seine Frau würde auch gerne mitkommen, sie kann sogar etwas Deutsch, weil sie Verwandschaft in Deutschland hat. Ich könne selbstverständlich vor Ort in einem Zimmer unter dem Dach übernachten. Kein Thema. Das Angebot nahm ich gerne an und nach einer halben Stunde zogen wir zu Dritt ins Zentrum los. Auf dem Weg zeigte er mir die ehemalige schlesisch-evangelische im Stadtzentrum, die heute natürlich die katholische Kirche ( St. Barbara) ist und wieder kam ein seltsames Gefühl auf. Meine Frage, wie es bei 80-90% katholischer Mehrheit im Land ist seinen Evangelischen Glauben zu leben, war nicht gerade einfach. Er meinte, wichtig ist es, seinen eigenen konfessionellen Standpunkt zu haben und eine ansprechende Gemeindearbeit für alle Generationen anzubieten. Evangelisch sein, muss auch attraktiv und anspechend sein. In einem traditionellen schlesischen Restaurant gingen wir etwas essen und als ich für uns Drei bezahlen wollte, war das nicht möglich, weil ich ja der Gast sei. Das brachte mich in Verlegenheit. Dann gingen wir weiter und auf einmal kam ein Freund der Beiden mit seinem Auto mitvorbei, der auch gerne zum Evangelischen Glauben übertreten möchte und wir können noch zum Funkturm am Stadtrand fahren, wo 1939 der fingierte Angriff auf den deutschen Sender stattfand. Ein Ort, der bei mir natürlich Befremden auslöste, aber für viele Polen ein Ausflugspunkt ist.

Dann fuhren wir noch in das rund 25km entfernte Tarnowskie Gory. Dort zeigte mir Mikolaj die erste neu geweihte Evangelische Kirche nach der katholischen Gegenreformation.  Heute hat sie rund 100 Mitglieder.  Inzwischen war es auch Dunkel. Der Freund hatte auch Hunger und so gingen wir noch in eine Pizzeria. Über so viel Gastfreundschaft mir gegenüber, einen Deutschen, der einfach mal am Pfarrhaus klingelte, war ich sehr überrascht. Kurz vor Mitternacht kamen wir zum Gemeindehaus in Gliwice zurück, danken im Gebet Gott für die Begegnung und den gemeinsam Abend. Wir besprachen noch kurz den Morgen und von Mikolajs Frau musste ich mich schon verabschieden, da sie sehr früh aufstehen musste. Ein langer Tag mit einem interessanten Nachmittag und schönen Abend ging zu Ende und ich fiel müde ins Bett unter dem Dach des Gemeindehauses.

Antworten