Don Curry on Tour 2
Don Curry on Tour 2
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Don Curry kehrt zurück

Veröffentlicht: 04.07.2019

Don Curry liebt das Neue, das Unerwartete, das Geheimnisvolle, das Unentdeckte. Aber manchmal zieht es ihn auch dorthin zurück, wo er schon einmal gewesen ist. Ob es Nostalgie ist oder der Wunsch, Veränderungen und Entwicklungen bewusst zu erleben, mag Don Curry nicht sagen. Es entsteht ein ganz eigenes Gefühl, wenn man vertraute Orte mit zeitlichem Abstand noch einmal erleben kann, manchmal auch ganz neu.

Der heutige Tag würde in vielen Teilen eine Rückkehr bedeuten, zum Beispiel auch eine Rückkehr in das brutale Frühstücksdiktat des Hotels Honey Bridge. Abermals war Don Curry den frühmorgendlichen Kalorienmassen hilflos ausgeliefert, auch wenn heute einiges anders lief: die englischkundige Rezeptionistin fehlte, doch Don Currys russischer Wortschatz wuchs langsam heran. Bei der jungen Kellnerin konnte er inzwischen problemlos einen Kaffee mit Milch bestellen, obwohl sie ihn vermutlich etwas ganz anderes gefragt hatte. Überraschend bekam er heute auch einen frisch gepressten Orangensaft serviert und statt des massiven Zwiebelkuchens von gestern ein dreifaches Spiegelei mit Paprika und Tomaten, gefolgt vom sahnegetränkten Haferbrei mit Nüssen und Beeren. Irgendwie schien Don Currys Magen diese Nahrungsfülle bereits zu erwarten, dieser Verräter! Doch Don Curry beschloss auch weiterhin, diesem aufoktroyierten Frühstückszwang massiv indigniert und ablehnend zu begegnen. 

Schnell räumte er sein Zimmer, bekam irgendwelche unverstandenen Wünsche von der russischsprachigen Rezeptionistin und arbeitete sich mühsam aus Kaliningrad heraus Richtung Kurische Nehrung,

Die Nehrung war auch so ein Rückkehrziel. Bereits 2005 hatte Don Curry den gesamten litauischen Teil abgefahren, um dann bei Nida umkehren zu müssen. Schon damals kam ihm die Frage, ob er die Nehrung wohl eines Tages in gesamter Länge erleben konnte. Eine Individuelle Reise nach Russland erschien am allerdings lange als undenkbar. Doch heute war dieser einst erträumte Tag tatsächlich da: 98 km Kurische Nehrung lagen uneingeschränkt vor ihm, ziemlich genau in der Mitte die russisch-litauische Grenzanlage. Wie würde seine Grenzerfahrung wohl heute sein?

Eine ähnliche Erfahrung blieb ihm erspart: er hatte gelesen, dass bei der Einfahrt in die Nehrung stets mit einer Polizeikontrolle zu rechnen sei. Tatsächlich stand nach den ersten Kilometern ein Beamter auf der Straße, doch der wollte nichts kontrollieren, sondern Don Curry nur darauf hinweisen, dass er die Nationalparkgebühr in dem Gebäude an der Straße zu entrichten habe. Don Curry zahlte umgerechnet 3,80 €  bei einer abermals deutschkundigen Kassiererin und konnte ungehindert und unkontrolliert weiterfahren.

Zufahrt zur Kurischen Nehrung


Sein erster Halt sollte der Leuchtturm von Lesnoj sein, des einzigen Ortes auf der Nehrung, der vom Kurischen Haff bis zur Ostsee reichte, Alle anderen Ortschaften hatten sich ausschließlich am Haff angesiedelt. Der Leuchtturm stand direkt am Ostseeufer, und abermals zeigte sich dieses Meer von seiner kraftvollen und stürmischen Seite. Auch hier hatte die Ostsee erst kürzlich Teile der Strand- und Uferbefestigungen zerstört. Wie mächtig das Meer sein konnte, sollte Don Curry ein paar Kilometer weiter erfahren: hier war die schmalste Stelle der Nehrung, nur gut 400 m Land lagen zwischen Ostsee und Haff, und genau an dieser Stelle war die Ostsee 1983 durchgebrochen und hatte die Straße weggespült. 

Familie Schwan


Schnellstmöglich wurde das Loch in der Nehrung wieder geschlossen, die Dünen Richtung Ostsee besser befestigt und die Straße sogar etwas höher gelegt. Noch höher hinauf ging es allerdings bei Don Currys nächstem Ziel: Müllers Höhe, mit 44,4 m einer der herausragendsten Dünengipfel des russischen Nehrungteils. Ein als naturkundlicher Lehrpfad angelegter Wanderweg führte bequem auf die stark bewaldete Dünenhochebene, nur im letzten Teil erschwerte der üppige Sandboden das Voranschreiten etwas. Oben angekommen erinnerte ein deutsch beschrifteter Gedenkstein an den einst hier aktiven Förster Müller, ein umfangreicher Aussichtsturm erlaubte weite Blicke Richtung Ostsee und Richtung Haff. 

Blick von Müllers Höhe


Allmählich musste Don Curry auf die Zeit achten, denn der Weg nach Vilnius war noch weit. So besuchte er auf russischer Seite nur noch den "Tanzenden Wald", ein überschaubares Waldstück, in dem die Mehrzahl  der Bäume in ganz skurrilen, gebogenen Formen gewachsen sind: teils in Spiralen, teils in Wellenform in den Boden zurück und wieder heraus. Höchst merkwürdig und bis heute nicht wissenschaftlich erklärbar. Die Vermutungen reichen von einem geheimen Atommülllager unter dem Waldboden über heimliche militärische Experimente bis zu einem alten Landeplatz von Außerirdischen. Auf jeden Fall lässt der "Tanzende Wald" busladungsweise Touristen antanzen, die sich fast im Gänsemarsch auf den ausgewiesenen Wegen voranschieben und den unbewegten Tanz der Bäume nochmals fotografisch festhalten. 

Wo der Wald tanzt...


"Darf ich bitten..."


Don Curry ließ dieser Ort zu keinem Freudentanz hinreißen, er wollte nun raus aus dem Kaliningrader Gebiet. Nicht weit entfernt begann bereits der Grenzbereich, und ein Vorausposten kontrollierte schon mal sein Visum, damit er auch tatsächlich zur Grenze fahren durfte. Hier erwarteten ihn wieder die 4 Stationen der Abfertigung: erst gab es den Plastikstreifen als Reisepasseinlage, dann die ausgiebige Dokumentenkontrolle und -kopiererei, dann die eigentliche Zollkontrolle und schließlich das Entfernen des Plastikstreifens aus dem Pass. Erfreut nahm Don Curry zur Kenntnis, dass er hier nichts schreiben oder ausfüllen musste; er wurde nur um die Einreisekarte und das doppelte Zollformular - "Schreib! Zweimal!" - erleichtert. Extrem engagiert zeigte sich allerdings der junge Zöllner in seiner schneidigen Uniform. Don Curry musste nicht nur sämtliche Fahrzeugtüren und -hauben öffnen. Auch das Handschuhfach und die abgedeckte Reserveradaufbewahrungsebene mussten zugänglich gemacht werden. Schließlich durfte Don Curry sogar sämtliche Fenster öffnen, um zu beweisen, dass auch im Inneren der Türen kein Schmuggelgut eingelagert ist. Was nie kontrolliert wird ist erstaunlicherweise das Gepäck. Don Curry hätte die ganze Reisetasche voller Zigaretten und Wodkaflaschen nach Litauen schmuggeln können, aber das ist den russischen Zöllnern herzlich egal. Erfreulicherweise befand sich direkt hinter der letzten russischen Abfertigungsstation ein kleiner Duty Free Shop, in der Don Curry sich noch mit ausreichend Schmuggelgut zu Euro-Preisen hätte eindecken können. Er kaufte nur einen russischen Bisongras-Wodka für 2,70 € und fuhr zur litauischen Grenzstation.

Hier lief alles deutlich lockerer. Zwar wurden auch hier seine Dokumente sorgfältig geprüft, der Zöllner begnügte sich aber mit einem kurzen Blick in den Kofferraum und auf die Rückbank. Außerdem ließ er sich den gerade im Duty Free Shop erworbenen Wodka zeigen, der aus einer Plastiktüte herauslugte. Zu einer gründlichen Suche nach weiteren Alkoholika inspirierte ihn das aber auch nicht. So war Don Curry wieder zurück in der EU und zugleich zurück auf bekanntem Territorium. Allerdings wurde zunächst wiederum Nationalparkgebühr fällig: auch der litauische Teil der Nehrung war längst zum Nationalpark erklärt worden, und da sein Wert offensichtlich weitaus höher einzuschätzen ist, betrug die zu entrichtende Gebühr 20 € für PKW und Fahrer.

Die Große Düne


Das musste Don Curry doch weidlich auskosten und er wusste natürlich um ein absolutes Highlight. Kurz hinter der Grenze beginnt die Zugangsstraße zur "Großen Düne", die mit 52 m höchste Düne der Nehrung und zugleich eine der höchsten Wanderdünen Europas. Hier oben hatte Don Curry schon einmal gestanden und den Blick auf Nida und das Haff genossen. Mit fast schon nostalgischen Gefühlen lenkte er sein Auto herunter in den Ort Nida, der inzwischen noch touristischer und geradezu hyperperfekt restauriert wirkte. Er besuchte kurz die alte evangelische Kirche und den umliegenden Friedhof mit den alten kurischen Totenbrettern, fotografierte am Haffufer ein paar kunstfertige Kuren-Wimpel im Wind und sauste bald weiter Richtung Nord.


Kurische Totenbretter


Kuren-Wimpel


Für den eigentlich geplanten Besuch des Thomas-Mann-Hauses blieb keine Zeit mehr, denn mit Schrecken hatte Don Curry festgestellt, dass er seit der Grenze in eine andere Zeitzone geraten war: in Litauen war es bereits eine Stunde später. Schon vor Tagen hatte der Vermieter der Ferienwohnng in Vilnius angefragt, zu welcher Zeit sein Gast denn dort ankommen würde - zwecks Schlüsselübergabe. Erst jetzt nach der Grenze konnte Don Curry eine seriöse Angabe machen: 20:00 Uhr hatte er per Email dem Vermieter geschrieben, um noch etwas Pufferzeit für die Fahrt und die weiteren Besichtigungen zu haben. Doch das war vor dem Zeitzonenschock gewesen! Nun blieb kaum noch Puffer - Don Curry musste los! So blieb auch der fotogene Hexenberg vor ihm verschont, und Don Curry konnte sein Glück kaum fassen, als er als einer der Letzten auf die Fähre nach Klaipeda gelassen wurde; das ersparte ihm einiges an Wartezeit. Nun musste er noch gut 300 km quer durch fast ganz Litauen fahren - allerdings größtenteils auf einer Autobahn. In Vilnius führte ihn das Navi zielsicher den einzigen Zugangsweg in die Altstadtstraße, in der die Wohnung liegen würde. Als er die Straße endlich erreicht hatte, war sie für Fahrzeuge aller Art gesperrt, außer für Anlieger, und sie wurde als Fußgängerzone genutzt.

Mitten durch die Altstadt


Nicht nur die Menschenmassen auf der Straße irritierten ihn, sondern auch die zahlreichen Freiluftrestaurants, die Tische vor ihren Gasthäusern aufgebaut hatten, teils bis auf die Straße. Sollte er da wirklich durch? Don Curry beschloss, sein Auto erst einmal abzustellen, und zu Fuß zum Ziel zu gehen. Doch kaum hatte er den Wagen verlassen, als 2 Polizisten auf ihn zukamen und sehr freundlich klarmachten, dass er hier nicht anhalten dürfe;  wenn er 100 m weiterführe, wäre gleich links ein Parkplatz. Wenn selbst die Polizei will, dass ich durch die Fußgängerzone fahre, dann will ich das jetzt auch, dachte Don Curry mit neuem Mut. Vorsichtig bewegte er den Wagen zwischen den vielen Passanten hindurch die 100 m weiter, fand sogar einen freien Parkplatz und ging die letzten 80 m zu Fuß. Es war 20:05. Er erkannte sofort das gotische Backsteinhaus, in dem seine Wohnung liegen sollte; es war das älteste Gebäude weit und breit. Ein Straßenmusiker hatte sich gerade davor postiert und eine ganze Reihe der Flanierenden blieben stehen und lauschten dem poppigen Gesang mit Gitarrenbegleitung. War sein Vermieter hier? Es standen viele Menschen herum. Wie sieht ein Vermieter aus? Da Don Curry ohne Reisetasche gekommen war, würde auch er nicht als mietwilliger Tourist und Übernachtungsgast erkennbar sein, wurde ihm klar. Also schrieb er seinem Vermieter eine weitere kurze Mail: "I am here now". 

Plötzlich kam ein sehr großer Mann auf ihn zu. Don Curry ist nicht gerade kleinwüchsig, im Gegenteil: er fällt eher durch seine Körpergröße auf, die durchaus überdurchschnittlich ist. Wenn Don Curry einen anderen als "sehr großen Mann" wahrnimmt, dann ist der fast schon ein Riese, jedenfalls größer als 2 m. Der sehr große Mann fragte vorsichtig, ob er der Gast aus Deutschland sei? Don Curry hatte seinen Vermieter gefunden. Er solle sein Auto holen, bat der Vermieter, damit es im Hinterhof des Hauses abgestellt werden könne. Also fuhr Don Curry abermals durch die immer belebtere Fußgängerzone bis zu dem alten Haus. Per Fernbedienung ließ der Vermieter die beiden hölzernen Türflügel in Zeitlupentempo aufgleiten, so dass ein schmaler Durchgang sichtbar wurde - und schmal ist bei dieser Beschreibung das betonte Wort. Don Curry hatte keine Ahnung, ob und wie er seinen Golf da durch bekommen sollte. Doch der Vermieter blieb guten Mutes, gab Don Curry hilfreiche Anweisungen, wie weit er am Durchgang vorbeifahren müsse, um erst dann - eigentlich zu spät - das Lenkrad zu bedienen. Tatsächlich, es funktionierte. Millimeter für Millimeter kroch Don Currys Golf durch das Nadelöhr, allerdings erst, als er die Spiegel einklappen ließ. Ohne diesen Trick hätte es doch Schrammen gegeben. Dann war der Hinterhof erreicht und Don Curry schwor sofort, das Auto erst zur Wegfahrt wieder zu bewegen; allein würde er hier nie wieder hineinfahren wollen. 

Der Vermieter erklärte ihm die Funktionsweise der Flügeltürfernbedienung, dann den Zahlencode an der Hoftür, damit man als Fußgänger durchkommen könne, und überreichte zusätzlich zur Fernbedienung noch den Schlüssel für die Haustür und für die Wohnung. Diese liegt im 1. Stock des gotischen Hauses, so dass Don Curry nun direkt über dem Straßenmusiker wohnte. 2 Zimmer, Küche, Bad - alles nett eingerichtet, wenn auch schon etwas abgewohnt. Doch entscheidend war für Don Curry die Lage der Wohnung gewesen: mitten drin in Vilnius Altstadt, vielleicht sogar ein bisschen zu "mitten drin". Der sehr große Mann gab noch ein paar hilfreiche Tipps, kassierte das Geld und verabschiedete sich. Nun war Don Curry für 2 Tage Herr des "Cozy apartments in a gotish style house", wie diese Immobilie offiziell vermarktet wurde.

Das Gotische Haus


Da es inzwischen auf 21;00 Uhr zuging, hatte er nur noch ein Ziel: Abendessen! Das Kaliningrader Zwangsfrühstück war längst verdaut, für ein Mittagessen keinerlei Zeit gewesen - also ran an die litauischen Spezialitäten. Der Vermieter hatte bei seinen Tipps auch ein Restaurant erwähnt, das gutes Bier und gutes litauisches Essen servieren würde. Obwohl es nirgends in seinen Reiseführern stand, schien ihm die Empfehlung des Einheimischen vielversprechend. Also machte er sich auf den kurzen Weg und stand bald in einer urigen Kneipe, die völlig mit altem, schwarzem Holz ausgekleidet war: Decke, Stützbalken, Treppe, Theke, Tische und Stühle - alles schwarz. Es wäre keine Gaststätte gewesen, in die Don Curry von sich aus gegangen wäre, doch spätestens der Blick auf die Speise- und Getränkekarte bewies ihm, dass er überaus richtig war. Das Lokal bezeichnete sich selbst als erste Mini-Brauerei Litauens und führte vier selbstgebraute Biere im Angebot., Schnell orderte Don Curry sein erstes Bier, dazu die Tagessuppe, eine kräftige Hühnersuppe, und ein Gericht mit dem ominösen Namen "Bremer Stadtmusikanten". Tatsächlich bekam er einen übereinandergestapelten Tierhaufen auf seinem Teller; doch Gott sei Dank nicht die Originaltiere, sondern ein Rindersteak, ein Schweinesteak und ein Hühnerschnitzel, jeweils getrennt von einem dicken Kartoffelpuffer und der ganze Turm mit einer mächtigen Sahnesauce überzogen. Dazu schmeckten noch mehrere Biere!

Danach zog Don Curry noch etwas ziellos durch Vilnius Altstadt und erkannte vieles wieder, entdeckte aber auch Veränderungen. Er war zurück!

Vilinus by Night


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