Veröffentlicht: 30.07.2019
Don Curry weiß, dass jede Reise irgendwann endet. Ihm ist auch bewusst, dass die Lust auf neue Eindrücke und Erfahrungen selbst bei ihm ab einem gewissen Zeitpunkt erschöpft ist. Dann sehnt er sich plötzlich nach dem ganz gewöhnlichen Alltag mit all seinen festen Gewohnheiten und berechenbaren Anforderungen.
Nach seiner einprägsamen Glamping-Premiere im Norden der estnischen Insel Muhu begann am frühen Morgen die viertägige intensive Rückfahrt, auf der er über 2000 km bewältigen musste. Ein paar Leckerbissen hatte sich Don Curry noch für diesen letzten Teil seiner Tour aufgespart.
Ziel des ersten Tages war die wunderbare Stadt Riga, die Hauptstadt Lettlands. Hier hatte sich Don Curry in einem kleinen Hotel mitten im Jugendstil-Viertel eingemietet, bekam von der bemüht deutsch sprechenden Rezeptionistin sogar ein Zimmer-Upgrade und machte sich bald auf den Weg in die ihm wohlbekannte Altstadt. Trotz des riesigen hiesigen Restaurantangebotes, fiel es gar nicht leicht, noch einen freien Tisch zu ergattern. Diese gab es zwar noch reichlich in den überteuerten Touristenabfertigungslokalen mit selten mehr oder meist weniger gelungener Life-Musik und einheitlicher Schnitzel/Burger/Pasta-Küche, doch darauf konnte Don Curry gern verzichten. Das angenehme Terrassenrestaurant, das ihm vor 2 Jahren gefallen hatte, wurde inzwischen spanisch bewirtschaftet: nichts gegen Tapas und Paella, aber bitte nicht im Baltikum.
Fast schon am Rande der Altstadt, zwischen Petri- und Johanneskirche entdeckte er das Restaurant "Petergailis" - Petrushahn. Hier war gerade ein Tisch frei geworden, den Don Curry okkupierte, bevor Teller und Gläser der Vorgänger abgeräumt worden waren. Die Bedienung machte ihn zwar darauf aufmerksam, dass die Wartezeit für ein Essen mindestens 60 Minuten betragen würde, doch dazu war Don Curry bereit. Ein unfiltriertes Fassbier der kleinen Mikela-Brauerei und eine Auswahl Brot und Brötchen mit 3 verschiedenen Kräuterbuttern ließen ihn die Zeit gut überbrücken.
Eine kräftig gewürzte Bauernsuppe mit Blumenkohl, Pilzen und Hühnchen sowie Welsfilet auf gebratenem Spinat an Karottenpüree zeigten sich des tatsächlich langen Wartens durchaus wert.
Ein angenehm reichhaltiges Frühstücksbuffet bereitete ihn auf den nächsten Fahrtag vor. Da das Jugendstil-Viertel in vielen Teilen mit Renovierungsarbeiten und den dazu benötigten Baugerüsten verunziert war, besuchte Don Curry einfach nur das Art Nouveau-Museum, das im Keller und Erdgeschoss eines Jugenstilhauses seine Heimat gefunden hatte - ein wunderbarer Einblick in die gehobene Wohnkultur zu Beginn des 20. Jhdts.
Nach fast endlos langer Fahrt erreichte er gegen 20:00 Uhr MESZ Danzig. Don Curry war einer alten Tradition gefolgt: seine letzte Unterkunft sollte noch einmal etwas ganz besonderes sein - in diesem Fall eine Ferienwohnung mitten in der Altstadt über dem berühmten Restaurant "Goldwasser". Doch diese Lage erwies sich als großes Problem: aufgrund des Dominikus-Jahrmarktes war die gesamte Altstadt an diesem Wochenende zur Fußgängerzone geworden. An allen möglichen Zufahrtsstraßen standen nicht nur Absperrgitter sondern auch ausreichend Polizisten; und hinter den Gittern schlenderten massenweise Einheimische und Touristen zwischen unzähligen Buden mit Kunsthandwerk und regionalen Spezialitäten umher.
Diese vielen Menschen hatte auch den Bereich um die Altstadt herum weiträumig zugeparkt, so dass Don Curry eine halbe Stunde benötigte, um endlich einen Platz für sein Auto zu finden, über 1 km von der Ferienwohnung entfernt. Kurzentschlossen packte er nur das Nötigste in seinen Rucksack und machte sich auf den Weg zu seinem Ziel.
Im Restaurant "Goldwasser" herrschte Hochbetrieb, wie überall an diesem Samstagabend in Danzigs Altstadt. Da ständig Kellner an ihm vorbeidrängten musste Don Curry aus 3 m Entfernung dem für die Ferienwohnungen zuständigen Oberkellner seine Daten zurufen. Dann bekam er den Schlüssel und den Hinweis, der Weg zur Ferienwohnung wäre ein gutes Training: Sie liegt im 5. Stock! - Und es gibt keinen Lift! Tapfer stieg Don Curry das enge Treppenhaus hinauf und fand eine gediegen eingerichtete doppelstöckige Wohnung vor; zu seinem Schlafzimmer im Dachgiebel des Hauses musste er innerhalb der Wohnung sogar noch in den 6. Stock steigen. Doch dafür eröffneten sich aus dieser erhabenen Lage unvergleichliche Blicke über die Dächer der Danziger Altstadt. Die Marienkirche, das Rathaus und andere Highlights lagen zum Greifen nahe; auf der gegenüberliegende Seite des Schlafzimmers gab das Fenster fast genauso beeindruckende Blicke über die Mottlau und die fotogenen Speichergebäude am anderen Ufer frei.
Bei soviel wohnlichem Ambiente sollte auch der kulinarische Genuss nicht zu kurz kommen. Im Restaurant "Goldwasser" fungierte der Kellner zugleich auch als Sommelier und konnte zu jeder Speise den passenden Wein empfehlen. So bekam Don Curry zu seiner in einem Sud aus Essig und Goldwasser eingelegten Kaisermaräne einen köstlichen Sauvignon Blanc aus Neuseeland.
Die absolut genial zubereitete Entenbrust auf Pflaumenkompott mit Mangopüree und Sommersalat begleitete ein herrlicher Petite Syrah. Anschließend ließ sich Don Curry noch etwas durch Danzigs bezaubernde Altstadt treiben, bevor er wieder in sein Bett im 6. Stock hinaufstieg.
Feste Pläne für seinen Tag in Danzig hatte Don Curry sich bewusst nicht vorgenommen. Er schlenderte ausgiebig durch die wohlrestaurierte Altstadt und nahm sich viel Zeit für die Marienkirche.
Danach kehrte er auf der Mottlau-Terrasse des Restaurants "Gdanski Bowke" ein, das eigenes Bier unter dem Restaurant-Namen herstellt. Ein süffiges Helles harmonierte bestens mit seiner rustikalen Vorspeise: 3 verschiedene Sorten Schmalz auf hausgebackenem Brot.
Anschließend erfreute ihn ein goldschimmernder Dorsch auf kaschubische Art: mit Kartoffelflocken paniert auf Gemüsesauce an Bratkartoffeln und Salat, dazu ein Dunkles Bier der Hausbrauerei und als Dessert ein kleines APA, dem ersten Craft Beer - Erzeugnis des Brauhauses.
Fast direkt vor dem Restaurant befindet sich der Anleger der Ausflugsboote. Don Curry buchte sich eine Bootstour durch Danzigs Altstadt, den Danziger Hafen bis hin zur Westerplatte, bei der einst der 2. Weltkrieg begann, und auch gleich zurück.
Da sich bereits während der Rückfahrt der Himmel stetig verfinsterte, suchte Don Curry sicherheitshalber sein Heim auf Zeit in luftiger Höhe auf, um erst nach dem Wolkenbruch sich zum Abendessen abermals in die umgebende Altstadt auf zu machen.
Und wieder zog ihn eine Brauereigaststätte geradezu magisch an. Im "Browar Piwna" probierte er das Helle und das eher bernsteinfarbene Dunkle und bestellte sich aus der sehr übersichtlichen Karte ohne jedes lokale Kolorit "Fish & Chips", das sich als nicht zu bewältigende Riesenportion erwies.
Ein letztes Mal saugte Don Curry die besondere Atmosphäre der alten Hansestadt auf, genoss noch einmal den doppelten Ausblick aus seiner edlen Dachkammer und schlummerte bald selig dem letzten Tag seiner Reise entgegen.
Problemlos fand er am nächsten Morgen zu seinem weit entfernten Auto zurück, das ihn heute noch rund 900 km gen Heimat transportieren sollte. Doch vorher wollte er noch ein letztes Ziel ansteuern: den Dom von Oliwa.
Dieses ungewöhnliche Gebäude fällt bereits durch die zwei schmalen Türme auf, die eine genauso schmale Portalfront umrahmen; umso überraschender wirkt der gewaltige Raum dahinter - mit über 100 m Länge ist es die längste Zisterzienserkirche der Welt.
Das gesamte Längsschiff ist mit 2 Dutzend Barockaltären ausgestattet und sie gliedern das Gotteshaus auf beeindruckende und wohltuend gleichmäßige Weise.
Doch die größte Überraschung konnte Don Curry zunächst gar nicht sehen, dafür umso besser hören. Denn kaum hatte er den Dom betreten, begann ein halbstündiges Orgelkonzert, das eine deutsche Reisegruppe vorgebucht hatte. Eine mächtige Orgel, eine der größten Barockorgeln überhaupt - 111 Register einschließlich Zimbeln, Glocken, Vogelgezwitscher und anderen Effekten. Kunstvoll brachte der Organist die besonderen Klänge des Instruments zum Einsatz.
Was für eine gelungene Überraschung am Ende einer nicht gerade überraschungsarmen Reise. Danach war nur noch Fahren...
Müde, erschöpft, aber zugleich angefüllt mit unzähligen Eindrücken und Erinnerungen kehrt Don Curry heim. Eine Reise zum Weißen Meer. Eine Reise in die erstaunliche Gegenwart Russlands. Eine Reise des Verstehens, über alle Sprachbarrieren hinweg...