Crashkurs Leben

Vor ein paar Tagen sagte eine alte Schulfreundin, die momentan ebenfalls in Australien Au-Pair macht zu mir 'Vreni, Australien ist wie ein Crashkurs Leben'. Und sie hatte Recht.

Australien ist mehr als herumreisen und es sich gut gehen lassen. Es ist mehr als mit dem Backpack 'Country Roads' singend einsame Straßen entlang zu wandern. Australien ist ein fuckin' Crashkurs Leben.

Natürlich war mir bewusst, dass ich mich um meine eigenen Probleme alleine kümmern muss. Mir war klar dass ich selbst waschen, kochen und alles organisieren muss. Doch es kommen Fragen auf dich zu, die dich fordern. Herausforderungen, die aus deiner Perspektive verdammt groß aussehen. Und du stehst an einem Punkt an dem du entscheiden musst ob du stehen bleibst oder einen weiteren Schritt nach vorne machst.

Ich hatte noch nie Heimweh und nein, auch jetzt wünsche ich mir nicht ich könnte nach Hause fliegen. Aber diese Momente fehlen. Dieses Gefühl von angekommen zu sein, rasten zu können, es fehlt. Es fehlt mir so mit meiner besten Freundin samstags auf dem Balkon zu sitzen mit einem Glas Wein und unserer Shisha und einfach nur zu reden. Jemanden bei mir zu haben, dem ich absolut vertraue und bei dem ich ich sein kann. Ich vermisse es, mich auf den Boden zu legen und mein Hund Sylvie kommt angestürzt und schmeisst sich auf mich drauf bis wir beide fast einschlafen. Ich würd' alles geben um mal wieder mit meinen Eltern abends auf dem Balkon nach dem Essen Cocosrum zu trinken und zu reden. Ich vermisse meine Schwester die mir immer mein Anker ist wenn mir meine Probleme zu groß werden.

Diese Momente fehlen einfach und sie machen mir klar wie wertvoll mein Zuhause doch ist. Es zeigt mir wie viel Kraft es einem doch unbewusst gibt, Familie und Freunde bei sich zu haben. Man lernt die Menschen die man liebt einfach unheimlich zu schätzen.

Dann ist da die Sache mit der Arbeit. Du bewirbst dich, wirst angenommen und trainiert. Dann wartest du auf deinen Arbeitsplan aber es kommt nichts. Der Boss natürlich schwer erreichbar. Mitte der Woche kommt dann die Nachricht: Leider überbesetzt. Soll heißen: Der unterschriebene Arbeitsvertrag ist einen Sch*** wert. Okay, weiter gehts. Du bewirst dich bei unzähligen Firmen online. Verbringst abende vor dem Laptop anstatt rauszugehen. Verteilst Lebensläufe an Menschen die dir ins Gesicht lachen und dir versichern anzurufen. Niente. Wertvolle Zeit zieht einfach an dir vorbei für nichts. Und ohja, das frustet.

Das Konto schrumpft und schrumpft und du sitzt hier fest in einer riesigen Stadt in der es niemanden zu geben scheint, der auf deiner Seite ist.

Ich wünsche mir manchmal ich wäre einer dieser Menschen, die Dinge auf die leichte Schulter nehmen. Aber das bin ich nicht. Ich zerbreche mir den Kopf über jede Kleinigkeit. Ich bin ein verdammter Perfektionist. Und ja es ist schwer diese Reise zu perfektionieren, wenn dir ständig etwas einen Strich durch die Rechnung zieht.

Jeden Tag wird die Zeit in Australien weniger und es gibt noch so viel zu sehen. Wie lange wird das Geld noch reichen? Wie können wir von A nach B reisen? Wie können wir weiterhin zusammen reisen obwohl unsere Pläne auseinander gehen? Fragen Fragen Fragen. Und es bleibt wenig Raum für Genießen und Leben.

Wenn mich jemand fragen würde, was Crashkurs Australien so gebracht hat, dann ist es bestimmt nicht Wäsche waschen und Wocheneinkäufe zu machen. Wenn man hier etwas lernt dann ist es seinen eigenen Kram auf die Reihe zu kriegen. Nicht aufzugeben. Mit den Karten die man hat möglichst gut zu spielen, auch wenn sie manchmal beschissen sind. 

Manchmal, da muss ich mir selbst mental eine klatschen und mir bewusst werden, dass ich das schon alles ganz großartig mache. Ich muss mir einfach mal wieder selbst vertrauen und an mich selbst glauben und ganz nebenbei einfach mal wieder die Augen aufmachen und realisieren, dass ich in Australien bin und dass dieses Leben richtig geil ist. 

Und wenn man die Schnauze richtig voll hat von Großstadtleben, dann heißt es abhauen auf einen weiteren Roadtrip. I'm out of this shit.