Coastal Nomads - Suzi, John & Betty
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Unter Geiern - Entlang der Pyrenäen vom Atlantik bis zum Mittelmeer

Veröffentlicht: 22.09.2024

Persönlicher Logbucheintrag vom Wohnschiff Betty HH-VX 717: Wir schreiben das Jahr 2024, 31. August, 17:00 Uhr.

Es ist wieder an der Zeit, zu neuen Ufern aufzubrechen. Das gerade noch in Hendaye benutzte Surfbrett ist trocken im Stauraum unter dem Bett von Betty verstaut. Für einige Tage werden wir mal (relativ) weit weg vom Meer sein. Die Strecke soll uns entlang der spanischen Pyrenäen von San Sebastian am Atlantik bis zur Bucht von Rosas am Mittelmeer führen. Die Pyrenäen erstrecken sich hier auf eine Länge von 430 km mit über 200 Gipfeln, die bis zu 3.400 m Höhe erreichen. Mitten in den Pyrenäen liegt auch Andorra, das zollfreie Einkaufsparadies, dass wir genau aus diesem Grund nicht besuchen werden.

Vor den Pyrenäen planen wir noch einen Abstecher in die Halbwüste Bardenas Reales, die in der Region Navarra liegt. Vorher übernachten wir in einem unscheinbaren Ort namens Falces, der an eine Geisterstadt erinnert. Das besondere an Falces ist, dass in der Felswand direkt hinter dem Ort Bartgeier leben und brüten. Und gleich morgens können wir sie vom Van aus sehen, wie sie in der Thermik über dem Ort kreisen und in den Felsen sitzen. Wir hätten nie gedacht, dass die Geier den Menschen so nah kommen würden. Sehr beeindruckend. Die Geier werden uns übrigens noch die gesamte Strecke bis ans Mittelmeer begleiten!

Die Halbwüste Bardenas Reales erstreckt sich über 415 km2 und besteht aus Sand- und Kalkstein und Lehm. Die Erosion hat hier eine bizarre Landschaft geschaffen, die man niemals in Spanien vermuten würde und die an das Monument Valley in Utah erinnert. Ein großer Teil ist als Nationalpark für den allgemeinen Zugang gesperrt; Praktischerweise gibt es einen 40 km Rundkurs auf einer Schotterpiste, die (bei Trockenheit) auch ohne Allrad befahrbar ist. Es ist heiß, trocken und windig. Wir sind mal ganz faul und fahren den Rundkurs motorisiert und klimatisiert. In Internetkommentaren wurde schon davor gewarnt, dass es in dieser Wüste viele "Stechmonster" gibt. Und in der Tat, als wir uns nur kurz im Besucherzentrum einen Plan vom Rundkurs holen, wird Susi vor dem Van von etwas ähnlichem wie eine Bremse in die Schulter gebissen. Es tut höllisch weh und von dem Stich oder Biss wird sie noch Wochen später etwas haben. Der Rundweg selber führt durch eine abwechslungsreiche Landschaft, wo man diverse Western- oder Wüstenfilme drehen könnte. Am Ende des Rundweges ragt der berühmte Castil de Tierra. Hier machen wir in einem menschen- und autofreien Moment schöne "Insta-Pics" von Betty und diesem trichterförmigen Sandsteinmonument im Hintergrund.

Nun geht´s aber wirklich in die Pyrenäen. Da wir nur relativ wenige Tage in den Pyrenäen sein werden (wer uns kennt, weiß, dass es uns nach wenigen Tagen immer wieder zurück ans Meer treibt), haben wir uns entschieden, einen relativ zentralen Ort namens Ainsa als Ausgangspunkt zu nehmen. Langsam arbeiten wir uns aus der Ebene in die Berge hinein, bis wir auf der kleinen, gewundenen Landstraße N-260 landen, die hoch über dem Rio Ara entlang führt. An einem Mirador entdecken wir tief unter uns ein verlassenes Dorf (gibt es sehr häufig in den Pyrenäen) mit einer morschen Hängebrücke über dem reissenden Fluss und Bademöglichkeiten. Betty muss die steile Schotterpiste runter, was sie auch gut macht! Das Wasser ist klar und sehr kalt. Wir sind da aber mittlerweile ziemlich abgehärtet und spülen uns den Wüstenstaub vom Leib. Abgekühlt und erfrischt geht es wenige Kilometer weiter nach Ainsa, was sich als ziemliches Touristenzentrum entpuppt. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass die Pyrenäen touristisch so erschlossen sind, aber warum sollte es hier eigentlich anders sein als in den Alpen. Auf einem Parkplatz oberhalb der auf einem kleinen Berg gelegenen Altstadt mit super Ausblick darf man offiziell stehen (gegen einen kleinen Obulus). Die Region rund um Ainsa ist auch als Mountainbikeparadies "Zona Zero" bekannt (danke an Sascha & Zhaoyang für den Tipp!). Schnell schwingen wir uns auf die Bikes. Wir fahren einen ausgearbeiteten Trail nach, der uns zunächst über 540 Höhenmeter stetig nach oben führt, bis es über einige nette und flowige Trails wieder ins Tal geht. Nach einer dreistündigen Tour sind wir reif für die Falle. Zum Glück verläuft das für abends angekündigte Unwetter mit Starkregenwarnung nicht so dramatisch wie angekündigt. Trotzdem sind am nächsten Morgen die Flüsse, die bei Ainsa zusammenfließen deutlich angesschwollen und nicht mehr kristallklar, sondern lehmig-trüb. Wir besuchen das Naturschutzzentrum von Ainsa, in dem in einer relativ kleinen Voliere drei angeblich freiheitsuntaugliche Bartgeier ihr Dasein fristen. Na ja, wenn das Eintrittsgeld denn für gute Zwecke verwendet wird... Da sich die  angekündigten Gewitter immer wieder verschieben, geht´s nochmal mit den MTBs los. Diese Tour hat es in sich und ist technisch schwieriger, als die Beschreibung erwarte lässt. Aber wenn es zu steil rauf oder runter wird, kann man ja immer noch schieben ;-)

Mit uns auf dem Parkplatz steht ein knuffeliges Expeditionsmobil mit Freiburger Kennzeichen. Wir kommen mit der Besatzung, Thomas und Christine ins Gespräch und verabreden uns abends auf ein Gläschen Wein. Die beiden sind Langzeitreisende, sind schon viel auf der Welt rumgekommen und waren unter anderem auch mehrmals in Marokko. Von diesem Reiseland sind sie sehr begeistert. Wir bekommen viele Tipps und werden nochmals bestärkt, mit Marokko als Winterziel die richtige Wahl getroffen zu haben.  Am nächsten Morgen machen wir bei einer gemeinsamen Tasse Kaffee noch eine Besichtigung ihres Allradmobils auf Mercedes Sprinter Basis und dann trennen sich unsere Wege wieder, nicht ohne gegenseitige Einladungen nach Hamburg bzw. Freiburg ausgesprochen zu haben. Danke euch beiden für eure Tipps und die Marokko Motivation!

Vor der Abfahrt in Ainsa fahren wir noch auf die Wohnmobil Ver- und Entsorgungsstation. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund startet der Selbstreinigungsmechanismus der Anlage, als wir bei offener Schiebetür auf die Ablassgrube stehen. Der ganze "Mist" unser Vorgänger kommt uns entgegen. Eine ziemliche Sauerei, die eine größere Putzaktion von Mensch und Fahrzeug zur Folge hat. Die dunklen Kehrseiten des Vanlife...

Nach Ainsa arbeiten wir uns weiter und höher in die überaus sehenswerten Pyrenäen vor. Hinter jeder Ecke wartet ein Gebirgsbach oder Wasserfall darauf, entdeckt zu werden. Die Straßen werden einsamer und die Dörfer weniger. Unser Ziel ist Bielsa auf über 1.000 m Höhe, nur wenige Kilometer von der spanisch-französischen Grenze entfernt, die auf einem Pass verläuft. Wir nutzen die Gelegenheit und überqueren im - mit jedem Höhenmeter stärker werdenden - Regen die Grenze, die durch einen Tunnel verläuft. Auf der französischen Seite sind die Berge nicht so schroff, sondern haben eher lieblichen Almcharakter. Leider ist das Wetter miserabel und wir belassen es bei einer Stippvisite in Frankreich. In Bielsa gönnen wir uns seit längerer Zeit mal wieder einen Campingplatz. Nicht so einfach, da viele Plätze schon Anfang September ihre Pforten für die Saison schließen! Unser Campingplatz ist auch schon recht leer. Angeschlossen ist ein einfaches Hotel, wo wir in der Gaststube ein sehr leckeres, üppiges 3-Gang Menü, incl. Brot, Wasser und Wein (es wird eine ganze Flasche auf den Tisch gestellt!) für  nur € 20,-- pro Nase verspeisen.

Am nächsten Morgen ist ein sonniger Tag vorhergesagt. Wir besuchen den ‎⁨Parque Nacional de Ordesa y Monte Perdido⁩ und seine Wasserfälle. Am Ende eines grünen Tals befindet sich U-förmige Felswand, die ca. 2.000 m hoch ist. Auch hier kreisen die Geier wieder in der Thermik der aufgehenden Sonne und warten auf Beute. Aus der Felswand, fast an den Gipfeln der Berge, entspringen zahlreiche Wasserfälle, die diesen Nationalpark zu einem einmaligen Naturspektakel machen. Wir kraxeln den Wasserfällen ca. 500 Höhenmeter entgegen und rasten im kühlen Wassernebel der tosenden Wasserfälle. Etwas beeindruckenderes haben wir in den Bergen bisher noch nie gesehen. Auch hier wieder spanisches Understatement, hier wird nichts als Weltwunder angepriesen. Es gibt keine Absperrungen, keine Schilder mit tausend Regeln und nur wenige, entspannte Parkranger. Kostenpunkt: € 3,-- für den Parkplatz... Ein must see in den Pyrenäen! Mittlerweile spürt man schon deutlich den Herbst heran nahen. Die Temperaturen sind nachts in den Bergen bereits einstellig, wir haben die warmen Schlafsäcke wieder aus dem Keller geholt. Die Wettervorhersage für die nächsten Tage ist leider sehr durchwachsen und wir beschließen an die Küste, genauer an die Costa Brava, weiter zu reisen. Hier am Mittelmeer enden die Pyrenäen und haben eher so das Format Kasseler Berge.

Auf dem Weg an die Küste übernachten wir auf einem für Spanien typischen Burghügel, der sich neben der Autobahn A-2 ungefähr auf Höhe Barcelona einsam aus der Ebene erhebt. Die Anfahrt auf den Montfalco Murallat ist abends im Dunkeln auf einem Feldweg etwas kniffelig, aber oben angekommen gibt es einen Parkplatz mit einer schönen Aussicht (wie wir morgens feststellen). Morgens machen wir noch einen kleinen Spaziergang durch die mittelalterliche Burganlage, in der sich ein kleines Dorf mit wenigen Häusern befindet, die alle Teile der Burganlage sind. Alles wunderschön restauriert, aber so gut wie menschenleer. Noch einen Kaffee im Van und dann wird der Motor angeschmissen. Wir wollen heute noch die Bucht von Rosas erreichen, laut der App "Windfinder" könnte es dort windig werden!

Fazit Pyrenäen: Wir kannten die Pyrenäen bisher nur von unseren Reisen an die Costa Brava, wo man die französisch-spanische Grenze auf einem relativ flachen Ausläufer der Pyrenäen überquert. Den hochalpinen Charakter haben wir erst jetzt kennengelernt. Besonders beeindruckend fanden wir die unzähligen Wasserfälle! Für Susi als "Wasserfall-Liebhaber" ein Paradies. Letztendlich haben wir nur an der Oberfläche der Pyrenäen gekratzt. Zu sehen und zu entdecken gibt es bestimmt noch viel, viel mehr!

Insgesamt on the road: 228 Tage
Insgesamt zurückgelegte Strecke: 13.200 km

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