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Diary of a journey to myself / Die dritte Erkenntnis

Veröffentlicht: 01.05.2020

28.12., ca. 08:00 Uhr, Frühstücksraum im „Rendezvous“

Hanoi ist im Augenblick grau, kühl-feucht, irgendwie gleichzeitig schwül und unglaublich laut und lebendig. Gefühlt jedenfalls, mindestens doppelt so viele Roller und Mofas wie Fußgänger, die durch die Straßen rasen, die wiederum gesäumt sind mit extrem schmalen und hohen Häusern mit den typisch asiatischen Giebeln und jede Menge Stromkabel, die sich wie Schlangen von einem Laternenmast zum anderen schlängeln.

Auch die Menschen schlängeln sich so durch, sowohl die Passanten als auch die Zwei- Drei- und Vierräder. Nur nicht links gehen und auf keinen Fall frontal sehen, was auf einen zukommt. Solange die Gefahr von hinten kommt und ich einfach nicht dran denke, fühle ich mich sicher und vertraue darauf, dass schon nix passiert. Auf den Mopeds sitzt mal locker nicht gerade selten eine fünfköpfige Familie. Papa breitbeinig vorne, zwischen den Beinen 1 bis 2 Kleinkinder (natürlich ohne Helm), dicht an ihn gedrängt die Mutter umschlungen von den Ärmchen eines der größeren Kinder. Nicht auszudenken, was in Deutschland passieren würde, wenn so ein Familiengefährt über die Adenauerallee donnern würde und dabei nicht nur gegen die bestehende Straßenverkehrsordnung, sondern auch noch gegen sämtliche EU-Richtlinien, was die zulässigen Abgaswerte angeht, fröhlich lachend verstoßen würde. An der Kreuzung, an der wir gestern gesessen und unser erstes vietnamesisches Bier getrunken haben, hätte ich stundenlang sitzen können und diesem Treiben zusehen wollen. Noch in der vorletzten Nacht, als wir gegen 00:00 Uhr mit dem Taxi vor dem Hotel „Rendezvous“ (Top-Empfehlung im Lonely Planet) endlich ankamen und eigentlich noch eine Kleinigkeit essen wollten, sah es hier völlig anders aus.

Sprühregen, nur wenige Mofas und Fahrräder unterwegs, vereinzelt ein paar Garküchen, an denen noch ein paar Jugendliche saßen und so stockdunkel, dass ich das komische Vieh auf dem Bürgersteig glatt übersah und das laut aufquiekte, als ich drauf trat. Aufgeregt hatte Fabian mich zur Seite geschupst und laut gerufen: „Hast du die Ratte gesehen? Bleibt da einfach liegen und guckt dir auch noch vorwurfsvoll hinterher“. „Ich dachte, das wäre ein kleiner Hund gewesen. Ist ja ekelhaft“. Er dagegen fand' das dann urkomisch und amüsierte sich noch bis zum Rendezvous darüber. Zum Glück hatte ich noch keine Flip-Flops an, sonst hätte ich mich noch mehr geekelt als ich es ohnehin tat, mit lachen musste ich aber trotzdem. Und wie gut, dass ich meine Stiefel anhatte, auch wenn Fe am Bahnhof noch meinte: „Kind, glaubst du, dass Stiefel das richtige Schuhwerk für Vietnam sind? Das du immer Stiefel anhast und dann auch noch mit Absätzen. Kauf dir doch mal solche Schuhe“. Dabei hatte sie ihre Füße in meine Richtung gestreckt, die in dunkelbeigen Oma-Wanderschuhen steckten, die ich bei aller Liebe auch als Rentnerin garantiert niemals anziehen würde.

Nach einer kurzen Nacht in Zimmer 303 so gegen 09:00 Uhr sind wir dann gestern raus auf die Straße, die komplett anders aussah, als in der Nacht zuvor. Es kam mir vor, als wenn ein imaginärer nächtlicher Vorgang geöffnet worden wäre und die eigentliche Kulisse nun preisgab. Hinter den, vor ein paar Stunden noch heruntergelassenen Rollläden, traten nun unzählige Friseur- und Kosmetikläden, Massagesalons, edle Stoffboutiquen, Geschäfte für Lampions, Kleidung, Schmuck und jede Menge Imbisse ins Rampenlicht. Und dazu ein kühler Nieselregen, der irgendwie gar nicht hierhin und vor allem nicht zu meinem Gepäckinhalt passt. „Jetzt guck dir doch mal an, wie anders das hier aussieht. Echt irre, aber mir ist viel zu kalt. Was für ein Glück, dass ich meine Stiefel mithabe, siehste, ich brauche die doch“.

„Ich sag doch gar nix, aber ich habe eben auf die WetterApp geguckt. Ab morgen soll es wärmer werden“, dabei grinst er wieder, als wenn er das vorher gewusst hätte. „Das ist ja wohl das Mindeste, sonst können wir auch gleich komplett neue Klamotten für mich shoppen gehen. Komm, lass uns los, damit mir endlich was wärmer wird“.

Trotz des Tempos, das Fabian vorlegte, fror ich, wie in so vielen Urlauben davor auch, wo wir uns auf die Wettervorhersage verlassen hatten. Immer dasselbe, aber ich hasse eben Funktionskleidung und so litt ich lieber still vor mich hin, während wir uns durch das Gewusel der unzähligen Fahrräder und Mofas schlängelten, um auf die andere Straßenseite am Flussufer des Roten Flusses bzw. Yuan Jiang zu gelangen.

Während ich so frierend hinter Fabian her rannte, der unbedingt den Tempel am berühmtesten See Hanois, der die Altstadt vom einstigen französischen Kolonialvierten trennt, besichtigen wollte, um seinen Haken auf der Liste der Tempel, Museen, besonderen Plätzen und was weiß ich nicht noch alles, was man eben laut L.P. unbedingt gesehen haben muss, setzen zu können, dachte ich so darüber nach, wo überall in der Welt ich schon Ersatzklamotten kaufen musste, weil ich die falschen Anziehsachen mit hatte.

Nachdem wir fröstelnd den wirklich sehr beeindruckenden Ngoc-Son-Tempel, oder auch Jadeberg-Tempel genannt, der im 14. Jahrhundert zu Ehren von La To, Gott der Heilkundigen und Van Xuong, Schutzgott der Literaten errichtet wurde, ausgiebig bewundert hatten, der in den Nebelschwaden, die über den Hoan- Kiem-See zogen, besonders mystisch wirkte und wahrscheinlich auch wetterbedingt weniger Touristen angelockt hatte, was die Besichtigung ebenfalls attraktiver machte, bekamen wir dann so richtig Hunger.

Kurzentschlossen ließen wir die Besichtigung des eigentlichen “must see“, das Ho Chi Minh Mausoleum aus und machten uns stattdessen auf den Weg zum Little Hanoi 1. Nicht nur der L.P., sogar unser leicht schielender spanische Hotelbesitzer hatte das Restaurant wärmstens empfohlen, das Fabian dann zielstrebig mit Hilfe der Offline-Karte , die er sich wie immer vorher auf sein Smartphone runter geladen hatte, mit riesigen Schritten anstrebte und ich versuchte, ebenfalls wie gewohnt, irgendwie mit seinem Tempo mithalten zu können. Naja, dadurch wurde mir zumindest wieder etwas wärmer und ein paar kleinere Sehenswürdigkeiten konnten wir ja auf dem Weg dorthin auch noch mitnehmen.

Während ich so hinter ihm herlief, bemerkte ich plötzlich, wie die Sohle unter meinem linken Stiefel ständig hin und her flappte und sich immer mehr in ihre Bestandteile aufzulösen drohte. So konnte ich nicht weiterlaufen und steuerte den nächstbesten, auf der Straße

hockenden Schuster an, der sich mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht bereit erklärte, die Sohle an Ort und Stelle wieder anzukleben und es sich bei der Gelegenheit nicht nehmen ließ, aus meiner Not (ich hatte ja nun kein Ersatzpaar dabei) ordentlich Kapital zu schlagen. Ich glaube, es waren so umgerechnet 30 Euro, die er mir fürs Ankleben abknöpfte. Aber was soll`s, für ihn war es wahrscheinlich ein Monatsgehalt, wenn nicht noch mehr und ich konnte wieder laufen, ohne befürchten zu müssen, in den nächsten Minuten gar keine Sohle mehr unter dem Schuh zu haben. „Also für den Preis hättest du dir auch gleich neue Schuhe kaufen können. Der hat uns ja ganz schön abgezogen“. „Ja, aber hier gibt es doch keine Stiefel man“, beschwichtigte ich ihn und zog mir dabei gut gelaunt die frisch reparierten Stiefel wieder mitten auf der Straße an, was ihm wiederum ein einlenkendes Lächeln entlockte. So konnten wir unseren Marsch Richtung LP-Empfehlung für einen super leckeren, preiswerten und authentischen Mittagsimbiss ohne weitere Vorkommnisse fortsetzen.

Das Little Hannoi 1 bestand aus einem langgestreckten, kahlen Raum, in dem ein ebenso langer Aluminium- Biertisch den ganzen Raum einnahm, an dessen beiden Seiten rosa und hellblaue Plastikhocker aufgereiht waren, die von den Neonröhren an der Decke in ein besonders grelles Licht getaucht wurden. In Campinggeschirr wurde dann ein unfassbar leckeres Durcheinander, bestehend aus Reisnudeln, Gemüse, irgendeinem Fleisch (vegetarisch gab's nix), Nüssen und viel Koriander aufgetischt, was wir mit Hochgenuss verschlangen. Mich wunderte auch nicht, warum mich Fabian nach dem Essen fragte: „Weißt du, woran mich das gerade erinnert?“ „Ja, das weiß ich. An das erste Pad Thai damals an der Garküche auf der Khao Sun. Stimmt doch oder?“ Und wie das stimmte.

Weiter ging es dann vorbei an Friseuren, die ihre Kunden mitten auf dem Gehweg rasierten, riesigen Bambusruten, die in der Bambusstraße (wie wir sie jedenfalls nannten) in riesigen Bündeln aufgereiht zum Verkauf angeboten wurden, Lampions in allen Formen und Farben in der Lampion-Gasse, die in den Bäumen und vor den Geschäften an der Straße leuchteten, zwischendurch christliche Kathedralen, vor denen noch riesige Krippen aufgebaut waren, kleinen Parks, weiteren, wuseligen Straßen, zwischendurch Rast und ein kleines Hanoi-Beer und wieder weiter durch die Altstadt Hanois, was insgesamt dann doch 4 bis 5 Stunden in Anspruch genommen hatte, bis wir endlich Mao's Red Lounge fanden (ein „angesagter kleiner Club“, den sowohl der Loose als auch der Lonely Planet in der Rubrik Unterhaltung empfahl). Da man dort aber nichts essen konnte, wir aber inzwischen wieder großen Hunger hatten, suchten wir uns vorher noch eine bestuhlte Garküche, wo schon ziemlich viele Leute saßen und interessante Gerichte vor sich hatten, die uns vom Anblick her zusagten.

Nicht lange nach der Bestellung brachte man uns eine Art Eintopf (eigentlich war es heißes Wasser, vielleicht mit ein paar Kräutern), in den wir die Zutaten, bestehend aus Gemüsesorten, die wir überhaupt noch nie gesehen hatten, Nudeln und Fischstücke, die alle separat mitgeliefert wurden, selber in den Topf schmeißen sollten. Alles sehr ungewohnt, sogar für uns, die wir ja nun schon viele merkwürdige Gerichte ausprobiert hatten.

Allerdings nun auch wieder lange nicht so ungewohnt und fragwürdig, wie das Meerschweinchen in Cusco, was Fabian sich bestellt hatte, weil er grundsätzlich in jedem Urlaub die landestypischen Spezialitäten ausprobiert, um dann seinen Haken in der entsprechenden Liste der ungewöhnlichen Nationalgerichte machen zu können. Und Meerschweinchen ist nun mal ein typisch peruanisches Landesgericht.

Meine vegane Schwester war damals postwendend aus der WhatsApp-Gruppe ausgetreten, als ich das Foto verschickte, wie das Meerschweinchen so nackt und eben vollständig mit Kopf (wie halt unsere deutschen Spanferkel) auf dem Teller lag.

Ich dagegen fand das lange nicht so ekelerregend, wie das Balut (ausgebrütetes gekochtes Hühner- oder Entenei) in der Mal in Manila vorletztes Jahr zum Abschluss unseres Urlaubs auf den Philippinen. Dafür hatte Fabian sogar mehr Likes als üblich bekommen, als ich das Foto damals noch auf facebook postete.

Dabei fällt mir gerade ein, dass es facebook vor 6 Jahren noch gar nicht gab oder wir jedenfalls noch nichts davon gehört hatten. Die erste Freundschaftsanfrage einer Reisebekanntschaft auf facebook erhielten wir beide erst ein Jahr nach Thailand von Haruna, der ca. 25 jährigen, kleinen Japanerin aus Tokio, die wir in Marokko kennengelernt hatten. Ich sehe sie noch, wie sie nach der 8-stündigen Busfahrt von Marrakesch durch das Atlasgebirge nach Merzouga mit ihren Wollstrümpfen und Peruanermütze aus dem Bus aussteigt und doch tatsächlich einen Trolli hinter sich herzieht.

Man stelle sich dieses Bild vor:

Es ist mitten in der Nacht, gefühlt immer noch mindestens 25 Grad, Vollmond und jede Menge Sterne am Himmel über der Wüste. Der Bus hält in einer total verlassenen Gegend am Rand eines sandigen Feldweges, an dessen Ende sich das noch nicht ganz fertig gebaute, namenlose Guesthouse befinden soll, das von Berbern betrieben wird, die auch den Kameltrip in die Wüste organisieren sollten, den wir für den nächsten Tag geplant haben. (Einzige Empfehlung im L.P.) Man sieht eigentlich nichts außer Sand, Geröll, unendliche Weite, Mond und Sterne und Haruna erzählt uns, dass sie vor 3 Jahren schon mal hier war und sich „auskennt“. Sie kommt aus Tokio, liebt diese Gegend und als Eurythmie-Lehrerin käme sie viel rum in der Welt. Ich bin nur noch sprachlos und wir folgen der dick eingemummten kleinen Japanerin und ihrem Trolli durch die Wüste nahe der algerischen Grenze. Dann stehen wir tatsächlich vor diesem halbfertigen Flachbungalow und 2 Berbern, die eher aussehen, wie Hippies mit blauen Turbanen und langen Gewändern. Eine herzliche Begrüßung folgt. Haruna kennen Sie ja schon und uns zeigen sie kurz unsere Unterkunft (kahler Raum mit Bett, Toiletten und Duschen sind irgendwo draußen), bevor sie mich und Fabian in den riesigen Raum führen, in dem ein paar braune Ledersessel und Sofas stehen und ganz hinten an der anderen Seite des ansonsten leeren Raumes eine gekachelte Bar. Wir sollen kurz warten, man hätte uns was zu essen zubereitet. Zusammen mit Haruna warten wir kaum 10 Minuten, dann wird uns ein derart opulentes, orientalisches Nachtmahl aufgetischt, dass ich es kaum fassen kann. Ich weiß nicht wie viele Schälchen mit Reis, Fleisch- und Fischsorten, natürlich Couscous, Datteln, Rosinen, Nüssen und selbstgebackenem Brot. Und um das Ganze noch zu toppen, fragt Haruna in die Runde: „So, do you want something special to drink?“

Wir alle, inklusive der beiden Berber im Chor: „Yes, of course“. Da schlittert sie mit ihren Wollsocken über den gefliesten Boden los, holt den rot-silbernen Trolli aus ihrem Zimmer, öffnet ihn, fischt eine Flasche Jack Daniels raus und grinst triumphierend von einem tiefbraunen Mandelauge zum anderen, die unter ihrem schwarzen Pony strahlend hervor lugten. Und als wenn die ganze Situation nicht schon bizarr genug wäre, sehe ich plötzlich, wie aus der geöffneten Tür, die nach draußen zur Wüste führt, ein Frosch herein gehüpft kommt und quer über die Keramikfliesen zur anderen Seite des Raumes Richtung Bar hüpft. So gelacht, wie an diesem Abend haben wir schon lange nicht mehr und das lag definitiv nicht nur am Whiskey.

Als ich Haruna später über fb an die Geschichte erinnerte, schrieb sie zurück: „Simone, I will never ever forget your laughter. It was such a great night in Merzouga. A lot of kisses to you and Fabian“.

Über diese Geschichte und vor allem über unsere ersten Reiseerlebnisse haben wir gestern dann in Mao‘s Red Launch noch ewig sinniert, nachdem wir erst lange draußen gesessen und die vorbeigenden Horden von Touristen beobachtet hatten. Irgendwann erfanden wir dann unser neues Spiel „Nationalitätenraten“, was bei vielen Menschen aus dem eher westlichen Kulturkreis relativ einfach war, vor allem dann, wenn sie sich dazu noch extrem stereotyp laut und etwas pöbelnd benahmen, wie (ich muss das leider sagen) die Briten, Amerikaner und Deutsche. Bei den Asiaten war das schon merklich schwieriger. Wenn Sie eher groß und schlank waren und keine John-Lennon-Brille trugen, fielen Chinesen somit eindeutig raus (für uns jedenfalls) und wenn kein eindeutiges Indiz auf Japan schließen ließ, musste Malaysia herhalten. Malayen sind aus unserer Sicht jedenfalls zwar asiatisch, aber irgendwie auch westlich, nicht so eindeutig eben und daher immer ein guter Kompromiss, auf den wir uns dann recht häufig einigen konnten, bevor uns zu kühl wurde und wir das Hanoi-Biertrinken nach drinnen verlagerten und noch lange ausdehnten, weil wir beide so in Erinnerungen an die vergangenen Reisen schwelgten, was mittlerweile schon ziemlich viel Raum und Zeit in Anspruch nahm.

Jetzt erst aber, während ich auf meine scrambled eggs warte, fällt mir ein, woran mich diese Gasse erinnert, in der wir gestern so lange rumgehangen haben. „Sag‘ mal, hat dich die Straße gestern Abend nicht auch so an die Khao Sun-Road erinnert?“ Er runzelt die Stirn. „Ja, ein bisschen schon. Waren eben auch so viele Touristen aus allen Ländern der Welt da unterwegs. Wahrscheinlich, wie damals auf der Khao Sun, auch am Beginn oder Ende ihrer Reise und entweder betrunken vor lauter Vorfreude oder weil sie bis oben hin voll mit Eindrücken waren. Und klar, die Garküchen und die Musik überall. War schon sehr ähnlich“. „Aber kannst du dich noch daran erinnern, wie wir damals empfunden haben? So total high, hypnotisiert, wie Kinder, die zum ersten Mal an Heiligabend ins Wohnzimmer gerufen werden. Wenn ich so darüber nachdenke, dann fühlt sich das für mich so an, als wenn wir uns damals infiziert hätten und den Infekt nicht mehr losgeworden sind“. „Ja, da is was dran, war schon was ganz besonderes, aber wir werden noch viele solcher Moment haben Schatz“. Da kommt auch schon seine Nudelsuppe.

Während er genüsslich seine Suppe schlürf, werde ich ein bisschen melancholisch. Sicher, werden wir noch viele tolle Erlebnisse haben, aber so wie beim ersten Mal wird es nie mehr sein. Nicht so neu und aufregend. Ich finde der Vergleich mit Weihnachten passt sehr gut. Klar, ist es immer aufregend, an Heiligabend ins Wohnzimmer gerufen zu werden, aber spätestens nach dem ersten Mal, weiß doch jedes Kind, dass da der Weihnachtsbaum steht und vermutlich die Geschenke unter ihm liegen. Nur beim aller-, allerersten Mal weiß man das eben noch nicht und das ist und bleibt ein einmaliges Erlebnis in unser aller Leben.

Nie werde ich diesen so völlig fremdartigen Geruch am Flughafen in Bangkok vergessen. Wir waren im Winter losgeflogen, als es bei uns überall nach noch nach Zimt und Nelken roch, und stiegen aus dem Flieger in einem tausende von Kilometern entfernten Land aus, in dem die Luft so schwül war, wie ich das noch in keinem noch so heißen rheinischen Sommer je erlebt hatte, während die Luft schwer getränkt war mit Gerüchen nach Thaicurry, Chilly, Koriander und vielen anderen, mir damals noch völlig unbekannten Zutaten, die ich zu diesem Zeitpunkt noch nie gerochen hatte. Wenn ich intensiv daran denke, bilde ich mir ein, den Geruch immer noch wahrnehmen zu können. Was für ein Erlebnis.

So, Schluss jetzt mit Grübeln. Da kommt endlich auch mein Frühstück und in einer halben Stunde holt uns schon der Bus ab. Bin mal gespannt ob die Halong Bay so beindruckend aussieht, wie in „Indochine“, einem meiner Lieblingsfilme mit Catherine Deneuve.

Erkenntnis Nr. 3:

Im Anfang liegt alles. So wie im Samenkorn schon der ganze Baum angelegt ist, so birgt der Beginn eines besonderen Ereignisses schon den weiteren Verlauf. Ich sollte nachhaltig eingeprägten ersten Eindrücken stets besondere Beachtung schenken.

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