Anna in Paris
Anna in Paris
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Woche 6: Loooockdooown

Veröffentlicht: 02.11.2020

Die letzte Woche des mehr oder weniger goldenen Oktobers habe ich mit einem schönen Spaziergang am Kanal St. Martin begonnen. Hier gibt es einige Boote, die als Cafés oder Bibliotheken umfunktioniert sind und die sehr einladend wirken! Auf manchen finden sogar ab und zu Livekonzerte statt. Ich hoffe, dass ich in irgendeiner Zukunft mal einen Abend oder Nachmittag in ein Buch versunken auf so einem Boot verbringen kann. Während meines Spaziergangs ist mir außerdem noch ein Stück Heimat begegnet, wie man gleich in den Bildern sehen kann. In Rheinland-Pfalz sind die Herbstferien vorbei, und ich habe endlich wieder angefangen, meine sechs verbleibenden Blockflöten online zu unterrichten! Leider war die Internetverbindung nicht so stabil wie erhofft, mal sehen wie es die nächsten Wochen so läuft.

Kreative Boote am Kanal
Idenheim in Paris

Da ich in der letzten Woche an sehr vielen Tagen alleine in der Bar direkt bei mir um die Ecke saß, um nachmittags einen Kakao oder abends ein Glas Wein zu trinken, kam ich ins Gespräch mit einem der Kellner von dort, er heißt Haceme. Als ich am Montagvormittag schon wieder da war, haben wir ausgemacht abends mit ein paar Freund*innen von ihm in eine andere Bar zu gehen, und ich hab mich richtig darüber gefreut weil ich ja noch keine richtigen Kontakte außerhalb der Schule hier in Paris habe! Im Endeffekt waren wir zu dritt in einer Bar in der Nähe der Haltestelle Nation und es war ein super lustiger Abend. Hier hab ich mich richtig geärgert dass schon ab 21 Uhr die Ausgangssperre gilt, weil man irgendwie so mittendrin den Abend abbrechen musste um nach Hause zu gehen. Jedenfalls macht die Freundin von Haceme und die meisten ihrer Freunde auch Musik, und zum nächsten Abend an dem sich alle treffen wollen sie mich auch einladen, so schön!

Am Dienstag hab ich einen Ausflug ins Quartier Saint Michel und Quartier Latin gemacht. Hier steht Notre Dame, die Kathedrale in der es letztes Jahr gebrannt hat. Leider konnte man deshalb natürlich nicht rein. Zu Besichtigen gab es trotzdem noch genügend anderes. Mit vielen kleinen Gassen ist das Viertel total gemütlich und lädt ein, einfach die Straßen zu erkunden und neue Orte zu entdecken. Angeschaut habe ich mir Saint Chapelle und im Schutz vor dem Nieselregen ein paar Französischübungen gemacht: Infoblätter auf französisch und deutsch genommen und dann versucht, es von Französisch so schön ins Deutsche zu übersetzen, wie es auf dem "richtigen" deutschen Flyer steht. Hat nicht immer so gut geklappt, hat aber Spaß gemacht!

Notre Dame
Saint Chapelle
Saint Chapelle

Dass ich mich danach nochmal in den Regen getraut habe, hat sich aber doppelt gelohnt: Erst habe ich die schönste Buchhandlung/Bibliothek ever gefunden und dann das beste Mittagessen gegessen, seit ich in Paris bin. Der Buchladen heißt Shakespeare & Company und verkauft hautpsächlich englische Bücher. Allein schon deshalb hat er etwas mehr Wärme und Emotion als französische Buchhandlungen, weil englischsprachige Bücher meiner Meinung nach immer sehr ansprechende Buchcover haben. Durch das Cover eines englischsprachigen Buchs weiß ich immer ziemlich genau, wo ich dran bin. Das Genre und auch meistens der Stil des Autors wird dadurch klar. Französische Bücher sehen alle erst mal gleich aus: komplett weiß, mit einem kleinen Foto auf dem Cover. Für mich haben die Bücher keine anziehende Wirkung. Deshalb habe ich mich vielleicht in dem wunderschönen Buchladen so wohl gefühlt, aber vielleicht auch weil dort ein Klavier steht, Fotos an den Wänden hängen, gemütliche Lesemöglichkeiten in den Ecken stehen und eine Katze um die Beine streift.

Shakespeare&Co

Zum Mittagessen war ich bei einem Inder, der für 12€ ein Menü mit Vorspeise, Hauptgang und Dessert angeboten hat, unglaublich günstig für Paris. Dementsprechend waren meine Erwartungen nicht seeehr hoch, aber ich wurde vollkommen überzeugt. Leckeres Nanbrot mit verschiedenen Soßen und vegetarische Samosaecken als Vorspeise, Reise mit Gemüse der Saison (Kürbis!!) in cremiger Soße als Hauptgang und eine Art Kokoskuchen als Nachtisch hat mich einfach nur glücklich gemacht.

Restaurant Safran

Abends war ich mit Anne-Lou, meiner Kollegin aus dem Collège, Kaffee trinken und danach ins Kino. Wir haben uns einen Film über Michel-Angelo angeschaut, auf französisch nur "Michel-Ange". Es ist total üblich hier, dass Filme in Originalsprache gezeigt werden und nur der Untertitel französisch ist, und so war es auch bei diesem Film. Es wurde Italienisch gesprochen, während ein französischer Untertitel dazu lief. Es gibt auch Synchronisationen, aber nicht für alle Filme, so wie es in Deutschland ja normalerweise der Fall ist.

Am Mittwochmorgen war ich mal wieder in "Le Petit Carillon" und habe mir die Zeit genommen, um mal eine grobe Jahresplanung der Termine für 2021 zu machen. Der Hintergrund dazu ist, dass mich ein befreundetes Ensemble gefragt hat, ob ich bei ihnen mitsingen möchte. Ich will das auch unbedingt, aber musste erst mal abchecken  ob ich dazu nächstes Jahr die habe. Das Ergebnis: JA! Mai und September sind schon relativ voll, aber die restlichen Monate habe ich außer der Uni sehr wenige feste Termine. Das wäre sooo schön wenn das klappt!

Lieblingsplatz mit Blick auf den Kanal

Am Nachmittag habe ich mich mit einem Menschen aus einer Erasmus-Whatsapp-Gruppe, in der ich seit gestern Mitglied bin, verabredet, um den Jardin du Luxembourg zu erkunden. Weil Lea auch nach Paris kommen wollte, ist sie noch dazugestoßen. Sadullah kommt aus der Türkei, aus Izmir, und studiert Informatik. Er war total nett, und hat ganz viele Fotos und Videos gemacht weil er noch moderner ist als ich und einen sogenannten Vlog (Video-Blog) über seine Zeit macht. Etwas komisch war es aber, als er auch beim Crêpes-Essen das Video hat laufen lassen, da waren Lea und ich etwas verwirrt :D

Sadullah, Lea und ich im Jardin du Luxembourg

Am Abend hat wahrscheinlich ganz Frankreich vor den Bildschirmen gesessen, um um 20:00 Uhr der Ansprache von Macron zuzuhören. Hier sollte er die neuen Corona-Regelungen verkünden, und es gingen schon viele Gerüchte rum: kompletter Lockdown zum Beispiel, oder das Vorziehen der Ausgangssperre auf 19 Uhr, alle Schulen nur noch online und so weiter. Natürlich hab auch ich online eingeschaltet um die Neuigkeiten mitzubekommen. Ergebnis: Lockdown. Das Haus verlassen darf man nur noch, wenn man dazu einen Grund hat (Arbeit, Einkauf, Arztbesuch). Zusätzlich darf jede Person 1h pro Tag das Haus im Umfeld von 1km verlassen um beispielsweise einen Spaziergang zu machen. Für alle diese Fälle braucht man eine "Attestation", die man vor dem Verlassen des Hauses ausfüllen muss, mit Adresse, Grund und Uhrzeit. Alle Bars, Restaurants, Kinos, Geschäfte müssen schließen. Die Schulen bleiben offen.

Ziemlich krass. Nach dieser Nachricht war ich erst mal platt, hatte mich so daran gewöhnt bei einem Spaziergang in einem Café halt zu machen oder abends gemütlich ein Getränk zu trinken. Dass noch nicht mal das Treffen zwischen 2 Haushalten erlaubt ist wie in Deutschland (wo ja auch alle Bars schließen müssen) finde ich echt heftig. Vor allem, weil hier auch viele Menschen alleine leben! Die Maßnahmen gelten erst einmal bis zum 1. Dezember, dann wird entschieden wie es weitergeht.

Natürlich habe ich überlegt, abzubrechen. Aber da die Schulen offen bleiben und ich deshalb 3x die Woche das Haus für eine längere Zeit verlassen kann UND in einer WG lebe, in der ich wenigstens ab und zu menschlichen Kontakt habe und dieser dazu noch auf französisch ist, habe ich mich dazu entschieden zu bleiben, auch weil es in Deutschland gerade nicht viel besser ist.

Lea hat sich dazu entschieden, nach Deutschland zurückzufahren. Sie wohnt alleine, direkt neben der Schule und in einer Gegend, in der absolut nichts ist (also selbst spazieren gehen ist langweilig). Sie wird das Programm im nächsten Jahr nochmal machen. Ich bin darüber ziemlich traurig, weil sie hier meine engste Freundin ist, aber habe gemerkt, dass sie sich ziemlich schnell entschieden hatte und auch glücklich mit ihrer Entscheidung war, sodass ich sie nicht überreden wollte.

Ein bisschen deprimiert habe ich dann abends tatsächlich angefangen, die Serie "Emily in Paris" zu gucken, und was soll ich sagen: Ich war amüsiert und wurde abgelenkt!

Das böse C-Wort
Ja wirklich

Donnerstag haben Lea und ich dann den letzten Tag in Paris ohne Ausgangssperre genutzt um nochmal ganz viel zu unternehmen! Um halb 11 getroffen, zum Eiffelturm gefahren, auf den Eiffelturm gefahren (WAHNSINNIG SCHÖN), Pizza gegessen, Geschenke für Leas Eltern gesucht, auf der Champs-Elysee spaziert, letzten Abend in meiner Bar um die Ecke ein Getränk getrunken. Dann zu ihr, dort einen Film geguckt und Brownies gegessen. Schöner Tag, auch ein bisschen traurig.

Gemischte Gefühle beim Start in den letzten Tag vor dem Lockdown
Tooooouris
Hoch gehts!
Ausblick von oben
eine der wunderschönen Galerien Lafayettes
Au revoir, Lieblingsbar!

Am Freitagmittag bin ich dann wieder nach Paris gefahren und als ich einkaufen gegangen bin, musste ich mir zum ersten Mal eine Bescheinigung dafür ausfüllen. Verrückt! Auch hab ich entdeckt, dass es die App TooGoodToGo auch in Paris gibt und hab mir direkt mal ein einer Bäckerei eine Bestellung abgeholt. Für 4€ konnte ich ein belegtes Sandwich, ein Baguette, eine Apfeltasche, ein Stück Kuchen und eine "Religieuse" mitnehmen, richtig super!

Meine Mitbewohnerin Victoria ist heute morgen ganz spontan mit ihrem Freund nach Mexiko geflogen, ihre Mutter und Schwester sind davon alles andere als begeistert gewesen, aber sie bleibt jetzt erst mal für einen Monat dort, das ist auch sehr verrückt. Abends haben wir zu dritt in der Küche gesessen und haben uns Videos von meinen beiden Herzensschören, dem LJC und Vocal Journey angeguckt. Das war richtig schön.

Erlaubnis zum Einkauf
Une Religieuse

Samstag wurde in einer Facebook-Gruppe von Deutschen in Paris ein Thema besprochen, das mich auch schon sehr lange beschäftigt: Das Schokomüsli-Problem! Müsli ist irgendwie nicht so ein großes Ding hier in Frankreich, und die bisherigen drei Müslisorten die ich ausprobiert habe, konnten mich wirklich nicht überzeugen. Aber vielleicht kann ich mit den Tipps im Beitrag der Gruppe bald endlich nochmal ein gutes Schokomüsli hier finden.

Schokomüsli!!

Ansonsten war mein Wochenende sehr ruhig. Ich habe an beiden Tagen meine Stunde Spaziergang genutzt, das war okay, und habe ansonsten ein bisschen Unterricht geplant, mit Freunden und Familie gefacetimed und wieder ein richtig gutes Tandemgespräch mit Philippe gehabt. Heute Nacht hatten meine Eltern ein richtig gruseliges Halloween-Erlebnis: die ganze Nacht gab es Schreie vor ihrem Fenster und keiner wusste wovon! Am nächsten Morgen war aber schnell klar wer der Schuldige war: ein süßes kleines Kätzchen! 3 Monate als und richtig zutraulich hat es sich wohl verlaufen und hat sich unser Haus ausgesucht. Natürlich wurde es Halloween getauft, und jetzt versuchen wir herauszufinden ob es irgendwo vermisst wird. Wenn nicht...na dann hoffen wir mal dass sich Nala gut mit Halloween versteht!

Halloween (und oben rechts Anna mit einem Blick voller Liebe)


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