Wir reisen, also sind wir
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Mexico: Merida

Veröffentlicht: 19.01.2018

Gleich nach Ankunft in unserer Unterkunft in Merida schickte uns der Herr von der Rezeption unseres Hotels in die Innenstadt, da nämlich um 8 Uhr die all-samstägliche Licht- und Tonshow stattfinden würde, und es war bereits kurz vor 8 (die Mexikaner haben es irgendwie mit Light- und Soundshows, überall und zu jeder Gelegenheit gibt es solche). Als wir auf der Plaza Grande angekommen waren, war dort zwar eine riesige Menschenmenge versammelt, die auf irgendwas zu warten schien, aber von Licht und Ton keine Spur, und es war bereits kurz nach 8. Also sind wir ein bisschen auf dem Platz herumgewandert. Plötzlich tat sich was, und tatsächlich, die Show ging los. Die Licht- und Tonshow wurde auf die Fassade der Catedral de San Ildefonso projiziert. Es war, nun, ehrlich gesagt nicht der Rede wert. Wenn man dieses Spektakel verpasst, hat man also nichts verpasst. Die Touristen hielten eifrig bis zum Schluss durch, während die Mexikaner schon während der Show davonliefen.

Tags darauf machten wir uns wieder auf zur Plaza Grande, da dort am Sonntag Feste und Darbietungen stattfinden sollen. Tatsächlich gab einen Markt, auf welchem Kunsthandwerk und traditionelle Kleidung der Indigenen Bevölkerung angeboten wurden. Ausserdem gab es traditionelle Tanzvorführungen. Bei einigen Tänzen balancieren die Tänzer volle Gläser oder sogar ganze Tabletts mit vollen Flaschen und Gläsern auf dem Kopf, das war wirklich beeindruckend. Die Damen hatten es dabei meiner Meinung nach etwas leichter, da sie grosse Blüten im Haar trugen, wodurch sich etwas mehr Stellfläche für das Tablett ergab.
Wir verbrachten eigentlich den ganzen Tag auf der Plaza und rundherum, wo wir herumgeschlendert und durch die Läden geshoppt sind und für Jörg noch ein traditionelles Guayabera-Hemd gekauft haben. In einem dieser Läden stiessen wir erneut auf eine kulturelle Besonderheit der Region: die Maquech-Käfer. Ein Maquech ist ein von Menschenhand geschmückter Käfer, der auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan als lebendige Brosche verkauft und traditionell an der Kleidung getragen wird. Dieser Brauch geht auf eine Legende der Ureinwohner Yucatans, die Maya, zurück. Mit einem Klebestift werden geschliffene Schmucksteinchen aus Glas oder anderem Material sowie eine kurze Kette am Körper des Käfers befestigt. Mit einer Sicherheitsnadel am anderen Ende der Kette wird der Maquech sichtbar an die Oberbekleidung geheftet. Um ihn am Leben zu erhalten, wird er zwischenzeitlich wenn er nicht gerade auf dem Hemd herumkriecht in einer Art Terrarium aufbewahrt, einem Glas, das mit Holzstückchen gefüllt ist.

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Die Maya-Legende "Die Prinzessin und der Käfer" (Auszug Wikipedia)

Die Legende La princesa y el escarabajo liefert die Begründung, warum der Maquech bei den Nachfahren der Maya als Liebeszauber und Symbol für Langlebigkeit gilt:

Die Lieblingstochter des Maya-Herrschers Ahnú Dtundtunxcaán, Cuzán, sollte dem Wunsch ihres Vaters gemäß den Prinzen Ek Chapat heiraten. Sie aber verliebte sich in dessen Begleiter, einen einfachen jungen Mann namens Chalpol, der ihre Gefühle erwiderte. Sie trafen sich heimlich unter der Ceiba, dem heiligen Baum, wo die Götter die Gebete der Sterblichen erhören. Als der König erfuhr, dass Chalpol der Liebhaber seiner Tochter war, befahl er, dass Chalpol geopfert wird. Cuzán flehte den Vater um Gnade an und versprach, ihn nie wieder sehen und stattdessen die Frau des Prinzen Ek Chapat zu werden.

Als die Prinzessin sich nachts allein in ihrer Kammer aufhielt, kam ein Schamane, der ihr einen Käfer reichte. Dieses Tier, so sagte er, sei Chalpol, ihr Geliebter, dem das Leben geschenkt worden sei. Der Herrscher hatte aber gefordert, Chalpol in ein Insekt zu verwandeln; als Strafe für dessen Anmaßung, die Prinzessin zu lieben. Cuzán nahm den Käfer in ihre Hände und sprach zu ihm: "Ich habe geschworen, dich nie zu verlassen und werde mein Versprechen erfüllen."

Sie ließ den Käfer vom besten Juwelier des Reiches mit Edelsteinen bedecken und hielt ihn an einem seiner Beine mit einer goldenen Kette an ihrer Brust und sprach: "Maquech, du bist ein Mann, lausche dem Schlag meines Herzens, darin wirst du leben in Ewigkeit. Ich habe den Göttern geschworen, nie zu vergessen." Er fügte hinzu: "Die Götter haben nie eine solche Liebe gekannt, so intensiv und so lebendig wie diese, die meine Seele verbraucht."

So ist die Prinzessin mit ihrem Geliebten Chalpol als Maquech über die Gesetze der Zeit in Liebe verbunden.

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Wir haben ausserdem die Catedral de San Ildefonso besichtigt, wo gerade ein Gottesdienst stattfand. Wir haben diesem noch einige Minuten beigewohnt, aber erstens hat man nichts verstanden (alles Kirchen-Spanisch, sehr schlechte Akkustik) und zweitens sind wir nicht gerade die religiösesten Leute. Da ich nicht katholisch bin (und im Übrigen auch eine miese Protestantin), war es mir schon immer schleierhaft, woher die Leute immer genau wissen, wann sie etwas mit- oder nachsprechen müssen, was der Priester vorfaselt, und die abwechselnde Aufsteherei und Absitzerei die ganze Zeit ist mir auch zu anstrengend. Interessant ist aber immer wieder zu sehen, wie voll die lateinamerikanischen Kirchen bei der Messe sind. Bei uns stehen Kirchen ja inzwischen leer oder werden sogar als Eventhallen vermietet, weil einfach kaum noch jemand regelmässig zum Gottesdienst geht, und die Priester auch keine Lust haben, vor leerem Haus zu predigen. Es gibt auch vielmehr Messen als bei uns, soweit wir das bisher miterlebt haben, eigentlich täglich und sonntags sogar mehrmals am Tag. Schon interessant zu sehen, wieviel religiöser diese Leute heutzutage sind, nachdem ihnen diese Religion aufgezwungen wurde….
Hauptsächlich kamen wir allerdings in die Kirche um den berühmten Cristo de la Unidad hinter dem Altar zu bewundern, ein Symbol der Versöhnung zwischen den Menschen spanischer und indigener Abstammung. Es war…nun ja….ein Christus am Kreuz….wie man ihn halt kennt…ziemlich spanisch…von indigen keine Spur…was daran genau so symbolträchtig sein soll, ausser dem entsprechenden Schriftzug, war und blieb uns ein Rätsel.

Gegen Abend wurde es dann wieder voller auf der Plaza, es handelte sich nämlich, wie wir erfahren haben, an diesem Wochenende um das Fest zum Jahrestag des Bestehens der Stadt Merida (seit 1542). Es gab Musik und Tanz und weitere Vorführungen, es gab einige Stände mit Essen…….aber es gab keinen Alkohol….. fiel uns irgendwann auf. Die Plaza war gerammelt voll mit Leuten, aber niemand trank Alkohol. Es gab keine entsprechenden Stände, nix. Das war interessant. Nicht dass wir unbedingt trinken wollten, das hätten wir auch in einem der umliegenden Restaurants machen können, aber es hat uns doch überrascht, war es doch immerhin ein Fest (bei welchem bei uns die Bierstände in der Überzahl gewesen wären) und Mexiko ist ja eigentlich für Tequila und Corona bekannt.

Tags darauf machten wir uns zur Abwechslung mal wieder auf den Weg in ein Krankenhaus. Jörg und ich hatten vor einigen Tagen rumgeblödelt und ich hatte dabei dummerweise sein Knie in den Brustkorb bekommen. Obwohl ich ziemliche Schmerzen hatte (und immer noch habe), ging es mir ansonsten gut, daher war ich nicht sehr in Sorge, dass es sich um etwas Schlimmes handeln könnte. Ganz abgesehen davon kann man ja ohnehin nicht viel machen, selbst wenn eine Rippe gebrochen wäre. Allerdings läuft meine SUVA-Versicherung per Ende Januar aus, daher hielten wir es für besser, den Unfall zu melden und abzuklären, nicht dass es dann später im Falle von irgendwelchen Folgeproblemen noch zu Diskussionen kommen würde, welche Versicherung nun zuständig ist. Also machten wir uns auf in die Clinica de Merida und meldeten uns im Notfall. Noch während wir auf einen Termin warteten, wurde im Wartezimmer von einer Schwester schon Blutdruck und Fieber gemessen (viel effizienter als bei uns). Einige Minuten später sassen wir bereits vor der Ärztin, die meinte, sie würde das gerne röntgen lassen. Also gingen wir zur Röntgenabteilung, wo wir zuerst eine Rechnung ausgestellt bekamen, die wir bitte zuerst an der Kasse zahlen sollten und dann mit der Quittung wieder zurückkommen. Gesagt, getan, bezahlt, geröntgt, und schon sassen wir wieder vor der Ärztin. Keine Fraktur, nur geprellt, tut weh, tut lange weh, wird wieder weggehen….hier noch ein Rezept für Medikamente, Apotheke ist gleich draussen, und dann noch einen schönen Tag. Die ganze Sache dauerte insgesamt knapp 1.5 Stunden und hat ca. 87 Fr. gekostet (inkl. Arzttermin, Röntgen, Medikamente). Und da soll noch jemand sagen, die medizinische Versorgung in diesen Ländern sei schlecht. Klar muss man dazu sagen, dass dies ein Privatspital war, und knapp 90 Fr. für die Mexikaner wohl etwas mehr sind als für uns. Aber die SUVA hat sicher Geld dabei gespart, für die 90 Fr. hätte mir mein Hausarzt wohl gerade mal die Tür aufgehalten…

Verrichteter Dinge machten wir uns anschliessend auf zum Gran Museo del Mundo Maya. Dieses gilt als das beste Museum Meridas und würdigt die Maya-Kultur mit einer grossen Dauerausstellung. Ich muss zugeben, dass ich mir bis zu diesem Zeitpunkt als wir in Merida angekommen waren, keinerlei Gedanken gemacht hatte über die heutigen Mayas. Irgendwie galten die für mich als ausgestorben, eine alte vergangene Kultur, die einige Ruinen hinterlassen hat. Ende der Geschichte. Aber so ist es eben nicht. In Mexiko leben verschiedene Stämme von Indigenes (Ureinwohner), insgesamt werden über 70 verschiedene Sprachen von den jeweiligen Stämmen gesprochen, und unter ihnen leben eben auch die Mayas. Wir sind ihnen ja auch schon begegnet, in den Strassen, auf den Märkten, sie waren es, die mit den Gläsern auf den Köpfen tanzten, sie hängen sich komische Käfer ans Hemd. So haben sie auch eine neue Messeinheit für Jörgs Grösse festgelegt: Auf der Strasse nämlich ist diese Auffälligkeit immer wieder ein Eisbrecher, wodurch sich oft spannende Gespräche ergeben. Und auch in Merida wurden wir mehrmals auf der Strasse darauf angesprochen. Und bei einem dieser Gespräche wurde dann eben durch einen freundlichen Herrn festgelegt, dass Jörg eineinhalb Mayas misst.
Wir werden später nochmals auf das Thema Indigenes und die damit einhergehenden sozialen Brennpunkte zurückkommen.
Das Museo del Mundo Maya jedenfalls ist wirklich eine gute Sache. Der erste Teil ist zwar etwas komisch, es geht nämlich um das Aussterben der Dinosaurier und um Meteoriten und allerlei Weltraum-Gestein. Anfangs dachte ich noch, das wird dann irgendwann eine Überführung ins Maya Thema geben, da diese ja sehr dem Weltraum und den Sternen verbunden waren (Maya-Kalender etc.), aber da täuschte ich mich. Das war eine eigenständige Ausstellung und der Zusammenhang wurde einem nicht so ganz klar.
Wie dem auch sei, die anschliessende Ausstellung zu den Mayas war sehr interessant. Die Geschichte der Mayas wird dabei rückwärts erzählt, beginnt also bei den heutigen Mayas, und endet bei der Entstehungszeit all dieser bekannten Ruinen. Das Museum zeigt diverse Exponate, die das heutige Leben der Mayas illustrieren, und auch viele Ausstellungsstücke, die aus den Ruinen hierhergebracht wurden, teilweise auch Nachbildungen.

Eine der für mich wichtigsten Fakten aus der Ausstellung, vor allem hinsichtlich unserer weiteren Begegnungen mit dieser Kultur, ist die Tatsache, wie sehr und auch wie erfolgreich sie sich gegen die Spanier gewehrt hatten. Obwohl sie letztendlich in militärischer Hinsicht natürlich unterlegen waren, war es trotzdem wohl ein harter Brocken für die Spanier, und in ideologischer und kultureller Hinsicht leisten sie noch immer Widerstand, bis zum heutigen Tag. Auch darauf kommen wir später nochmals zurück.

Das war unsere Zeit in Merida. Weiter geht’s in Palenque.

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