Wir reisen, also sind wir
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Kuba: Camagüey

Veröffentlicht: 17.07.2017

Von Trinidad aus sind wir mit dem Bus 7h nach Camagüey gereist. Vom Busbahnhof sind wir mit einer Fahrrad-Rikscha zu einem Casa gefahren. Der Fahrer war ein netter junger Kerl, allerdings war er dann doch etwas überfordert mit den ca. 230 kg (Jörg + Ich + Gepäck) in der brütenden Hitze bergauf. Also hat Jörg zusammen mit dem Fahrer das Fahrrad gestossen als es bergauf ging, und ich sass mit dem Gepäck und einem leicht schlechten Gewissen obendrauf. Das angesteuerte Casa wurde uns von dem Fahrer empfohlen, natürlich hatte er eine Provision vom Casa-Besitzer in Aussicht. Zu seinem Pech war das Casa allerdings belegt, so dass uns der Casa-Besitzer ein weiteres anderes Casa empfohlen hat, und natürlich dann selber seinerseits eine Provision eingestrichen hat, im Schaukelstuhl-sitzend und nichts-tuend. Es ist hart zu sehen, dass der Einzige, der eigentlich wirklich hart gearbeitet hat, nämlich der junge Rikscha-Fahrer, letztendlich dann eigentlich leer ausgegangen ist. Este es Cuba….wir haben ihm dann ein Trinkgeld mehr bezahlt, als ursprünglich vereinbart war.

Nach Camagüey sind wir eigentlich hauptsächlich gegangen, weil zu der Zeit dort Karneval war, und wir uns das nicht entgehen lassen wollten. Das war ausnahmsweise mal eine gute Idee. Unsere Gastfamilie hatte selber noch Besuch von einer Schwester, die in Deutschland lebt, und sie haben uns dann auch gleich mitgenommen zum Karnevals-Umzug. Sie hatten tonnenweise Essen und Rumflaschen dabei, welche sie uns sehr freundlich auch angeboten haben. Umso überraschter waren wir, als sie nach ca. 1 h sagten, sie hätten es jetzt gesehen und gehen jetzt wieder heim. Wir verabschiedeten uns und blieben dort, um den Umzug zu Ende zu schauen.
Vor und neben uns in der Zuschauer-Menge war eine relativ grosse Familie. Als ich mich hinter die Familie stellte, wurde mir sofort von diesen Menschen der Platz ganz vorne beim Umzugs-Geschehen angeboten. An sich sehr freundlich, wobei ich dankend abgelehnt habe, ich möchte mich nicht vordrängen, nur weil ich blaue Augen habe und offensichtlich nicht von hier komme. Was uns an dieser ganzen Szenerie allerdings wahnsinnig befremdet hatte, war die Tatsache, dass die alte Grossmutter dieser Familie im Rollstuhl ganz hinten hinter allen anderen sass, und überhaupt nichts vom Umzug gesehen hatte. Warum bot man mir ohne zu zögern den Platz in der ersten Reihe an, aber die Grossmutter im Rollstuhl, die keinen gestört hätte, wenn sie ganz vorne gewesen wäre, sass in der letzten Reihe? Irgendwann habe ich die Familie gefragt, warum man denn die alte Dame nicht nach vorne schiebt, immerhin sähen alle immer noch wunderbar über sie hinweg. Ich habe die Antwort nicht verstanden, es konnte allerdings auch keine gute Antwort gewesen sein. Ausserdem haben sie offensichtlich über mich gelacht, Gott allein weiss, was daran lustig gewesen ist. Anschliessend haben sie dann doch angefangen, die arme Alte an den Armen hochzuheben, wenn ein Festwagen im Umzug vorbeikam. Die ganze Sache hat mich irgendwie wahnsinnig getroffen und bewegt. Wie können die Leute in einem sozialistischen Land denn nur so asozial sein? Als Jörg dann noch ein Foto gemacht hat von der Situation und dadurch wohl sehr deutlich wurde, dass wir das Ganze ganz und gar nicht cool fanden, sind die Jungen dann doch noch beiseite gegangen und haben die Grossmutter vorgelassen. Man kann sich fragen, was den Unterschied gemacht hat. Hätten sich andere Kubaner über diese Situation aufgeregt, hätten sie dann auch darauf reagiert? Oder war es nur weil wir Ausländer waren? Und wenn ja, weshalb? Immerhin konnten sie von uns ja nichts erwarten (Geld o.ä.). Vielleicht weil wir ein Foto gemacht haben? Jörg und ich sind dann weitergegangen. Este es Cuba…

Jedenfalls hatten wir noch einen sehr ausgelassenen Abend. Nach dem Umzug sind wir dann in eine Party-Meute geraten, wo wir ganz offensichtlich die einzigen Touristen waren. Es haben uns auch alle Anwesenden entsprechend angeglotzt. Eine Truppe Kubaner hat uns angesprochen, sie wollten wohl ihr Englisch ein wenig üben, welches aber sozusagen gar nicht vorhanden war. Wir haben uns dann in klassischem Spanglish und Händen und Füssen irgendwie mit ihnen unterhalten. Die Frau hat die ganze Zeit wiederholt, dass ihr Sohn in den USA lebt, und sie war wahnsinnig stolz auf ihn. Ihr Ehemann hat mir erzählt, dass eine seiner Schwestern in Argentinien lebt, ebenso sehr stolz. Ich habe ihn gefragt, ob er auch noch andere Geschwister hat. Er sagte, ja 2, aber sie hätten keinen Kontakt, denn das seien Communistas. Ich habe ihn gefragt, ob er denn kein Kommunist sei? Nein, er sei Capitalista. Wenn man schon mal die Chance hat, mit einem betrunkenen Kubaner zu sprechen, der keine Angst hat, zu sagen, was er denkt, sollte man die Chance nutzen. Also habe ich ihn gefragt: No soy fidel por siempre? Ich habe von seine Antwort nicht alles verstanden, es war ein regelrechter Redeschwall, aber sinngemäss hiess es wohl: Fidel ist tot.
Der Mann hat mir ausserdem erzählt, dass er Maschineningenieur sei. Auf meine Frage, wo er denn arbeite, sagte er, er arbeite gar nicht, es lohne sich nicht als Ingenieur zu arbeiten, man verdiene einfach nichts. Er und seine Frau hätten ein Casa Particular, das lohne sich mehr. Man muss dazu anmerken, dass wir von den im Casa angestellten Damen in Rancho Luna erfahren haben, dass sie 1 CUC pro Tag verdienen (= 1 USD). Von verschiedenen Leuten unterwegs wurde uns erzählt, dass das Durchschnittsgehalt in Kuba etwa 25 CUC (= 25 USD) pro Monat beträgt. Ein guter Arzt verdiene etwa 45 CUC, man kann sich nur vom Staat anstellen lassen, private Praxen gibt es nicht. Für ein Zimmer in einem Casa Particular haben wir zwischen 15 und 25 CUC pro Nacht bezahlt. Man kann sich also selber ausrechnen, dass man bereits mehr verdient hat, wenn man ein Zimmer in seinem Haus für 3 Nächte vermietet, als wenn man nach einem langen Studium als Arzt tätig ist. Völlig absurd.
Zum Thema Casa Particular muss man allerdings wirklich noch anmerken, dass die angebotenen Zimmer allesamt tatsächlich sehr hübsch und sehr sauber sind und gute Einrichtungen bieten. Kühlschrank, Klimaanlage und privates Badezimmer sind Standard (Soweit wir gelesen haben, werden diese Standards vom Staat vorgegeben und auch überprüft). Für den Preis kann man sich also wirklich nicht beklagen. Um den Link zu meinem Gesprächspartner wieder zu schlagen: Wir haben niemals je einen Mann gesehen, in einem Casa Particular etwas zu arbeiten. Der Hausherr sitzt üblicherweise im Schaukelstuhl, während die Frauen die ganze Arbeit erledigen. Ausser sie haben noch Angestellte, dann sitzt die Frau ebenfalls im Schaukelstuhl. Es lebt sich also offenbar nicht schlecht, als Maschineningenieur mit eigenem Casa (und Ehefrau natürlich).

Wenn wir gerade beim Thema Geld sind, so wird die ganze Diskussion endgültig ad absurdum geführt, wenn man sich im Klaren ist, dass man als Tourist für ein 0.5l Fläschchen Wasser üblicherweise 1 CUC bezahlt. Durchaus also vergleichbar mit Schweizer Preisen. Man muss aber wissen, dass Kuba 2 Währungen besitzt. Zum einen die normalen Pesos, oder auch Moneda Nacional, welches die normalen Kubaner benutzen. Für die Touristen gibt es die Zweitwährung Peso Convertibles CUC. Der Umrechnungsfaktor ist 1 CUC = 25 Pesos. In vielen Museen zahlt der Kubaner denselben Betrag in Moneda Nacional, wie der Tourist in CUC, also 25 Mal weniger. Das ist ja in Ordnung, wenn man davon ausgeht, dass sie umgerechnet nur 25 CUC im Monat verdienen. Allerdings ist das offenbar nicht immer so. Wir haben die Gruppe Leute am Karneval gefragt, was sie hier an der Veranstaltung für ein Bier bezahlen, und sie sagten, es wäre ebenfalls 1 CUC, so wie wir. Kubaner welche irgendwie mit Touristen arbeiten können, und dadurch die Möglichkeit haben, direkt an CUC heranzukommen sind also gemachte Leute, im Vergleich zu jenen, die ihr Salär in Peso verdienen, denn die können sich offenbar gerade mal 25 Bier am Karneval leisten, und dann ist das Monatsgehalt dahin. In unseren Augen ist das eine klare Zwei-Klassen-Gesellschaft, welche ja eigentlich im Zuge der Revolution von Fidel bekämpft wurde. Ziel leicht verfehlt, würde ich sagen.

Wie auch immer, wir haben das Grüppchen Kubaner später verlassen und sind ins Bett. Am nächsten Tag nahm dann die Odyssee des Grauens alias der Versuch das Visum zu verlängern ihren weiteren Lauf. Nach einem weiteren längeren Fussmarsch in der Hitze fanden wir das Immigrationsbüro von Camagüey. Dort wurde uns allerdings mitgeteilt, dass hier keine Visa verlängert werden. Dazu müssten wir in ein anderes Büro gehen. Man konnte uns keine genaue Adresse angeben. Eigentlich wollte gar niemand mit uns sprechen. Nachdem wir erneut ein wenig Terror gemacht haben, hiess es dann: irgendwo beim Plaza de la Revolución, müsst halt dort fragen. Gesagt getan, wir sind dorthin marschiert, und haben uns dann irgendwann auch bis zu diesem unscheinbaren Büröchen durchgefragt. Die Freude währte nur kurz. Die Empfangsdame erklärte, Jörgs Visum würde nicht verlängert, da er kurze Hosen anhatte, und daher das Gebäude nicht betreten durfte. Ich dachte mich tritt ein Pferd. Die Damen hätten in Unterhosen antraben können (es gab ein paar vor Ort, bei denen dazu wirklich nicht mehr viel gefehlt hätte), aber Herren nur in langen Hosen. Dumm nur, dass wir einen ganzen Rucksack mit den warmen Klamotten in Havanna gelassen hatten, und Jörg also überhaupt keine langen Hosen dabei hatte. Ich erklärte das der Empfangsdame, worauf sie antwortete, er müsse halt Hosen kaufen gehen. Ich zeigte auf ihn und erklärte erneut, dass er nicht unbedingt Standardmasse hat, und es dadurch wohl etwas schwierig sein dürfte, auf die Schnelle hier in Kuba ein paar Hosen für ihn aufzutreiben. Sie zuckte mit den Schultern. Ich fragte dann, ob ich für ihn das Visum verlängern könne, darauf gab es keine Antwort, sondern wir wurden erstmal in den «Wartesaal» (draussen in der brütenden Hitze) geschickt. Eineinhalb Stunden später, und nachdem einige andere Leute, die nach uns kamen, bereits vorgezogen wurden, erhielt ich dann endlich die langersehnte Audienz bei der Ministeriumsdame. Sie dauerte relativ kurz. Auch sie sagte, Jörgs Visum könne nicht verlängert werden, da er etwas unterschreiben müsse, und das Gebäude nicht betreten durfte. Ich habe gefragt, ob er den Wisch denn nicht auch draussen unterschreiben könne. Schulterzucken. Aber es kam ohnehin nicht darauf an. Die Dame erklärte mir nämlich, dass sie auch mein Visum nicht verlängern könne, da es zu früh sei. Man könne das Visum erst 1-2 Tage vor Ablauf der 30 Tage verlängern, ich müsse dies in Havanna machen. Ich war dem Nervenzusammenbruch nahe. Ich erklärte ihr, dass mir aber der Beamte in Trinidad genau das Gegenteil erklärt habe, nämlich, dass man es spätestens 7 Tage vor Ablauf der 30 Tage verlängern muss, später ginge es nicht mehr. Sie antwortete: Otra Provincia. Wie zum Teufel kann denn das in den verschiedenen Provinzen unterschiedlich sein? Keine Antwort. Ich fragte sie, ob sie mir ein offizielles Schreiben geben könne, wo genau diese Richtlinien schwarz auf weiss beschrieben sind, weil ich fürchtete, dass der nächste Beamte in Havanna dann wieder etwas Anderes behauptet. Daraufhin sagte sie zu mir, dass es das nicht gebe, und es ohnehin auch nicht nötig sei, weil sie es mir ja jetzt gerade erklärt habe. Audienz beendet. Ich war sprachlos.
Wir haben uns daraufhin entschieden, auf die Verlängerung zu verzichten und einfach einen teureren anderen Flug nach Bogota zu buchen. Erstens weil man eigentlich auch nicht länger in einem Land bleiben will, wo man so behandelt wird, und zweitens weil wir auch nicht noch mehr Zeit für dieses leidige Thema verschwenden wollten. Später haben wir dann in der Bank versucht, die bereits gekauften Sellos zurückzugeben. Auch das ging natürlich nicht. Ob man die Sellos denn noch für etwas anderes verwenden könne, als für das Visum? Nein. Leicht angesäuert fragte ich die Bankangestellte, ob das denn tatsächlich heisse, dass wir jetzt einfach dem kubanischen Staat 50 Dollar geschenkt haben und keine Chance haben, das Geld zurück zu erhalten? Ja + gleichgültiges Schulterzucken. Man möchte sie schlagen…………Falls also jemand bald mal nach Kuba reist, und schon weiss, dass er sein Visum verlängern möchte: Wir hätten noch die Sellos.

Am selben Tag haben wir den Bus nach Santiago de Cuba gebucht. Dummerweise haben wir uns 10 Minuten nach der Buchung umentschieden und beschlossen, besser einen Nachtbus zu nehmen, da die Fahrt ca. 8h dauerte. Zurück im Buchungsbüro sagte uns die dortige Dame, dass das Umbuchen 25% extra kostet. Nach einem entsetzten «Wie bitte?» waren es dann komischerweise plötzlich nur noch 10%. Ok, war unser Fehler, 10% also. Als ich die Dame dann aber fragte, ob sie mir nochmals die Abfahrtszeiten nennen könnte, sagte sie genervt, sie hätte mir diese doch vorhin gerade erklärt, und es sei nicht nötig das zu wiederholen. Da hat es mir dann endgültig gereicht. Ich erklärte ihr in wütendem, holprigen Spanisch, dass ich ihr soeben 40 CUC gezahlt habe für die Tickets, und dafür eine etwas nettere Behandlung erwarte. Sie antwortete trocken: Du hast es nicht mir gezahlt, sondern dem Staat. Sprachlos……….

Zusammenfassend kann man sagen, dass man in Kuba einigermassen nett und anständig behandelt wird, solange man jemandem direkt sein Bargeld in die Hand drückt, Casa-Besitzer, Taxi-Fahrer, etc. Von Staatsangestellten, was ja leider die meisten sind, darf man weder Effizienz noch auch nur ein geringstes Mass an Höflichkeit oder Hilfsbereitschaft erwarten. Man ist definitiv nur die wandelnde Brieftasche von Fidel und Entourage. Ganz einfach.
Ich war bisher dem Kommunismus gegenüber stets ambivalent eingestellt, es ist ja eigentlich nichts grundsätzlich Schlechtes an dem Gedanken, dass alle dasselbe haben sollen und einander gleichgestellt sind. Aber am Beispiel Kuba merkt man deutlich, dass der Mensch in seiner Natur einfach nicht geschaffen ist für den Kommunismus. Er verdirbt die Menschen. Wenn man nicht Leistung bringen muss für sein Auskommen, dann tut man es eben auch einfach nicht. Aber wenn niemand mehr Leistung bringt, funktioniert auch einfach gar nichts mehr und alle leiden darunter.
Und es wurde für uns mehrfach deutlich, dass vor allem die junge Generation dieses Prinzip verstanden hat, und dass diese Generation Veränderung will. In Zeiten des Internets ist es nicht mehr so einfach, Menschen vom freien Denken abzuhalten und an ihrer eigenen Meinung zu hindern.

Wenigstens nahm dieser fürchterliche Tag doch noch ein gutes Ende. Als wir uns niedergeschlagen auf den Rückweg zum Casa machten, trafen wir einen jungen Kubaner und seine zwei Kolleginnen wieder, mit welchen wir am Vortag schon kurz gequatscht hatten. Kurzerhand nahmen sie uns mit zum Karneval, wo wir dann auf einer Party für Homosexuelle landeten. Auch dort waren wir die einzigen Touristen. Nach diesem Tag waren wir definitiv in Trinklaune. Wir hatten einen sehr ausgelassenen Abend, viel getanzt und gelacht, unsere Begleiter haben sehr gut auf uns aufgepasst und waren sehr freundlich und wir sind irgendwann sturzbetrunken zum Casa zurückgetorkelt.

Von Camagüey selber haben wir eigentlich nicht viel gesehen. Trotzdem war es im Nachhinein der Ort, der uns am besten gefallen hatte. Wir hatten eine gute Zeit mit den Locals am Karneval und haben viel über ihr Leben erfahren. Das war es wirklich wert. Am nächsten Tag haben wir den Kater ausgeschlafen und sind dann auf den Nachtbus nach Santiago de Cuba.

Antworten (1)

Manuela
Zwei Klassen Gesellschaft pur!

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