Vier Reifen und zwölf Pfoten
Vier Reifen und zwölf Pfoten
vakantio.de/vier-reifen

Ein Engel namens Patrick

Veröffentlicht: 30.01.2022

#6 Calpe

Die Sache mit dem Strom ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Wir brauchten immer einen Stellplatz mit Stromanschluss. Hier über Land war das vielleicht kein Problem. Aber auf den geplanten Ausflügen nach Marbella, Cadiz oder Sevilla vielleicht schon. In den verschiedenen Foren berichten viele Tourer über randvolle Camping- und Stellplätze. Ich steckte gerade unsere Route für den neuen Tag über die App Stellplatz-Radar ab, als ich auf unserem Weg einen Hinweis „Liontron fand – ein Batterie-Fachhandel! Konnte das Zufall sein? Ich hatte in dieser App vorher noch nie eine derartige Notiz gesehen. Ich googelte und tatsächlich, diese Firma war spezialisiert auf Lithium-Batterien für Wohnmobile, genau, was ich suchte. Ich schickte eine Mail und keine halbe Stunde später kam die Antwort von einem Patrick mit einer Telefonnummer. Ich rief an. Er meldete sich auf Spanisch. Ich fragte ihn, ob er auch Englisch spräche und er lachte. „Français?“, fragte er. Ich schaute hilfesuchend zu Icke: „Ich kann nur merci und Louis de Funes“, sagte sie mit einem Achselzucken und unschuldigem Blick. Mir fehlten die Worte. Das merkte Patrick wohl. „Du kannst Dir aussuchen: Spanisch, Englisch, Französisch oder vielleicht Deutsch?“ So ein Angeber, aber mir fiel ein Stein vom Herzen. Ein Schweizer. Ja, sie hätten eine passende Batterie und er nehme sich auch die Zeit, sie mir einzubauen. „Ich mache das normalerweise nicht mehr, aber wir ziehen gerade um und ich helfe gerne.“ Ja, die Schweizer! Wer hat Ricola und die Batterien erfunden? Die Schweizer! Auf nach Calpe! (Bei den Batterien bin ich mir nicht so sicher …)

Das waren von unserem Standort aus etwa 650 Kilometer. Wir wollten uns um 16 Uhr auf einem bestimmten Platz treffen, dessen Adresse mir Patrick geschickt hatte. Das würde knapp werden. Wir packten unsere Sachen und um 9 ging’s los. Beim Anlassen kam im Display die Meldung „Motor überprüfen“. Verdammt! Ich schlug im Bordbuch nach. Dort stand: „Dringend Werkstatt aufsuchen.“ Das konnte doch jetzt nicht wahr sein! Wir beschlossen, das erst einmal zu ignorieren und los zu fahren.

Nach fünf Kilometern hörte ich an meiner rechten Seite einen Aufschrei: „Oh nein!“ Wasser! Aus Richtung Toilette bahnte sich ein kleines Bächlein seinen Weg und hatte schon den kompletten Innenbereich eingeweicht. Mitten in einem kleinen Dörfchen fuhr ich rechts ran. Ich musste das Wasser stoppen. Ich schaute in das Fach, in dem die Toiletten-Kassette untergebracht war. Alles voller Wasser, zum Glück sauberes Wasser. Da war irgendeine Leitung der Toilettenspülung undicht, vermutete ich. Ich schöpfte das Wasser ab und wischte alles trocken. Wir durften die Spülung nicht mehr benutzen. Und wir mussten weiter. Beim Anlassen wieder die Meldung „Motor überprüfen“. Ganz ruhig bleiben …

Zugegeben: Unser Nervenkostüm war jetzt so dünn, dass es fast schon durchsichtig war. Was, wenn wir das Wasser nicht stoppen konnten? Wenn der Motor den Geist aufgab? Die 650 Kilometer auf der AP7 drehte sich mein Gedankenkarussell. Hatte ich uns mit dieser Reise zu viel zugemutet?

Kurz vor 16 Uhr waren wir in Calpe. Mit uns fuhr Patrick auf den großen Sandplatz, auf dem schon einige Wohnmobile ihr Quartier für den Abend bezogen hatten. Als er mit einem strahlenden Lächeln und einer Batterie unter dem Arm aus seinem Auto sprang, ging es mir gleich besser. Er war ein Engel. Er mochte ein paar Jahre jünger sein als ich und war ein Vollprofi. In wenigen Minuten war der Beifahrerstuhl ausgebaut und die darunter liegende Batterie ausgetauscht. Ich will nicht verschweigen, dass wir dabei eine Menge Glück hatten, denn die Lithium-Batterie war um 2 Zentimeter zu hoch, aber Patrick bastelte sie mit viel Geschick liegend ein, was bei Lithium kein Problem ist.

Es war spät geworden. Wir wollten uns in Calpe einen Stellplatz suchen, für den wir noch einmal – jetzt aber bestimmt zum letzten Mal! – Strom benötigten, weil die neue Batterie nur zu 30 Prozent geladen war. In Calpe sollte das kein Problem sein. Hier gab es acht Stellplätze für Hunderte Wohnmobile. Wir fuhren sie der Reihe nach alle ab. Keine Chance. Jeder bis auf den letzten Platz belegt. Im Januar. Unglaublich. Wir waren im Gedanken schon wieder auf der Autopista, als auf dem letzten Platz auf unserer Liste die Frau an der Rezeption auf Schwyzerdütsch flüsterte: „Einen habe ich noch.“ Die Schweizer! Ich liebe sie! Unser Wohnmobil dürfe aber höchstens sechs Meter lang sein, meinte die Frau. Allerhöchstens! Unseres misst 5,98 Meter – ohne Fahrradträger. Aber wer braucht mitten in der Nacht irgendwo im tiefsten Spanien schon einen Zentimeterfuchser …

Antworten

Spanien
Reiseberichte Spanien