Vier Reifen und zwölf Pfoten
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Die Stadt, in der der Wind zu Hause ist

Veröffentlicht: 25.02.2022

#28 Tarifa

Welchen Wert haben Worte, Urlaubsberichte in einer Situation wie dieser? An einem Tag, an dem ein Feuer entfacht worden ist, das die ganze Welt in Brand setzen kann. Was für einen Sinn macht da ein Blog über eine Reise quer durch Andalusien?

Diese Frage habe ich mir gestellt. Ich saß in unserem Wohnmobil mit Blick auf das offene Meer und da war nur Leere. Sinnlosigkeit. Vielleicht auch eine Spur von Angst. Was, wenn die Situation sich schnell verschlimmert, die NATO in den Konflikt eingreift? Uns trennen 3000 Kilometer von unserem Zuhause …

„Hey, schau dir diesen strahlend blauen Himmel an! Was machen wir denn heute? Willst Du einen Kaffee?“ Icke – da war er, der erste Sonnenstrahl an diesem Morgen. Ich habe ihr von meinen Bedenken wegen des Blogs erzählt. „Ach,“ meinte sie, „soll es in der Welt nur noch Mord und Totschlag geben? Die Menschen brauchen doch auch noch etwas anderes – gerade jetzt!“

Ja, das war ein gutes Argument. Ein überzeugendes. Also will ich Euch heute von unserem Ausflug nach Tarifa erzählen, zum südlichsten Punkt von Europa.

Von Gibraltar aus sind das nur etwa 40 Kilometer. Ein Katzensprung. Das etwa 20.000 Einwohner große Städtchen bildet auf der europäischen Seite den Anfang der etwa 60 Kilometer langen Wasserstraße bis Gibraltar. Hier beginnt – oder endet – also der Atlantik.

Als wir die Stadt erreichten, sahen wir schon von Weitem eine Lidl-Reklame leuchten. Wir mussten unseren Vorrat auffrischen. Wir staunten nicht schlecht, als wir dort ankamen. Auf dem Parkplatz stand ein gutes Dutzend Wohnmobile. Und nicht nur hier: Wir haben noch in keiner Stadt so viele Wohnmobile gesehen wie in Tarifa.

Nachdem wir am Rande eines Sportgeländes einen schönen Standplatz gefunden hatten – wir konnten ja frei stehen, weil wir Dank unserer neuen Superduper-Batterie keinen Stromanschluss mehr brauchen – stürzten wir uns in die Altstadt und landeten – richtig – zuerst mal in einem Café. Klein, unscheinbar, vor der Tür drei Tischchen, von denen einer noch frei war. Wir setzten uns und warteten. Und warteten. Und warteten. Rund 15 Minuten. Dann schlich sich ein Mann mittleren Alters an unseren Tisch, Vollbart, Jesuslatschen, leise Stimme. Auf Englisch fragte er uns, was er uns denn bringen dürfe. Kaffee und Tee. Und zwei getoastete Brötchen - so stand es auf der Karte. Nach einer halben Stunde kamen zuerst die Brötchen. Es waren zwei Hamburger, die auf der Zunge zergingen! Ich habe noch nie so gute Hamburger gegessen – und ich habe in meinem Leben schon viele Hamburger gegessen! Auch der Kaffee und Tee waren von bester Qualität. Keine Frage, das Warten hatte sich gelohnt!

Und es hatte uns einen ersten Eindruck von Tarifa vermittelt, einen ganz entscheidenden sogar: Zeit spielt hier keine Rolle! Auch nicht für die Touristen, die hier zu Besuch sind, meinst junge, relaxte Menschen, die ihr Leben im Flair dieser ganz besonderen Stadt genießen wollen.

Viele von ihnen sind Wellenjäger, meist Kitesurfer, die wegen des außergewöhnlichen Windes hierher kommen. Da die Straße von Gibraltar auf beiden Seiten von Bergen gesäumt ist, muss sich der Wind hier regelrecht durchzwängen. Deshalb ist es an Tarifas Stränden nahezu das ganze Jahr über windig, oft stürmisch. Ickes Bilder können mehr von diesen Wasser-Artisten erzählen als jedes meiner Worte.

Aber: Es hat nicht jeder seine Freude an diesem Fast-Tornados … Wir waren gerade am Strand und beobachteten die Kite-Künstler, als sich Ickes Blase meldete. Das tut sie meist dann, wenn weit und breit keine Toilette zu finden ist. Icke ist eine Künstlerin im Frei-Pinkeln. Sie findet immer ein Plätzchen, es geht blitzschnell und keiner kriegt es mit. So war es auch hier. Sie schlich sich in eine kleine Schlucht hinab und war plötzlich weg. Aber diesmal dauerte es länger … Mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck kam sie zurück. „Weißt Du, was Helikopter-Pullern ist?“, fragte sie mich. Ich zuckte nur die Schultern. „Der Wind kommt hier von allen Seiten“, erklärte sie. „Und er ändert seine Richtung ganz plötzlich. Du verstehst?“ Ja, ich verstand. Wir gingen nicht mehr eine Kleinigkeit essen. Wir gingen zurück zum Wohnmobil. Umziehen.    

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