Vier Reifen und zwölf Pfoten
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Frau und Mann und die zwei Sichtweisen

Veröffentlicht: 19.02.2022

#23 Aguadulce

Ihr werdet es nicht glauben, aber sie hat es noch einmal getan. Zweimal sogar. Hintereinander. Ich habe Euch doch von Ickes Säuberungsaktion erzählt. Mit einer 0,5-Liter-Flasche Wasser gegen die ganzen Hundemarkierungen von Aguadulce, Almeria und Andalusien überhaupt. Ja! Es war gegen 23 Uhr, ich wollte gerade ins Bett und habe mich ausgezogen, da beginnt Icke sich anzuziehen. Ich meine, Icke ist immer für eine Überraschung gut – und mit immer meine ich immer. Sie agiert oft anders als man es erwarten würde und ganz oft macht sie genau das Gegenteil. Als sie sich dann eine leere 8-Liter-Plastikflasche schnappte und mit einem grimmigen Blick im Bad den Wasserhahn aufdrehte, schwante mir Böses …

„Icke“, sagte ich in einem ruhigen, Wogen glättenden Ton, „Schatz, Du wirst doch jetzt kurz vor Mitternacht nicht da draußen sauber machen wollen?“ Es war als Frage formuliert, wobei ich die Antwort schon kannte. Sie stand in ihrem Parka an der Tür, hob mit entschlossenem Gesichtsausdruck die Hand und deutete mit ihrem Zeigefinger an, dass jedes Wort von mir sinnlos wäre.

Ich ließ sie gehen. Unsere drei Hunde standen neben mir und gegenseitig schauten wir uns fassungslos in die Augen. Ich zuckte für uns vier mit den Schultern.

Wir legten uns schlafen. Irgendwann hörte ich den Schlüssel in der Tür und kurz darauf den Wasserhahn im Badezimmer arbeiten. Noch mal 8 Liter. Nochmal eine Runde. Beim Rauschen des Wassers muss ich eingeschlafen sein. Ich habe Icke am nächsten Morgen nicht gefragt, wie viele Kanister Wasser sie in nächtlicher Stunde auf Aguadulces Straßen verteilt hat, aber als wir nach dem Frühstück mit unserer Meute zur morgendlichen Gassirunde aufbrachen, musste ich feststellen, dass Berry und Pipo, unsere beiden Jungs, an ihren gewohnten Stellen vorbeiliefen, nicht einmal den Kopf hoben, um zu schnuppern. Und das blieb so bis wir am Strand waren. Ich war baff! Das konnte doch nicht sein!

Icke hätte stillschweigend ihren Triumph auskosten können, aber das liegt nicht in ihrer Natur – und sie ist da sicher nicht die einzige Frau. Sie ging gleich einen Schritt weiter. „Was meinst Du, künftig nehmen wir auf unseren Spaziergängen immer eine volle Wasserflasche mit und machen alles weg, was Berry und Pipo markieren.“ Auch das war als Frage formuliert, eine Frage, die jede Antwort kategorisch ausschloss.

Das war ein starkes Stück! Als Mann fühlte ich sofort, dass ich meine Kumpels jetzt nicht ihrem Schicksal überlassen durfte. Ich forderte Icke auf, sich mal in Berry oder Pipo hineinzuversetzen. Sie wandeln hier auf geschichtsträchtigen Spuren, riechen die Düfte von vielleicht Hunderten von Artgenossen vergangener Jahrzehnte. Wo in Deutschland vielleicht noch Waldis und Bastis Tropfen von gestern Abend zu erahnen sind, explodiert hier mit einem Schnüffeln das Elixier unzähliger Generationen in deinem Verstand. Und in dem Gefühl, diesem kolossalen Duft-Kunstwerk nun ein neues, glänzendes, vielleicht krönendes Tröpfchen hinzufügen zu können, hebst du in aller Eleganz, die du aufbieten kannst, dein Bein. Die Erfüllung kommt in dem Moment, in dem du siehst, wie die Baumrinde Deine Gabe gierig aufsaugt, fast als hätte sie schon immer darauf gewartet, auf die Erfüllung ihrer größten Sehnsucht.

Und dann kommt dein Frauchen mit der Flasche und Schwups ist alles weg.

Was muss das für ein Gefühl sein? Für solche fundamentalen Fragen des Lebens können nur Männer offen sein. Uns kommt jedenfalls keine Wasserflasche mehr zu nahe. Wir haben auch Pärchen-strategisch Konsequenzen gezogen. Icke hat jetzt Emmi an der Leine, ich führe Pipo und Berry. Wir fühlen uns so einfach sicherer. Die Sichtweise bei Frauchen und Männchen ist halt doch manchmal nicht die gleiche – vorsichtig formuliert.

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