Veröffentlicht: 17.02.2022
#22 Aguadulce
Wir sind jetzt zum dritten Mal über Winter für mehrere Wochen in Spanien. Langsam kristallisiert sich heraus, wie sich das Leben hier von dem Leben in Deutschland unterscheidet.
Der für uns gravierendste Unterschied ist der andere Lebensrhythmus. Hier beginnt der Tag so um 10 Uhr – frühestens. Von 10, 10.30 Uhr bis gegen 14 Uhr wird gearbeitet. Dann beginnt die Siesta, das heißt: nichts geht mehr. Pause. Die Menschen fahren entweder nach Hause oder sie gehen zusammen mit den Kollegen und Freunden in eines der vielen Cafés, Restaurants oder Pubs. Vielleicht treffen sie sich hier auch mit der Familie, jedenfalls wird gegessen, getrunken, getratscht und viel gelacht. So gegen 17 Uhr ruft dann noch einmal die Arbeit für drei, vier Stunden. So genau lässt sich das nicht sagen, weil die Arbeitszeiten in der Regel sehr individuell gehandhabt werden. Fünf, zehn Minuten hin oder her – das spielt keine Rolle. Dieser Tagesrhythmus ist natürlich den klimatischen Bedingungen hier geschuldet. Wenn nachmittags die Sonne vom Himmel brennt, müssen sich die Menschen schützen und können dafür in den kühleren Abendstunden Versäumtes nachholen.
Das Thema Müll begleitet uns durch die Tage und Wochen in Andalusien. Ich habe noch in keinem Land so viele öffentliche Abfalleimer gesehen wie hier in Spanien – sogar mit Mülltrennung! Gelb steht hier für Plastik, grün für Glas, blau für Papier und grau für Restmüll. Es gibt in Spanien keine private Müllentsorgung, das heißt, keine eigene Mülltonne, die dann wöchentlich gegen eine Gebühr durch die Müllentsorgung geleert wird. An den Straßenrändern stehen Container in den verschiedenen Farben, die jeder benutzen kann. Das hat den Vorteil, dass es kostenlos ist und keinen Ärger über die volle Mülltonne gibt, aber dafür muss jeder seinen Schutt auch bis zum nächsten Container schleppen.
Abfall scheint in Andalusien nicht viel zu interessieren – Hauptsache er ist weg. Über die vielen Müllberge in der Landschaft haben wir schon berichtet. Ein Blick in die verschieden farbigen Container bestätigt, dass es auch mit der Trennung nicht so genau genommen wird. Dabei wird hier viel mehr Müll produziert als in Deutschland. Es gibt kein Pfandsystem auf Flaschen, egal ob aus Glas oder aus Plastik. Sie landen alle im Container – im besten Fall. Dabei ist alleine der Verbrauch an Wasserflaschen in Spanien geschätzt doppelt so hoch wie der von Bierflaschen in Bayern …
Das Wasser aus der Wasserleitung ist mit Chlor versetzt, vor allem, um in den heißen Sommermonaten die Bakterien abzutöten. Es ist zum Waschen, Spülen und auch zum Kochen zu verwenden, aber zum Trinken? Viele Spanier haben sich an den Geschmack gewöhnt und trinken es auch, aber viele tun es nicht und greifen zu Mineralwasser. Das gibt es in allen Größen, von 0,2 Liter bis zu 8,0 Liter in allen kleinen und großen Supermärkten zu kaufen. Getränkeläden wie in Deutschland haben wir hier noch nicht gesehen. Gegen Feierabend sind viele Frauen und Männer unterwegs, die auf ihren Fahrrädern und Mopeds die Wasserflaschen für den nächsten Tag nach Hause kutschieren.
Apropos Wasser. Icke hat sich heute eine volle Flasche Leitungswasser geschnappt (0,5 Liter!), um „die nähere Umgebung“, wie sie sagte, mal von den Markierungen der vielen Hunde in der Nachbarschaft zu säubern. Ich wollte mir ihre Aktion nicht entgehen lassen und habe sie vom Fenster aus verfolgt. Sie kam keinen Meter weit. Recht viel weiter wäre sie auch mit einer 20-Liter-Gieskanne nicht gekommen. Der Urin der Hunde hat sich längst tief in die Steine gefressen. Das hat mehrere Gründe: Zum einen gibt es hier sehr sehr viele Hunde, zum anderen ist die Hitze ein großer Faktor und schließlich fehlt der Regen, der alles hin und wieder wegwäscht.
Das alles zusammen macht das Gassigehen für unsere Wuffis natürlich interessant. Man sagt ja, der morgendliche Spaziergang wäre für den Hund so etwas wie das Zeitunglesen für den Menschen – hier in Spanien gleicht er dem Studium eines zwölfbändigen Universallexikons. Die Alcazaba, die große Festung die über Almeria thront, wurde im 11. Jahrhundert von König Hairán fertig gebaut. Er soll ein Freund großer wolfsähnlicher Hunde gewesen sein. Sie müssen ihr zu Hause ausgiebig und nachhaltig markiert haben, jedenfalls haben Berry, Emmi und Pipo bei unserem Rundgang einmal kurz geschnuppert, den Schwanz eingezogen und wollten nur noch weg.