Veröffentlicht: 22.09.2022
🎵„Me gusta Colombiana, me gustas tú
Me gusta la montaña, me gustas tú…“🎶 (Manu Chao)
Dieser Ohrwurm begleitet uns als wir uns zur undankbaren Zeit von 5.30 Uhr am 13.9.22 aus dem Bett schälen…
Day 1:
Um 6 Uhr steht unser Guide Guillermo und die nette Taxifahrerin vor den Toren unseres Glampings in Salento um uns abzuholen. Wir starten wieder im Valle de Cocora aber diesmal die Wanderung von gestern in umgekehrter Richtung. An der Gabelung zum Kolibrihaus versorgt uns der Guide erst mal mit einem „Cafesito“, den er schnell auf einem kleinen Kocher zubereitet und wir bekommen das erste Frühstück. Bis hier hin ist alles noch sehr angenehm (außer unsere Jacken, die seit dem gestrigen Regen immer noch nicht trocken sind), doch dann geht es ziemlich schnell steil bergauf, immer den alten Pfaden der Ureinwohner folgend.
Problematisch dabei ist vor allem der matschige Weg. Wir hatten am Anfang Gummistiefel angeboten bekommen, doch wer wandert schon 3 Tage in unbequemen Gummistiefeln?! Jetzt wissen wir warum… Nicht wegen der vielen kleinen Flüsse, die wir überqueren, sondern vielmehr wegen der knietiefen Matschlöcher, die mit Wasser gefüllt sind, von unzähligen Mulis, Pferden und Kühen zertreten sind und um die man nur mit großer Mühe drumherum laufen kann.
Solange wir noch im Wald sind sehen wir viele bunte Vögel und unbekannte Pflanzen, die Guillermo alle kennt und uns erklärt. Auch Pumas, Leoparden, Bären, Tapiere, Condore, Tukans und andere interessante Tiere gibt es hier, die wir jedoch nicht zu Gesicht bekommen sollen.
Irgendwann lichtet sich der Wald und wir überqueren die Baumgrenze. Plötzlich wechselt die Vegetation zu kakteenartigen Pflanzen und anderen trockenen Gewächsen. Wir fühlen uns wie in einer anderen Welt, mit mystischem Nebel, steil abfallenden Bergen, dem Spiel aus Licht und Schatten und den unbekannten Pflanzen. Davon können wir gar nicht genug Fotos machen, doch wir müssen uns langsam sputen, denn es wird schnell dunkel.
Es geht durch halbe Moorlandschaften, in denen wir nur hilfesuchend von einem Grasbüschel zum nächsten springen können, doch trocken kommt hier niemand heim… Zu dem feuchten Untergrund gesellt sich auch noch Regen von oben und der Nebel wird so dicht, dass wir unseren Guide vor uns kaum mehr sehen können. Der Weg wird nicht besser und wir quälen uns wieder durch den tiefen und rutschigen Matsch. Und tatsächlich brauchen wir viel länger als geplant und so müssen wir die letzte halbe Stunde in der Dunkelheit laufen.
Wir sind froh um ca. 18.30 Uhr nach mehr als 10 Stunden wandern auf der Finca auf 3800 Meter anzukommen, egal wie wir dabei aussehen. Die Schuhe dreckig, die Füße schmerzen, der Magen knurrt. Überglücklich nehmen wir eine leckere Tasse Tee entgegen und lassen uns auf einen Stuhl fallen. Es ist kalt geworden… Um uns aufzuwärmen werden wir mit Suppe und einem leckeren Essen versorgt und für umgerechnet 1€ gibt es eine warme Dusche. Im einfachen Bettenlager gehen wir früh schlafen, denn der nächste Tag wird nicht weniger anstrengend…
Day 2:
Es ist früh, die Nacht war eiskalt und die Pferde-Lieferung mit neuen Lebensmitteln hatte uns unsanft aus dem Schlaf gerissen… Doch wir fühlen uns gut, keiner ist höhenkrank geworden und starten mit neuem Mut (und in Erwartung besserer Wege) in den Tag. Nachdem unser Frühstück eine kolumbianische Verspätung von einer Stunde hat, kommen wir anders als geplant erst um 8 Uhr los.
Es geht querfeldein den Berg hinauf und wir lassen die Finca schnell hinter uns. Da wir über eine gigantisch große Kuhweide, auf der einem stundenlang manchmal keine Kuh begegnet, laufen, ist der Matsch natürlich vorprogrammiert - alles aber besser als am Tag zuvor. Unterwegs finden wir überall verstreut zahlreiche Knochen einer Kuh, die sich wohl ein Puma vor Längerem hat schmecken lassen…
Wir kommen über eine Kuppe und sehen kilometerweit nur riesengroße Espeletias. Es geht bergab und wieder bergauf, über kleine Bäche, zwischen zahlreichen Sträuchern und Gräsern hindurch (praktische Waschstraße für unsere Schuhe). Inzwischen regnet es in Strömen.
Als wir einen Zaun überqueren und zu dieser Stelle später auch wieder absteigen, beschließen wir die schweren Rucksäcke hinter einem dicken Strauch zu verstecken und ohne sie weiter zu gehen. Mit neuer Leichtigkeit sind wir zunächst recht zügig unterwegs, dann macht uns aber immer mehr die Höhe zu schaffen. Die Atmung wird schwer und die Beine noch mehr… Irgendwann bewegen wir uns nur noch in Zeitlupe voran und würden am liebsten aufgeben, aber der Guide, der immer großzügig voraus rennt und für den das alles hier egal bei welchem Wetter ein Spaziergang ist, treibt uns weiter an. Wenigstens zum ersten Gipfel des Paramillo wollen wir es schaffen.
Wir brauchen immer mehr kurze Pausen, in denen wir unsere Konzentration aber auch mal auf die Umgebung richten können. Um uns herum sind die unterschiedlichsten Gesteinsfarben, seltsame, aber auch schöne Pflanzen und vereinzelte Blumen, die sich an ein Leben hier oben angepasst haben. Es eröffnet sich uns der Blick auf das unten liegende Tal mit erstaunlich viel Wasser und vielen kleinen Inseln.
Wenn wir nach oben schauen sehen wir nur eine dicke Nebelsuppe… Doch gleich ist es geschafft und wir nehmen nochmal die letzten Kräfte zusammen - Yes! Wir sind auf dem ersten Gipfel auf ca. 4550m angekommen! Wir sind unglaublich stolz, aber auch unendlich erschöpft. Es ist eisig kalt und hat laut Guillermo Minusgrade, außerdem sehen wir wirklich nichts. Wir tanzen ein bisschen um den Nebel zu verjagen und tatsächlich: es wird lichter! Vor uns liegen Berge, die wie die Rainbowmountains in Peru aussehen mit herrlich unterschiedlichen Farben. Sogar einen kleinen See sehen wir.
Als wir unsere Finger kaum mehr spüren ziehen wir den Rückweg vor. Bei den Rucksäcken angekommen gibt es erst mal warmen Tee vom Campingkocher. Zwei andere kolumbianische Wanderer gesellen sich zu uns und haben für heute die selbe Finca als Ziel. Wir gehen ein Stück gemeinsam, bevor die beiden uns an den unzähligen Matschlöchern abhängen. Wir liegen mehrmals fast im Schlamm und es wird einfach nicht besser… Erneut wird es später und später und die Finca ist noch lange nicht in Sicht. Schließlich rennt der Guide einige Kilometer voraus um unsere Reservierung zu ändern und schon eine Unterkunft früher einzukehren. Wir sind unendlich dankbar als das klappt und wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit die Finca Buenos Aires erreichen.
Der Abend klingt in lauschiger kleiner Runde in der Küche aus, wo der Besitzer auf offenem Feuer mit 10 verschiedenen Töpfen für uns kocht. Dann fallen wir todmüde ins Bett, während wir draußen dem Regen lauschen.
Day 3:
Es hat die ganze Nacht ohne Unterlass geregnet und als wir aus unserem Zimmer schauen liegt auf dem Paramillo von gestern sogar Schnee! Wir sind froh heute nicht mehr hoch, sondern nur noch runter zu müssen und stärken uns beim Frühstück für die letzten 15 km. „Einmal noch mit der Drohne fliegen, bei dem herrlichen Sonnenschein und dieser fantastischen Aussicht“ denken wir. „Hättet ihr mich besser mal aufgeladen“ denkt sich die Drohne und stürzt kurz vor der Rückkehr einfach ab… Blitzschnell rennt Guillermo in seinen Gummistiefeln den steilen Berg hinab um sie zu retten und bringt sie wie durch ein Wunder unbeschadet wieder zurück! Herzstillstand abgewehrt.
Jetzt müssen wir aber wirklich weiter, denn mit den letzten Tagen in Muskeln und Knochen läuft es sich nicht ganz so schnell… Das Wetter spielt glücklicherweise die ganze Zeit mit und trocknet einen Großteil des Schlamms bis wir daran vorbei müssen. Als wir die Baumgrenze erreichen sieht das aber wieder anders aus. Auch wenn sich der Weg noch unendlich zieht, genießen wir den Gedanken bald wieder im Tal der Palmen anzukommen, eine warme Dusche und saubere Klamotten zu haben.
Als wir wieder in die Touri-Zone kommen und die dicken Touristen auf den armen Pferden reiten sehen, wissen wir, dass wir wirklich stolz darauf sein können den ganzen Weg zu Fuß geschafft zu haben! Ob wir die Wanderung wieder machen würden? Fragt unsere Füße vielleicht nach ein paar Wochen nochmal… Es war zumindest eine unglaubliche Erfahrung, an die wir uns noch lange erinnern werden!
PS: Jetzt erst mal Pizza, Netflix & einen Tag im Bett bleiben ;)
Daten & Fakten der Wanderung (ohne Gewähr):
Start&Ende: Valle de Cocora.
Day 1: ca. 20km, 1700hm hoch, 400hm runter, Übernachtung Finca La Playa.
Day 2: ca. 15km, 1000hm hoch, 1000hm runter, Übernachtung Finca Buenos Aires.
Day 3: ca. 15km, 300hm hoch, 1600hm runter.
Wichtigstes Vokabular unserer Wanderung:
Regen = lluvia
Schnee = nieve
Nebel = niebla
Wolke = nube
Vogel = pájaro
Baum = arbol
Matsch = lodo
rutschig/glatt = liso
Boden = piso
Weg = camino
Pause = pausa
hoch gehen = arriba
runter = bajo