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Living like a Grenadian

Veröffentlicht: 17.01.2020

Mittwoch, 08.01.2020

Eigentlich sollte heute ein Relax-Tag sein, weil ich dringend eine Pause brauche. Trotzdem bin ich nach einer recht wachen Nacht um 06:40 Uhr aufgestanden, habe gefrühstückt und war 5km am Strand joggen. Danach bin ich am Grand Anse Beach im kühlenden Meer geschwommen, das war wunderbar. Endlich Stille, es waren nur wenige Menschen um mich herum. Später hab ich einen Spaziergang zum hiesigen Schuster gemacht, da meine Birkenstock sich verabschiedet haben, und war nochmal einkaufen. Es gibt wieder kaum lokale Produkte, Gemüse und Obst ist fast unbezahlbar. Ich hab aber dringend etwas frisches gebraucht. 

Den Rest des Tages wurde viel recherchiert für die nächsten Tage, und wir haben ein Guesthouse bis Dienstag gebucht für Nina, Simon und mich. Jetzt steht es fest, die Gruppe wird sich trennen. Christoph fliegt übermorgen, Simon am Montag. Nina und ich nehmen vermutlich den Frachter nach Trinidad am Dienstag. Einerseits ist es super schade, weil wir mittlerweile ein gut eingespieltes Team sind, andererseits freu ich mich auf mehr Flexibilität in der kleineren Gruppe. 

Abends sind wir ein letztes Mal gemeinsam zum Strand gegangen, haben schön im Sonnenuntergang herumgealbert und uns danach auf einen Cocktail mit Snack in Esther's Bar gesetzt. Dort ist Sarah dazugestoßen und hat uns im Auto zum Dodgy Dock mitgenommen, wo jeden Mittwoch Party mit Essensständen und Live Musik ist. Die Coverband "Solid" war der absolute Hammer und wir haben verschwitzt in die Nacht getanzt. Ein sehr schöner Abschluss für dieses Kapitel der Reise. 

Donnerstag, 09.01.2020

Nachdem wir noch ewig gepackt haben und bei Sarah herumgehangen sind, konnten wir uns mittags schließlich losreißen. Simon, Nina und ich sind mit drei verschiedenen Bussen und dem gesamten Gepäck einmal quer über die Insel gefahren, vom Südwesten in den Nordosten. Nach kurzer Suche haben wir unsere neue Bleibe gefunden, ein alleinstehendes Haus mit Garten und Hühnern am Ende einer Schotterstraße. Das Haus ist schlicht, hat aber alles, was man braucht. Endlich können wir uns ohne schlechtes Gewissen ausbreiten und uns komplett frei bewegen. Das ist schon ein tolles Gefühl. Nina hat aus dem großen Garten direkt noch ein paar Früchte für uns geerntet (Papaya, Sternfrucht, Granatapfel). Viel machen wir nicht mehr, die Anfahrt war anstrengend. Ich freu mich drauf, hier ein paar ruhige Tage inmitten der Natur zu verbringen. 

Freitag, 10.01.2020

Eigentlich wollten wir mal wieder nichts tun heute, aber das hat zum Glück nicht funktioniert. Wir sind recht früh aufgestanden und wurden nach dem Frühstück von Leon, dem Besitzer des Hauses, besucht. Er wollte nur noch etwas Besteck und Putzzeug vorbeibringen und hat uns stattdessen bis 14 Uhr die Umgebung gezeigt. Erst seinen gesamten Garten mit Kräutern und Pflanzen, dann bekam jeder eine frische Kokosnuss zum Trinken, und im Anschluss hat er uns in den nächsten Ort Grenville mitgenommen. Wir waren schon froh um die Mitfahrgelegenheit, aber Leon hat mit uns den Hafen, den Markt, die Geschäfte mit regionalen Produkten und ein paar Ackerflächen besucht. Er hat uns viel über lokale Erzeugnisse sowie Land und Leute erzählt und wir haben die Informationen aufgesaugt wie ein Schwamm. Leon ist Polizist, seine Frau arbeitet bei der Immigrationsbehörde am Hafen. Dort haben wir noch nützliche Tipps zur Weiterreise nach Trinidad erhalten, außerdem haben wir etwas vom selbstgekochten Mittagessen der Kollegen bekommen. Leon und seine Familie waren unglaublich herzlich und offen, er hat uns so viele Einblicke in sein Land gegeben. Ich weiß gar nicht, wie wir uns dafür bedanken können, aber er meinte, er ist glücklich damit, dass wir uns über unsere Kulturen austauschen konnten. Der letzte Stop war bei einer Dame namens Miss Rhalda zuhause, die hier jeden Freitag Brot bäckt für die Nachbarschaft. Eigentlich wollte Leon nur die Bestellung für später abgeben. Da ich aber so gerne backe und auch sehr neugierig war, sind wir am Ende mehrere Stunden geblieben und haben mitgeholfen. Als Ofen diente ein umgebautes Ölfass, dass von unten mit selbstgemachter Kohle und von oben mit trockenen Kokosnuss-Schalen beheizt wurde. Wir haben währenddessen viel mit Miss Rhalda gesprochen und sie hat uns einen einmaligen Einblick in ihr Leben und ihren Alltag gegeben. Es war eine ganz tolle, einmalige Erfahrung. Hier im Norden der Insel, um Grenville, gefällt es mir besser als im Süden. Es ist grüner und authentischer. Abends zuhause habe ich selbst noch ein Brot gebacken und alle sind wieder früh ins Bett. Es war ein super Tag, aber wieder ohne Faulenzen. 

Samstag, 11.01.2020

Wir haben es uns gut gehen lassen. Nach dem großen Frühstück hat jeder so ein bisschen sein Ding gemacht, ich hab Spanisch gelernt. Zum Mittagessen haben wir groß aufgekocht, es gab Falafel, Auberginen-Gemüse, Gurkensalat, Sorrel-Saft und frische Kokosnuss, alles selbstgemacht. Seit ich wieder eine richtige Küche habe, könnte ich die ganze Zeit kochen. Das macht echt Spaß. Allerdings bin ich entsprechend auch die ganze Zeit am essen. Wir versuchen also seit ein paar Tagen, über Nacht mindestens 16 Stunden zu fasten. Es tut eigentlich ganz gut bisher, aber in den 8 Stunden dazwischen schaff ich es trotzdem, mich total zu überfressen. Am Nachmittag ging es für Simon und mich wieder zum Hash, das findet hier jeden Samstag statt. Diesmal haben wir aber die Rucksäcke zuhause gelassen und sind die Läufer-Strecke gejoggt, nicht die Wander-Strecke. Das waren anstrengende 8km in der Hitze, durch Urwald und einen Fluß, rauf und runter im bergigen Gelände. Aber wir bekamen einen wunderschönen Ausblick über Grenville und es tat gut, sich mal wieder auszupowern. Mitten in Grenville ist die Jamworld Bar, eine Location mit Bühne und ein paar Standln auf einer grünen Wiese, wie ein Mini-Festival. Dort war diesmal Start und Ende vom Hash, sowie die Party im Anschluss. Zwei DJs haben lokale Tracks aufgelegt und es wurde wieder getanzt. Die Locals haben schon einen besonderen Tanzstil, und wahnsinnig viel Energie dabei. Ist sehr ansteckend, auch wenn man als Europäer nicht wirklich mithalten kann. Ich kann jedem, der das liest, nur wärmstens empfehlen, sich sofort nach dem nächsten Hash in der eigenen Stadt zu erkundigen! Gestern hatte ich einen kurzen Moment von "Wieso mach ich diese Reise eigentlich, ich weiß doch im Prinzip schon was ich will und müsste nur zurückkommen und mir mein Leben entsprechend aufbauen." Aber zum einen sind die Dinge zuhause in der Komfortzone nicht mehr so einfach, wie man es sich aus der Ferne vorgestellt hat, und zum anderen gibt es noch einiges, das ich sehen und erleben möchte hier auf dieser Reise. Und wirklich wissen, was ich will, tu ich ja doch nicht… 

Sonntag, 12.01.2020

Wir haben wieder groß gefrühstückt und den ganzen Tag tatsächlich mal zuhause verbracht. Es war klasse. Vormittags haben wir Wäsche gewaschen und aufgehangen und ich hab leckere Zimtschnecken gebacken (ich liebe es, einen Ofen zu haben). Um Leon für seine tolle Stadtführung etwas zurückzugeben, haben wir mittags im Garten Unkraut gejätet, was auch bitter nötig war. Wir haben zum ersten Mal die Hängematte gespannt und am Nachmittag ein bisschen gelesen. Das Klima und die Temperaturen hier in den Hügeln ist sehr angenehm. Gegen Abend haben wir nochmal groß gekocht, diesmal gab es Linsensuppe mit Okraschoten, Ofengemüse und einen Auberginen-Aufstrich. Leon kam vorbei zum Hühner füttern und hat mit uns gegessen und geratscht. Er ist auch sehr froh, so offene Gäste zu haben, und freut sich wirklich über den kulturellen Austausch. Es macht Spaß, mit den lokalen Lebensmitteln und Gewürzen herumzuprobieren. Nach dem Essen tauschten wir nochmal Fotos aus und Simon packte seine Sachen. 

Montag, 13.01.2020

Und da waren's nur noch zwei. Simon haben wir heute früh verabschiedet, er fliegt nach Kolumbien weiter. Nachdem wir nochmal etwas geschlafen haben, sind wir kurz vor Mittag losgestapft, um einen Wasserfall in der Nähe zu erkunden. Da ich noch immer das 16h-Fasten versuche, hatte ich noch nichts gegessen und war mit einem Müsliriegel bewaffnet. Laut Google sollte der Wasserfall 3km entfernt sein, ein Katzensprung für geübte Wanderer. Nachdem wir eine Dreiviertelstunde durch kleine Orte spaziert sind hat man kurz versucht, uns für die anstehende Wanderung einen Guide anzudrehen, da sie sehr anspruchsvoll sein soll. Die 3km von Google galten also nur bis zum Startpunkt etwa, danach weiß Google nichts mehr. Wir sind natürlich auf eigene Faust ohne Guide los. Auf dem Weg sind wir lediglich einem einzigen Local begegnet, der uns im richtigen Moment an einer Abzweigung den Weg gewiesen hat. Die Strecke war tatsächlich nicht ganz ohne, aber für uns gut machbar. Der Weg war manchmal nicht gleich erkennbar, wir haben ca. 20 mal den Fluss überquert, die Steine waren rutschig und der Boden matschig. Durch grünen Regenwald ging es dann eine ganze Weile bergauf, bis wir dachten, wir kommen nie an. Und dann war da tatsächlich ein Wasserfall. Das Wasser war trüb und die Steine rundherum gelb gefärbt, vermutlich durch Schwefel im Wasser. Erfrischend war es trotzdem. Die unberührte Natur hier ist wirklich toll, das gibt es nicht mehr überall. Und die Menschen, die uns in den Orten begegnet sind, waren alle mal wieder sehr herzlich und hilfsbereit. Jeder winkt, grüßt, lächelt, und häufig wird man direkt in ein Gespräch verwickelt, da alle sehr neugierig sind. Auf dem Rückweg hab ich dann allerdings den Mangel an Frühstück und Mittagessen derbe gemerkt und meine Laune war nicht die beste. Kurz vor 17 Uhr kamen wir zuhause an und es gab erstmal Nutella- und Marmelade-Brot. Nina hat sich danach hingelegt und ich habe meine matschigen, schwitzigen Sachen in die Waschmaschine gesteckt. So oft wie ich auf dieser Reise bereits meine Schuhe gewaschen habe habe ich das zuhause mein ganzes Leben lang noch nicht gemacht. 

Dienstag, 14.01.2020

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Nina und ich haben morgens unsere sieben Sachen im Apartment zusammengepackt und sind mit dem Bus über Grenville zurück nach St. George's gefahren. Im Hafen haben wir das Boot von Captain Russell aufgesucht, mit dem wir letzte Woche bereits gesprochen hatten. Da unsere Telefone hier nicht zum Telefonieren taugen haben Sarah und Leon bei der Kommunikation mit Russell geholfen. Er hatte gestern nochmal bestätigt, dass er uns mit seinem Frachtschiff nach Trinidad mitnehmen kann heute Abend. Am Schiff angekommen haben wir unsere Rucksäcke abgestellt und Pässe abgegeben, damit wir entsprechend bei der Immigrationsbehörde gemeldet werden können. Da das Schiff erst abends losfahren sollte, sind wir in die Stadt gelaufen und haben uns umgesehen. Außerdem gab es einen leckeren veganen Schokokuchen und Ingwer-Eiscreme (regional und handgemacht). Um 13 Uhr sollten wir nochmal anrufen (lassen) bei Russell, da das Schiff manchmal auch früher ablegt. Die nette Kassiererin im Café hat für uns angerufen und plötzlich sagte Russell, er könne uns nicht mehr mitnehmen. Verwirrt und irritiert liefen wir also zurück zum Hafen und wurden dort mit spärlichen Informationsfetzen aufgeklärt. Anscheinend hat Russell einen Freund bei der Immigrationsbehörde in Trinidad, und dieser hat heute Mittag behauptet, wir dürften nicht einreisen. Mit der Zeit haben sich noch ein Franzose, eine Russin und ein Spanier eingefunden, die den gleichen Plan hatten wie wir. Die Russin hat sogar mit dem trinidadischen Immigrationsbehördenbekannten gesprochen und das Problem scheint darin zu liegen, dass der Frachter keine Passagiere an Land bringen darf. Aber so richtig klar war es nicht und es kommt meist nur die Aussage "Nein" und "es geht nicht", ohne Begründung. Wir wissen aus Foren, dass die Frachter schon oft Passagiere mitgenommen haben und auch viele hilfsbereite Menschen, die auf dem Hafengelände herumliefen, waren über die neuen Regeln verwundert. Wir holten also unsere Rucksäcke und Pässe wieder ab, ließen das aber noch nicht auf uns sitzen. Den ganzen Nachmittag haben wir mit allen möglichen Hafenmitarbeitern, mit weiteren Frachtern und auch sonst mit jedem, der vorbeikam, gesprochen. Mehrfach haben wir versucht, Russell doch noch zu überzeugen, uns mitzunehmen, aber das Risiko war ihm einfach zu hoch. Die Immigrationsbehörde in Trinidad scheint in letzter Zeit die Regeln zu verändern und hat wohl mehrere Reisende bereits zurück geschickt. Nachdem alle Frachtschiffe ohne uns abgelegt haben sind wir also frustriert von dannen gezogen und wurden zum Glück gleich wieder bei Sarah herzlich aufgenommen. Als wir schon auf der Luftmatratze lagen wollten wir nur nochmal etwas recherchieren, da die weiteren Schritte nun total unklar waren. Alle Möglichkeiten, mit dem Boot nach Südamerika zu kommen, schienen nun ausgeschöpft zu sein. Aus Ungeduld und auch aus Vorfreude auf das Reisen durch Südamerika haben wir dann allerdings beide noch mitten in der Nacht Flüge gebucht - und zwar für morgen. Das war der günstigste Tag, und wir waren ja heute schon bereit, abzureisen. Nina buchte ein Ticket nach Peru, ich nach Chile. Über Barbados bis Panama fliegen wir zusammen, dann trennen sich unsere Wege. Darauf erstmal ein paar Stunden Schlaf.
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