Veröffentlicht: 11.01.2020
Heute wurde viel erledigt. Morgens hab ich Wäsche gewaschen und Yoga gemacht, dann haben wir Reste für die nächsten Tage vorgekocht (Nudeln, Reis, Linsen) und das Boot klargemacht. Ich hab meine Sachen kaum in meinen Rucksack gebracht. Habe irgendwie zu viel, weiß aber nicht, was ich weglassen könnte. Aber die ganzen warmen und langen Klamotten, die ich zuvor an hatte beim Reisen, mussten jetzt ja auch mit rein. Danach hab ich mich und die Kleidung, die ich getragen habe, unter die Dusche gestellt. War alles verschwitzt. Die Dusche hier kann nur An oder Aus, alles eine Temperatur: angenehm kühl. Shirt und Hose waren innerhalb kurzer Zeit an meinem Körper wieder trocken. Was ich damit sagen will: es ist heiß.
Morgens und abends hat man immer kurz Tatendrang, aber sobald 9 Uhr rum ist, will man am liebsten nur noch im windigen Schatten rumliegen. Mücken und Sandflöhe halten uns auch ordentlich beschäftigt. Ich habe zwar teures, gutes Mückenspray dabei, welches man nur einmal täglich auftragen soll (mit DEET 50%), aber nach 1-2 Stunden merkt man, dass die Wirkung schon nachlässt. Sonst ist alles entspannt, einen anderen Zustand gibt es hier auf der Insel glaube ich gar nicht.
In der Früh war noch ein letztes Mal Trubel als Birgit, Luna und die Azzurra abgelegt haben. Bald danach wurden wir von Michi aufgegabelt, den wir über Angie, eine Freundin von Birgit, kennenlernten. Eigentlich wollten wir morgen die Fähre nach Grenada nehmen, aber wie es der Zufall will segelt Michi morgen nach Grenada und braucht noch Crew. Angie hatte ihm helfen sollen, die hat aber doch keine Zeit. Er holt uns also mit seinem Riesen-Dinghy ab und wir haben wieder einen Schlafplatz für die Nacht und eine Mitfahrgelegenheit. Bei Michi's Segelboot ist der Motor kaputt, in Grenada soll es einen neuen geben. Außerdem hatte er zwei Schlaganfälle, die er zwar sehr gut überstanden hat, aber ein klein bisschen eingeschränkt ist er trotzdem noch. Er ist ein super freundlicher, redseliger Münchner, der viele spannende Geschichten zu erzählen hat. Mit dabei ist sein Hund Gremlin, welcher immer entspannt rumliegt und gekrault werden will.
Tagsüber waren wir mit Michi einkaufen und haben dann Schiff und Segel klargemacht für die Abfahrt morgen. Michi's Boot ist etwas größer als das von Birgit, und innen viel geräumiger. Es ist nur für vier Leute ausgelegt und wird nur allein oder zu zweit benutzt. Neben einer großen Küche mit vier Kochplatten gibt es hier alles von Drucker über Holzofen bis Waschmaschine. Es gibt viele Ecken und Stellen, wo man sich gemütlich hinsetzen oder -legen kann. Das hab ich auf der Azzurra oft vermisst.
Am Nachmittag hat Michi uns die Mangroven gezeigt. Ein Teil davon wurde abgeholzt für einen neuen Hafen, aber ein großes Becken gibt es weiterhin. Die Mangrovenbäume umranden ein Stück Küste und bilden somit quasi einen See, in den man hineinfahren kann. Dort ist man vor Wind und Brandung sehr gut geschützt, deswegen werden die Boote zum Beispiel bei einer Hurricane Warnung alle in die Mangroven "umgeparkt". Das Wasser liegt total ruhig zwischen den hellgrünen Bäumen, deren Äste runter ins Wasser hängen um dort weitere Wurzeln zu bilden. Wir stiegen sogar aus und kletterten eine Weile auf den Wurzeln herum, bis wir auf der anderen Seite zum offenen Meer kamen. Das ist mal wieder ein Wunder der Natur. Leider hatte niemand eine Kamera dabei.
Abends gingen wir zum Restaurant "Lambi Queen" und aßen Pizza und anderes mit Angie und Gus. Lambi ist das Fleisch der großen Fechterschnecke, deren schöne Muscheln entweder an Touristen verkauft werden oder als Baumaterial verwendet werden. Angie, auch aus München, lebt hier auf ihrem Boot und Gus ist von Dominica und Birgit's Freund. Es laufen einige Auswanderer vorbei, die hier längerfristig im Hafen liegen, jeder kennt jeden. Die meisten bleiben für einen kurzen Plausch stehen. Üblicherweise fließt hier auch viel Bier und Rum, aber wegen der Abfahrt morgen halten sich alle zurück.
Nina und ich sind später noch ein Stück spazieren gegangen, und ich hab die stille Zeit sehr genossen. Für mich ist es doch sehr anstrengend, pausenlos unter Leuten zu sein und ständig jemandem zuhören oder etwas erzählen zu müssen. Zu zweit geht es gut, wir reden nur, wenn wir Lust haben, und schweigen auch manchmal. Aber sobald es mehr Leute sind, ist immer jemand am quasseln. Da bleibt überhaupt keine Zeit zum Denken übrig. Und das merke ich, weil ich dann total unachtsam bin. Ich sitze gebuckelt, überfresse mich und bekomme nicht genug Bewegung. Das fällt mir aber meist erst auf, wenn ich mal kurz ein bisschen Abstand bekomme von der Gruppe. Dabei möchte ich die Reise ja unbedingt auch für Reflektion und Achtsamkeit nutzen, deshalb freu ich mich darauf, an einem Ort anzukommen, an dem ich auch mal alleine sein kann.
Spannenderweise habe ich festgestellt, dass das Leben hier auf Carriacou auf Dauer nichts für mich wäre. Alles geht langsam und träge, kaum jemand hat Tatendrang, etwas wirklich anzupacken und deshalb gibt es auch nicht viel zu tun. Man macht nur das nötigste, auch wegen der Hitze, und den Rest der Zeit wird auf irgendetwas gewartet. Zumindest ich warte, die anderen scheinen mit dem Nichtstun weniger Probleme zu haben. Ich freue mich aber schon zum Beispiel auf ein Bergdorf in den Anden oder eine Farm, wo es bestimmt immer etwas zu tun gibt. Das Leben hier ist mir zu ungeschäftig. Ich will weiter.
Wir hatten eine ganz entspannte Überfahrt nach Grenada mit Michi, nur unter Segeln. In den Häfen wurde uns von vielen hilfsbereiten Menschen manövrieren geholfen, die meisten davon sind ebenfalls Auswanderer. Abends haben wir zusammen Reste gekocht, davor traumhaft schön zum Sonnenuntergang in der Benji Bay einen Absacker getrunken. Vor dem Schlafengehen wurde noch sehr tiefgehend über Gott und die Welt philosophiert. Das war wirklich eine coole Runde mit interessanten, teilweise kontroversen Meinungen und jeder Menge Inspirationen.
Ausgeschlafen, kurz ins Wasser gesprungen und abgeduscht, Sachen gepackt, und dann wurden wir zur Prickly Bay mit dem großen Dinghy gefahren. Davor hat Michi noch Pfannkuchen für alle gemacht. Wir sind richtig über die Wellen geflitzt und gesprungen, ein bisschen hat es auch gespritzt. Im Hafenrestaurant aßen wir Burger und Suppe, dann sind wir in einen Bus gestiegen. Der Bus ist ein Minivan mit einem Fahrer und einem, der die Kundschaft herbeiwinkt und kassiert. Es gibt zwar offizielle Routen und Haltestellen, aber die Busse sammeln überall Fahrgäste auf und lassen einen auch überall wieder raus. Jede Fahrt kostet den gleichen Preis im Stadtgebiet, egal wohin und wie lang. Der Fahrer fährt wie eine gesengte Sau, wir sind mit 100 km/h durch den Ort gerast. Am Botanical Garden in St. George's sind wir ausgestiegen und haben gewartet, dass uns hoffentlich jemand zum Hash mitnimmt, da hier angeblich der Pickup Point ist. Definition Hash: "The Hash House Harriers (HHH or H3) is an international group of non-competitive running social clubs. An event organized by a club is known as a hash, hash run or simply hashing, with participants calling themselves hashes." Vom Hash haben wir durch Sarah erfahren, ein Host von Couchsurfing in Grenada, bei der wir eventuell noch für ein paar Tage einziehen werden. Tatsächlich hat um Punkt 14 Uhr ein Auto angehalten und uns mitgenommen. Wir waren dann zwar zu sechst und Simon im Kofferraum, aber das ist hier kein Problem. Die Fahrerin Judy ist Montessori Lehrerin, der Beifahrer Jamar ist der offizielle Fotograf vom Hash. Er hat allerdings nur Handyfotos gemacht. Der Hash ist ein vorbereiteter Lauf durch den Urwald, mit anschließender Party und viel Bier. Die Szenerie ist wirklich schön, bunte Örtchen zwischen grünen, tropischen Oasen. Zum Glück war es die meiste Zeit bewölkt, man war trotzdem sofort durchgeschwitzt. Die Jungs haben sich nach der Wanderung ein paar Bier gegönnt, ich hatte nach einem Malzbier noch einen ca. 70%igen weißen Rum mit ein bisschen Cola. Er war stark und rauchig, aber nicht unbedingt schlecht. (Nachtrag: Ich hatte zwar keinen Kater, aber Nierenschmerzen am nächsten Tag. Ist wohl doch Teufelszeug.) Wir Hash-"Jungfrauen" wurden mit einer Bierdusche getauft und dann haben alle getanzt. Es wurden riesige Boxen auf der Straße aufgebaut und der DJ hat sowohl karibische Hits als auch aktuelle internationale Kracher gespielt. War besser als in so manchem Münchner Club. Judy hat uns in rasantem Tempo durch die kurvigen Straßen Grenada's wieder zur Woburn Bay gebracht, wo Michi uns abgeholt hat. Der Hash war für uns ein voller Erfolg. Wir haben wahnsinnig viele nette Leute kennengelernt, die Natur von Grenada erkundet und eine super Party war es auch noch.
Heute habe ich auf jeden Fall gemerkt, dass ich eher ein Landmensch bin und mich besonders im bergigen Terrain wohlfühle. Das mit dem Wasser hat zwar auch seinen Charme, aber ich hab gern festen Boden unter meinen Füßen und die Möglichkeit, jederzeit wegzugehen.
Nach dem Aufstehen bin ich wieder ins Wasser gesprungen und habe direkt noch ein bisschen gearbeitet. Michi lässt uns hier ja kostenlos bei sich wohnen und fährt uns durch die Gegend, dafür helfen wir im Boot mit. Ich habe also Algen und Muscheln mit der Drahtbürste und dem Spachtel von der Badeleiter geschrubbt, während die Jungs oben auf Deck geputzt und aufgeräumt haben und Nina mit Michi unter Deck. Danach wollte ich das Salzwasser abduschen, aber wir haben tatsächlich Michi's Wassertanks leergemacht. Ist halt doch ein Unterschied, ob man alleine oder zu fünft haushaltet. Netterweise wurden aber im Laufe des Vormittags von den Bootsnachbarn Kanister gebracht, die wir bei der Marina auffüllen konnten. Genannte Nachbarn haben wir auch gestern auf dem Hash getroffen, sie kommen aus einem Ort 10km neben meiner Heimat. Die Welt ist groß, und gleichzeitig sehr, sehr klein.
Nachmittags sind wir mit dem Dinghy nach Hog Island gefahren, eine kleine Insel, die doch eher gut betuchte Tages-Urlauber oder ältere Langzeit-Yachties anzieht. Es gab aber schöne Live Musik und coole Locals, die uns etwas von ihrer Suppe geschenkt haben. Für die Touristen wurde extra gekocht. Abends gab es mal wieder Pasta mit Tomatensauce und dazu einen kuscheligen Filmabend (Tatsächlich Liebe).
Es packt mich ein bisschen das Gefühl von Gefangenheit und Unflexibilität auf dem Boot, da ich nicht selbstständig weg kann. Außerdem möchte ich wo ankommen. Ich sehne mich also einerseits nach einem eigenen Zuhause, möchte aber auch noch weiter erleben, wie andere Leute in anderen Kulturen leben. Ein kleiner Widerspruch.
Morgens sind wir "on the net" gegangen, dass heißt, wir haben im lokalen Funknetz eine Nachricht über unsere Suche nach einer Mitfahrgelegenheit ausgerufen, etwa wie im Radio. Leider ohne Rückmeldung. Auch auf Facebook haben wir noch nichts zurück gehört, obwohl wir in mindestens 5 Gruppen gepostet haben.
Danach bin ich mit Nina im Dinghy zum Steg gepaddelt und wir haben Essen gekauft und auf dem Boot gefrühstückt. Dann sind wir zu Mike und Julie gefahren, die auf dem Flying Buzzard leben und arbeiten. Das ist ein alter, rostiger Schlepper aus den 60er Jahren, den sie von England hier rüber gefahren haben. Wir haben uns das Schiff zeigen lassen, es war fast wie im Museum. Zurück bei Michi haben wir Mittagessen gekocht und sind nochmal rüber zu Hog Island um mit Gremlin spazieren zu gehen. Auf der Insel gibt es Kühe, aber wir haben sie nicht gesehen.
Später hat Michi uns mit allem Gepäck im großen Dinghy zum Steg gebracht und wir sind mit zwei Bussen in die Stadt zu Sarah gefahren, nach Grand Anse. Sie hat ein mega schönes Apartment in einer eher reichen Umgebung, inklusive Hängematte auf der Terrasse und Blick auf's Meer zum Sonnenuntergang. Sarah kommt aus Deutschland, wohnt und arbeitet aber seit einem guten Jahr hier auf Grenada. Sie ist extrem nett und hat uns total herzlich empfangen, wir haben uns gleich wie zuhause gefühlt. Außer uns war noch eine Couchsurferin da mit der gleichen Reise-Route wie wir. Sie hat allerdings keine Möglichkeit zur Weiterreise per Schiff gefunden und fliegt morgen nach Südamerika.
Nach dem Frühstück sind wir alle zum Hafen gelaufen und haben auf dem Weg beim Bäcker noch Zettel gemalt, die wir in den Marinas aushängen möchten. Am Ende des Tages haben wir nur zwei ausgehängt, aber dafür mit sehr vielen Leuten gesprochen. Wir waren außerdem bei allen Hafen und Touristen Büros, bei den Import/Export Geschäften und im Yacht Club. Es war recht anstrengend. Fazit ist, wir sind zur falschen Zeit am falschen Ort. Wir haben aber herausgefunden, dass drei Frachtschiffe jeden Dienstag nach Trinidad fahren und uns vielleicht mitnehmen könnten. Für heute ist das aber zu spontan. Für die Einreise nach Trinidad benötigt man nämlich einen Ausreise-Nachweis, zum Beispiel ein Rückflug-Ticket.
Der Rest des Tages war voll mit einkaufen, Essen kochen, quatschen, recherchieren und Kuchen backen. Danach sind alle todmüde ins Bett bzw. Couch / Luftmatratze gefallen.
Bei mir herrscht zur Zeit die totale Völlerei, ich bin nur am fressen. Es ist erstaunlich schwierig hier, lokale Produkte zu bekommen. Frisches Obst und Gemüse sind teuer und meist von weit her eingeflogen, auch sonst ist das meiste importiert. Die Lebenshaltungskosten scheinen relativ hoch zu sein. Es gibt eine große Spanne zwischen Einheimischen und Ausländern, wenn es um Gehalt und Lebensstandard geht. Die Uni ist der größte Arbeitgeber auf der Insel, die meisten Professoren sind von auswärts