Veröffentlicht: 06.04.2022
Ganz genau erinnere ich mich noch an den Abend vor mehr als zwei Wochen, als ich in Arequipa (Peru) voller Euphorie den Entschluss fasste, die restliche Strecke bis nach Buenos Aires mit dem Bus zurückzulegen. In Sucre wurde es schließlich Sonntagabend konkret. Ich stieg um 20.30 Uhr in einen Bus, der mich an die argentinische Grenze bringen sollte.
Wie immer war das Reiseerlebnis, um es in der Sprache der Reiseanbieter auszudrücken, sein Geld wert. Die Überlandbusse, Orte mit viel Beinfreiheit, schnurrten geradezu durch die Lande. Gegen 6 Uhr morgens erreichten wir den Grenzort Villazon. Dort ließ ich mir ein Busticket nach Cordoba (Argentinien) aufschwatzen, und zwar in der irrigen Annahme, der Bus brächte mich direkt über die Grenze an mein Ziel.
Müde und frierend, die Grenze lag in der Wüste des Altiplano, beobachtete ich den Ticketagenten, wie er Technik aus den 90er Jahren zur Platzreservierung nutzte und immer wieder die Brille zurechtschob. Beinahe scheiterte es daran, dass der Computer bei der Buchstabenkombination "Al" nur Algerien und Albanien, nicht aber Alemania ausspuckte. Wir versuchten es mit "Ge" und siehe da: Germany. Für die Strecke von 1.200 km zahlte ich meine 55,- Euro.
Dann erklärte mir der Zwischenhändler, dass ich mich um den Grenzübertritt ins argentinische La Quiaca selbst kümmern müsse und mein Bus in zwei Stunden von dort abfuhr. Immerhin, die 60 Cent für das Taxi bis zu la frontera spendierte er.
Ähnlich wie die Grenze zwischen Peru und Bolivien wirkte auch Villazon-La Quiaca etwas verwaist und von der Zeit vergessen. Dokumente wie Impfpass, Covid-Testergebnis, juristische Erklärung über den Gesundheitszustand und Auslandskrankenversicherung hatten in ausgedruckter Form vorzulegen und wurden in den unterschiedlichen Baracken abgestempelt ... ein größtmöglicher Unterschied zur Einreise über einen modernen Airport. Meine deutsche Versicherungspolice, inklusive meiner Erläuterung "todo es includio", alles wäre abgedeckt, wurde auch in Argentinien anstandslos akzeptiert.
Damit endete nach nur vier Tagen mein Bolivianisches Tagebuch (eine Referenz, die ich mir einfach nicht verkneifen konnte.)
Argentinien also, ich spazierte mit Rucksack und Reisetasche um 9 Uhr in ein Land, das für mich immer das andere Ende der Welt symbolisierte. Dann der geistesgegenwärtige Gedanke, die Zeitzone zu prüfen. In Argentinien war es bereits 10 Uhr (eine Stunde vor Bolivien, fünf Stunden hinter Berlin) und ich musste mich sputen, den Busbahnhof zu erreichen.
Wie nebenbei arbeitete ich meine Prioritätenliste ab: 1. Bargeld, 2. SIM-Karte, 3. Frühstück, 4. Klogang.
Anschließend saß ich erneut sehr bequem und gepolstert mit Blick aus dem Fenster in einem geräumigen Doppeldecker, lediglich unterbrochen durch einmal Umsteigen um 17.30 Uhr in San Salvador Jujuy. Dort blieb mir Zeit für Priorität 5. Zähne putzen und 6. Kaffee- und Bierpause.
Nach all den Nachtbusfahrten genoss ich es, aus dem Fenster zu schauen und mitzuerleben, wie die Landschaft vorbeifuhr. Anfangs Steppe, Felsenwüste, Alpaka-Herden und Sand in der Hochebene, später dann der Abstieg aus den Anden in die argentinische Pampa, ab und zu ein paar Rinder und Grasland, morgens auf dem Weg nach Cordoba dann endlosen Maisfelder und Landwirtschaft bis zum Horizont. Der Bus selbst war leer, sechs Passagiere verteilten sich auf zwei Decks.
Nach 36 Stunden erreichte ich schließlich am Dienstagmorgen um 10 Uhr mein Tagesziel Cordoba in Argentinien.