Veröffentlicht: 18.12.2018
Inhalt
Die folgende Erinnerung ist eine unserer liebsten.
An den Puderzuckerstränden Zanzibars treiben sich etliche Zanzibaris herum, die dir die verschiedensten Dinge verkaufen wollen. Ausflüge, Armbänder, Massagen, Ketten, bunte Tücher, Kunstwerke... Und sie sind hierbei ziemlich aufdringlich. Sobald man den Hotelstrand verlässt, wird man angelabert, was verdammt lästig sein kann.
Angefangen hat unsere Erinnerung mit Jonas (zumindest hat er sich uns unter diesem Namen vorgestellt), dem jungen Mann ganz links. Auch er hat uns, wie alle anderen, angesprochen und gefragt, ob wir mit ihm an seinen Stand kommen würden, um etwas zu kaufen.
"Ja, aber nicht heute."
Ich hatte keine Lust mehr, mich mit all den Leuten zu unterhalten, die uns unbedingt ihre Sachen verkaufen wollten. Ich wollte einfach nur gemütlich am Strand entlanglaufen.
Jannik allerdings war auf einmal Feuer und Flamme. Er begann, sich (mehr oder weniger) mit Jonas zu unterhalten. Sie verständigten sich mehr mit Hand und Fuß als mit Worten, aber irgendwie schienen sie auf einer Wellenlänge zu sein.
Ich war verunsichert. Während Jannik bereits seit zwanzig Minuten eine Art Kommunikation führte, beobachtete ich das ganze ein wenig kritisch. Ich verstand nicht, wieso Jannik ihm Hoffnung machte - wir wollten schließlich nichts kaufen.
Ich verstand aber auch nicht, dass die beiden bereits weit über ein Verkaufsgespräch hinausgewachsen zu sein schienen.
Jonas erzählte uns, er sei ein Massai. In der Hauptsaison würde er hier nach Zanzibar kommen um ein wenig Geld zu verdienen, ansonsten wären er und seine Familie in ihrer Heimat, bei all den anderen Massais. Wir unterhielten uns am ersten Abend über eine Stunde mit ihm, und es sollte nicht das letzte Gespräch sein.
Jonas war fast jeden Tag am Strand. Er kam, wenn die Sonne aufging und ging erst, wenn es dunkel wurde.
Jonas stellte uns bald seine Verwandten vor: "Longhair" und "Michael Jackson". Auch Massai, die sich am Strand herumtrieben und ihre Waren verkaufen wollten.
"Was kauft ihr euch von dem Geld, dass ihr hier verdient?", fragte Jannik. "Eine Kuh."antwortete Jonas strahlend. "Eine Kuh?" Longhair und Michael Jackson nickten grinsend.
"Ja, wenn das Geld reicht."
"Wieso? Esst ihr die Kuh? "
"Nein. Wegen ihrem Blut. Wenn du das trinkst, wirst du stark."
Ich konnte mir einen verwirrten Blick nicht verkneifen. Jannik lachte und schaute zu mir rüber.
Andere Länder, andere Sitten. Sie brachten die Kühe übrigens nicht um, sie tranken nur regelmäßig von ihnen.
Ich hab bis heute nicht ganz verstanden, inwieweit die drei miteinander verwandt waren. Ich weiß aber noch, dass Michael Jackson bereits Kinder hatte und auch irgendwie Jonas Onkel zu sein schien, während die anderen beiden beteuerten, sie hätten auch gerne bald eine Familie. Jonas war das Nesthäkchen, und er erzählte uns immer wieder strahlend von seinen Zukunftsvisionen. Alle drei waren einfach nur unglaublich offen, fröhlich und interessiert. In der Zeit, in der sie mit uns quatschten, hätten sie auch irgendwelche anderen Leute anwerben können. Aber sie unterhielten sich lieber mit uns über Gott und die Welt (so gut es eben ging).
Am einen Abend saßen wir zusammen am Strand und übersetzen uns gegenseitig verschiedene Sätze und Begriffe von Deutsch und Englisch auf Suaheli und umgekehrt. Wir schrieben ihnen alle Sätze auf, die sie gebrauchen konnten und ließen uns von ihnen ein wenig in ihrer Sprache "unterrichten".
Das wichtigste war für sie jedoch, wie für alle Zanzibaris, ein altbekanntes "Sprichwort" :
"HAKUNA MATATA."
Nach einer Weile begannen die Jungs, uns von ihrem Dorf zu erzählen. Sie beteuerten immer wieder, sie wollten uns zeigen, wie sie hier lebten.
Und irgendwann kamen wir auf ihr Angebot zurück. Wir machten aus, wir würden uns nach dem Mittagessen treffen und sie würden uns schließlich in ihr Dorf bringen.
Nach ungefähr zwanzig Minuten erreichten wir das kleine Dörfchen.
Wir blieben nicht lange unentdeckt. Aus den kleinen Häuschen, von denen ihr ein paar auf den Bildern erkennen könnt, strömten nach und nach immer mehr Kinder.
Erst versteckten sie sich und lächelten uns verlegen zu, wenn wir sie anschauten. Doch nach wenigen Minuten waren wir umzingelt von Kindern, die unbedingt an unserer Hand laufen und mit uns knuddeln wollten.
Die Kleinen strahlten uns an und schienen sich unglaublich über unsere bloße Anwesenheit zu freuen. Es war einfach toll. Sie schlangen ihre Arme um uns und wollten uns gar nicht mehr loslassen.
Ich habe selten so glückliche Kinder gesehen. Sie begleiteten uns und die Jungs durch das gesamte Dorf und wollten dabei nichts, außer uns beobachten.
Wir durften uns schließlich die Schule von innen ansehen und unterhielten uns sogar eine Weile mit dem Schuldirektor, der fließend Englisch sprach. Er erzählte uns, dass hier viel Wert auf Bildung gelegt werde und sie ihr bestes tun würden, um den Kindern eine gute Zukunft gewährleisten zu können.
Auf dem oberen Bild erkennt ihr einen Klassenraum, auf dem unteren die Schule selbst.
Die Schule hatte auch einen Medienraum, in dem sogar ein paar Computer standen. Es waren natürlich nicht die neuesten und auch nicht unendlich viele, aber erwartet hatte ich ehrlich gesagt gar keine.
Es ist interessant, sich anzuschauen, wie andere Menschen leben und wie selbstverständlich diese Lebensweise an anderen Orten der Welt ist. Wenn man Zuhause ist, vergisst man gerne mal, dass man eigentlich im Schlaraffenland lebt. Und trotzdem wirken die Leute dort nicht weniger glücklich.