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Ələt - Warten auf Professor Gül

Veröffentlicht: 10.09.2019

Sonntag, der 25.08.2019, ich starte mit einem Porridge und angebratenen Pfirsischhälften in den Tag. Dann packe ich meinen Krempel und trinke noch ein Käffchen im Flora Hostel in Baku. Es ist bereits Mittag, als ich mich mit Rango auf den Weg zum Bahnhof mache. Kurz nach vier geht ein Zug nach Şirvan, mit dem wir hoffentlich bis nach Baş Ələt mitfahren können. Unterwegs gönne ich mir noch ein Paar Schuhe, die Turnschuhe, mit denen ich seit Mingəçevir unterwegs bin, sind für längere Strecken nicht geeignet. Dann ist am Bahnhof Warten angesagt. Die Tickets gibt es direkt in der Bahn. Ob ich dort auch für den Dicken ein Plätzchen finde, kann ich im Bahnhof nicht eroieren. Kurz vor vier gehe ich zum Bahnsteig, der Zug steht bereit, aber Personal ist keines zu sehen. Ich warte noch ein Weilchen am Bahnsteig und schleiche mich dann mit dem Dicken in einen leeren Wagon. Der Zug steht wohl schon ein Weilchen in der Sonne, ich schwitze beim Sitzen und auch Rango hat sichtlich mit den Temperaturen zu kämpfen. Kurz vor Fahrtbeginn, lässt sich ein Bahner blicken. Wir dürfen bleiben, sollen aber den Wagon wechseln. Mit beginnender Fahrt, weht ein laues Lüftchen durch den Zug und der Aufenthalt wird angenehmer. Nach etwa 7 km, wir befinden uns noch in Bakı an der Keşla stansyasi, hält der Zug ungewöhnlich lang. Der ein oder andere Bahner rennt durch die Zugabteile, es werden Sicherungskästen kontrolliert und die Stromabnehmer auf dem Zugdach ein- und wieder ausgefahren. Dann müssen wir raus aus der Bahn, wir haben eine Panne. Mit dem Zug geht es nicht weiter. So warten wir mit den anderen Fahrgästen auf Ersatz und Rango nutzt die Zeit, das ein oder andere Mädel um den Finger zu wickeln. Nach einer Stunde steht der nächste Zug bereit und wir können weiterfahren. Gegen um sieben verlassen wir in Baş Ələt die Bahn, ich kaufe eine Kleinigkeit ein und mache mich mit Rango in Richtung Südost auf den Weg. Unterwegs werden wir von einer Gruppe Jugendlicher begleitet, die zunehmend aufdringlich werden. Von einem Anwohner bekomme ich einen Beutel voll Obst geschenkt, bevor wir das Dorf verlassen und entlang einer Landstraße zum Hafengelände gehen. Nach knapp zwei Stunden Anmarsch, kann ich direkt nach Ankunft ein Ticket für die Fähre klar machen. Der Dicke darf auch auf Nachfrage gratis mitfahren. Abfahrtstermin soll am 27. August sein, an dem auch mein Visa ausläuft. Passt, wackelt und hat Luft. Dann baue ich mein Zelt direkt neben dem Gebäude der Grenzpolizei auf, gehe in einem Container duschen und begebe mich in die Horizontale.

Den Montag verbringe ich recht entspannt auf dem Hafengelände. Ich richte mir meinen Lagerplatz ein, höre ein paar Podcasts und warte. Vom Flora Hostel kommt unterdessen die frohe Kunde, dass meine etwas zu spät getätigte Registrierung von der aserbaidschanischen Immigrationsbehörde akzeptiert wurde. Über den Nachmittag weht ein zunehmend starker böiger Wind, was die Ankunft der Fähre verzögern könnte. Genaues weiß man nicht. Ein Abfahrtstermin für die Fähre ist über den ganzen Tag nicht in Erfahrung zu bringen. Mehr als ein Schulterzucken bekomme ich aus den zuständigen Hafenmitarbeitern nicht heraus.

Am Dienstag, den 27. August 2019, packe ich nach dem Frühstück meinen Krempel zusammen. Ich mache die Grenzpolizei darauf aufmerksam, dass mein Visa um Mitternacht ausläuft. Laut Grenzer wäre es besser, wenn ich die Grenze vor zwölf passiere, ansonsten habe ich ein Problem. Dachte ich mir fast. Dann trudeln über den Nachmittag weitere Rucksacktouristen am Hafen ein und die Wartezeit wird etwas kurzlebiger. Anna und Pablo sind mit dem Rad nach Osten unterwegs und Gefährten auf Zeit. Melanie und Jeoffrey befinden sich auf dem Weg nach Japan und haben sich gegen einen Flug entschieden. Markus und Ali sind Rucksacktouristen und wie ich ohne konkretes Ziel unterwegs. Über das kaspische Meer wollen wir aber alle. Am späten Abend wird langsam klar, dass ich wohl vor Mitternacht nicht auf die Fähre komme. Ich gönne mir ein Süppchen an der Hafenkneipe und lasse mich von Pablo zu einem Käffchen einladen. Dann ist es Mitternacht und wir warten immernoch vor dem Ticketschalter auf dem Hafengelände.

Anna und Melanie haben bereits resigniert und sich schlafen gelegt, als es in der Nacht zu Mittwoch gegen halb zwei endlich den Startschuss zur Passkontrolle gibt. Vor mir können Markus, Ali und unser französisches Pärchen problemlos die Grenzkontrolle passieren. Dann bin ich mit dem Dicken an der Reihe. Läuft erstmal ganz flüssig, bis mir auf die Frage: "Waren Sie schonmal in Armenien?" ein wahrheitsgemäßes "Ja" rausrutscht. Dann beginnen sich die Dinge zu verkomplizieren. Der Grenzer bedeutet mir, dass es Probleme gibt. Genauer kann oder will der Mann nicht werden, es handelt sich wohl um ein Immigrationsproblem. Was auch immer das heißen soll. Ich werde übers Hafengelände geschickt, zu einem anderen Büro der Grenzbeamten, welches in der Nacht aber nicht besetzt ist. Auch ein Mitarbeiter der Fährgesellschaft weiß nicht so recht weiter. Ich gehe zurück zum Grenzposten. Die Jungs wollen mich nach Baku zur Immigrationsbehörde schicken, was ich aufgrund der Laufzeit meines Visas ablehne. Ich mache klar, dass ich heute das Land verlassen muss. Man telefoniert und tut betriebsam, während ich am Grenzhäuschen warten muss. Dann bekomme ich angeboten 400 Manat Strafe zu bezahlen. Ich bluffe und behaupte soviel Geld nicht an einem Tag abheben zu können. Dann erläutert man mir, dass ich abgeschoben bzw. deportiert werde, wenn ich nicht bezahlen will oder kann. Da die Antwort auf die Frage "Wohin?" "Kasachstan." lautet, entscheide ich mich für die Deportation. Ich darf noch ein Weilchen warten, bekomme meinen Stempel in den Pass und kann schließlich eine anderthalb Stunde nach meinen neuen Bekannten auf der Fähre mit dem Namen "Professor Gül" einchecken. Da sich mein Name nicht mehr auf der Passagierliste befindet (der Mitarbeiter an Land, den ich bezüglich meines Immigrationsproblems befragt hatte, hat mich etwas voreilig gestrichen), muss ich mich auch hier noch etwas gedulden. Anna leistet mir währenddessen Gesellschaft und kümmert sich anschließend um Rango, während ich meinen Zimmerschlüssel in Empfang nehme. Es wird so gegen halb fünf gewesen sein, als ich mich endlich in meine Koje schmeißen kann. Gegen neun gibt es ein kleines Frühstück. Gekochte Eier, Käse, Butter, Marmelade und Brot werden angeboten. Ein Tee hilft beim Runterspülen. Nach dem Festmahl schaue ich nach dem Dicken, der an Deck bleiben muss, gehe duschen und lege mich wieder hin. Der letzte Tag am Hafen hat etwas geschlaucht. Nach dem Mittagessen (Linsensuppe mit Brot, von der ich eine Portion für den Dicken ergattern kann, sowie Nudeln mit gebratenem Hühnchen) dattel ich etwas rum, döse und höre Podcasts. Nach dem Abendbrot (Linsensuppe mit Brot, dazu Reis mit gebratenem Hühnchen, auch davon gibt es was für den Dicken) sitzen wir noch ein Weilchen auf dem Deck, bevor ich mich auf Stube zurückziehe und recht schnell einschlafe.

In der Nacht zu Donnerstag (29.08.2019) bin ich gegen halb vier nochmal wach und drehe eine Runde an Bord. Der Dicke döst an seinem Plätzchen, ein Trucker sitzt im Gemeinschaftsraum und schläft, ansonsten ist niemand zu sehen. Fast etwas unheimlich. Auf dem obersten Deck der Fähre bietet sich ein herrlicher Blick auf den Sternenhimmel, rundherum stört kein menschengemachtes Licht die Sicht. Ich genieße den Anblick ein Weilchen und ziehe mich dann wieder in meine vier Wände zurück. Frühstück gibt es erneut gegen neun. Der Blick aus dem Fenster legt nahe, dass wir uns bereits an der kasachischen Küste befinden. Tatsächlich legt die Fähre noch während wir essen im Hafen von Kuryk an. Es heißt also Krempel packen und nach der Passkontrolle von Bord gehen. Das funktioniert alles problemlos, die Kasachen in Uniform sind sehr freundlich und machen einen ganz entspannten Eindruck. Im Hafengelände werden wir von einem Kleintransporter zur nächsten Station gefahren, wo erneut unsere Pässe in Augenschein genommen werden. Dort hat wohl irgendjemand den Schlüssel für eine Tür verlegt und wir werden aufgefordert unsere Papiere unter dem Türschlitz durchzustecken. Kurze Zeit später bekommen wir die Dokumente auf selbem Wege zurück, bevor sich doch noch jemand mit dem Schlüssel zu der Tür findet und wir das Hafengelände verlassen können. Unterdessen konnten wir einen erträglichen Preis für ein Taxi nach Aktau aushandeln. Der Taxifahrer nimmt 5 Personen, Rucksäcke und Rango in seinem PKW mit. Ich nehme auf dem Beifahrersitz Platz, Rango findet ein Plätzchen in meinem Fußraum, während Markus, Ali, Melanie und Joeffrey auf der Rückbank des Fahrzeuges postiert werden, meinen Rucksack auf dem Schoß. Der Kasache hat sichtlich Spaß an der Herausforderung und wahrscheinlich auch an dem Geld das er mit uns verdient. Wir fahren durch größtenteils flache, trockene Steppenlandschaft und können neben Schafen, Pferden auch erste Kamele oder Dromedare am Straßenrand sehen. Neben dem asiatischen Phenotyp der meisten Kasachen, ein weiteres Indiz, dass wir uns mittlerweile in Asien befinden. Nach gut 90 km steigen wir am südlichen Ende der Provinzhauptstadt aus und machen uns zu Fuß auf den Weg in die Stadt. Wkr pausieren an einer Kaffeebar, können kasachische SIM-Karten organisieren und etwas Rinderherz für meinen vierbeinigen Begleiter findet sich auch. Dann suchen wir uns ein Plätzchen zum Zelten, werden an der Strandpromenade nahe des Zentrums fündig, schlagen unser Lager auf, organisieren ein Abendbrot und lassen den ersten Tag in Kasachstan ausklingen. Ein guter Anfang.

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