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Ha Giang Loop - Solotrip durch den Norden Vietnams

Veröffentlicht: 20.12.2023

Ich bin glücklich.


...Na gut, und weil ihr es seid, werde ich euch jetzt lang, breit & detailliert die Gründe hierfür erläutern. :)

Ach, und wehe, ihr schaut euch vorher nicht die Fotos an! *Peitschenknall* 

Es sind nur etwas über 100.

Ich war also wirklich human und rücksichtsvoll bei der Auswahl. ;)

Ob ich mich beim Blog jetzt auch so kurz fasse, kann ich allerdings nicht versprechen.

Aber seid drauf gefasst - ich werde euch bei Gelegenheit abfragen und testen, ob ihr auch wirklich alles gelesen habt.

*Schüsseindieluft*

______________________________________

Ich kann euch nicht mal sagen, wann die Idee genau entstanden ist.

Ich hab soviel gegrübelt, wann ich eigentlich das erste Mal vom Ha Giang Loop gehört habe.

Wann ich Bilder dieses unfassbaren Areals gesehen habe und der Entschluss in mir gewachsen ist, mir das mit eigenen Augen anzusehen.

Wann ich den Norden Vietnams auf meine Bucket-List gesetzt habe.

Ich weiß es wirklich nicht mehr, aber es ist definitiv schon ein paar Jahre her.

Fakt ist:

Wieder konnte ich eine Sache von der Löffel-Liste streichen und ich muss mal nachschauen, ob nach dieser Reise überhaupt noch Ziele drauf stehen, soviel konnte ich in den vergangenen 5 Wochen abhaken. ✔️

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Das Abenteuer begann wie die besten Abenteuer wohl immer beginnen.

-Nämlich so gut wie ungeplant.

Weil es vermutlich nicht alle von euch wissen, erstmal kurz die Erklärung, was der Ha Giang Loop überhaupt ist:

Es ist eine Region ganz im Norden Vietnams.

Und mittlerweile eine beliebte Motorradstrecke.

Der Loop startet in Ha Giang City, führt zum Teil an der chinesischen Grenze entlang und endet nach etwa 450 Kilometern schließlich wieder in Ha Giang City. 

Ich wusste anfangs weder, wie genau ich hinkomme, noch wie ich die Strecke bezwingen werde.

Ich hab dann viel gegoogelt und mich schlau gemacht.

Eine Gruppentour kam für mich von Anfang an nicht infrage!

Dafür entscheiden sich aber tatsächlich die allermeisten.

Man bezahlt zwischen 250-450 Euro für einen 2-3 Tages Trip.

Dafür wäre alles inkludiert.

Die Fahrt von Hanoi in den Norden.

Der Easyrider, bei dem man die gesamte Strecke als Sozius hinten drauf hockt.

Man fährt die ganze Zeit als Gruppe mit 10-20 anderen Motorrädern durch die Gegend und abends schläft man gemeinsam in gemischten Schlafsälen.

Man macht nur Pausen an bestimmten Orten, die die Company vorher bestimmt und auch die Lokalitäten, bei denen gegessen wird, sind im Grunde nicht frei wählbar.

Nein. Einfach Nein.

Das, was ich schon früher an Gruppenarbeit gehasst habe: Die Gruppe. 😆

Ich könnte mich jetzt so darüber auslassen, wieso und weshalb ich darauf keine Lust habe, aber dann sitzen wir alle morgen noch hier und das will bestimmt keiner. :)

Aber selbst, wenn ich ein größerer Menschenfreund wäre:

Wieso sollte ich für diese Leistung soviel Geld bezahlen?

In einem gemischten Dorm zu schlafen, kostet teilweise nur 4-6 Euro die Nacht.

Die 8-Stunden-Fahrt von Hanoi 12 Euro.

Ein Easyrider vielleicht 15 pro Tag.

Und jetzt rechnet selbst !

Wofür nehmen die dann 250-450 Euro?

Ich wiederhole:

Nein. Einfach Nein.

Allerdings zog ich ganz kurz mal die Option in Erwägung, zwar alles autark zu buchen, mir aber vor Ort einen Easyrider zu nehmen, einfach, weil ich mir mit dem Wetter nicht sicher war.

Weil er die Strecke und Straßenverhältnisse logischerweise besser kennt, als ich.

Weil ich einen Moment dachte, es könnte auch angenehm sein, sich kutschieren zu lassen, während ich hinten drauf einfach die Landschaft genießen kann.

Ich verwarf den 'Plan' so schnell, wie er überhaupt aufkeimte.

Ich kann am Ende nicht sagen, ich hab den Ha Giang Loop absolviert und in Wahrheit hab ich nichts weiter getan, als mich rumfahren zu lassen.

Ich fand es plötzlich so albern.

Ich buchte mir also einen VIP Bus mit eigener Kabine nach Ha Giang City, checkte noch schnell ein 14 Euro -Hostel für die 1. Nacht ab und war so so aufgeregt, als es los ging.

Ich hatte Bauchkribbeln und Herzklopfen.

Echt jetzt.

Ich fuhr einfach ins Blaue hinein.

Ich wusste nicht, was mich erwarten würde.

Ich konnte mir allerdings schon vorstellen, dass es toll wird.

Aber nicht, dass es am Ende das schönste Erlebnis meines bisherigen Lebens werden wird.

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Die Nacht in dem Hostel skippen wir mal.

Es war nothing special. (Aber sehr sauber immerhin)

Abends bin ich noch etwas essen gegangen und habe direkt Freundschaften geschlossen mit einheimischen Busfahrern.

Sie haben mich eingeladen, mit ihnen am Tisch zu sitzen.

Ihr Essen habe ich allerdings dankend abgelehnt.

Nicht nur, weil sie erwähnt haben, dass auch sie gerne die Tiere essen, die bei uns in Deutschland mit uns in einem Bett schlafen...

Nein, auch weil das Auge eben mitisst.

Und mein Auge war ganz plötzlich satt, als ich ihre Nahrung da so liegen sah.

Ihren selbstgebrannten Schnaps habe ich dafür nur all zu gerne mit ihnen geteilt. :)

Kaum war mein Glas leer, war es wieder voll.

Die Übersetzer App war unser bester Kumpel an dem Abend und es wurde lustig, aber auch immer später.

Es war schon nach Mitternacht und ich wusste immer noch nicht, wie der nächste Tag aussehen würde.

Ich verabschiedete mich irgendwann und lief gerade Richtung Hostel, als ich bemerkte, dass der eine Typ von eben mich verfolgte.

Das war ne seltsame Situation, als auf seinem Google Translate plötzlich stand, ob ich mit zu ihm käme 'um zu ruhen'.

(Dann doch lieber Hundefleisch, schwöre.)


Am nächsten Morgen stellte ich den Wecker auf 6.

Keine Ahnung wie, aber ich wollte los.

Ich wollte dieses Abenteuer.

Aber zuerst brauchte ich nen fahrbaren Untersatz.

Da war doch ein Motorbike-Verleih direkt neben dem Hostel. 

Ich hatte es am Abend genau gesehen.

Schnell duschen.

Noch schneller frühstücken.

Und los!

250.000 Dong am Tag sollte ich für mein

2-Rad zahlen.

Das is n Zehner umgerechnet und für vietnamesische Verhältnisse eher viel, aber wollte auch nicht diskutieren am Morgen.

Kurz Probefahrt.

Kurz eingeschlagen.

'Gekauft.'

Der Typ zeigte mir noch schnell ne Karte von der Umgebung. Sagte mir, in welche Richtung ich sollte und ich fuhr los.

Genau in die entgegengesetzte Richtung.


...Und ihr müsst jetzt gar nicht schadenfroh in euch reinlachen oder so. ;)

Das war nämlich pure Absicht!

Wieso sollte ich die Strecke nehmen, die jeder nimmt?? 

(Gegen das System und so!)

Es ist ein Loop.

Es liegt doch in der Natur der Sache, dass man in einem Kreis im Kreis fährt. :))

Und ob man das nun im Uhrzeigersinn oder entgegengesetzt tut, spielt ja keine Rolle. Ich würde ja trotzdem alle Orte sehen, die wichtig waren.

Der Vorteil war außerdem, dass ich diese nervigen riesigen Gruppen selten vor oder hinter mir hatte.

Es kann ziemlich laut, staubig und unübersichtlich werden, wenn 30 Mopeds mit 60 Leuten drauf an dir vorbeiknattern und dahinter gleich noch so eine Gruppe kommt.

Auch bestimmte View-Points, die auf dem Weg lagen, hatte ich quasi immer für mich allein, da ich meistens zeitversetzt von anderen irgendwo ankam.

Von Minute 1 wusste ich, ich hatte mich richtig entschieden.

Richtig, den Loop zu fahren.

Richtig, es allein zu machen.

Richtig, gegen den Uhrzeigersinn zu fahren.

Ich war keine 10 Minuten auf dem Roller und ich fühlte eine so tiefe Zufriedenheit, wie ich sie noch nie gespürt habe.

Die Natur hatte mich von Sekunde 1 in ihrem Bann.

Regenwald, Berge, tiefe Weiten.

Das Wetter war hier frischer, als in Hanoi, aber das war abzusehen.

Ich hatte eine lange Hose, aber durchgängig ein Shirt an am ersten Tag.

Es hätte mich wirklich schlimmer treffen können. (abwarten....!)

'Ich tu das gerade wirklich' 

Das war so ein Gedanke, der die ganze Zeit aufblitzte in meinem Kopf.

Ich hatte keinen Plan, wo ich am Abend schlafen würde.

Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie weit ich käme.

Es gab einfach nur mich, diese Idee und mein Bike.

Außerdem grün bewachsene Karstfelsen, hunderte Meter tiefe Canyons, die sich durchs Tal ziehen und dieser hammergeile Duft nach Freiheit.

Du sitzt auf deinem Roller und schlängelst dich die vielen Serpentinen hinauf.

Der Fahrwind bläst dir ins Gesicht.

Die Sonne lässt dich die Augen zusammenkneifen und über beide Ohren grinsen.

Jede Kurve, die du nimmst, eröffnet dir neue überragende Aussichten und du kannst dich einfach nicht satt sehen.

Die Zeit ging so unfassbar schnell vorüber.

Der Benzintank wurde leer, mein Handyspeicher immer voller.

Ich schätze, ich bin am ersten Tag an die 100 Kilometer weit gekommen.

Dafür braucht man in den Bergen natürlich sehr viel länger, als wenn man einfach nur eine gerade Strecke fährt.

Ich glaube, alles in allem war ich fast 6 Stunden unterwegs.

Ich bin aber natürlich auch so oft stehen geblieben, weil der Ausblick alle 10 Meter spektakulärer war, als der davor.

Jeder, der mich kennt, weiß, wie fotosüchtig ich bin.

Und jetzt stelle man sich mal den armen Easyrider vor, dem alle 3 Meter auf die Schulter geklopft wird, gepaart mit einem hysterischen 'Stopp!'.

Der hätte mich wahrscheinlich schon nach ner Stunde irgendwo eine Klippe runter gestoßen.

Ich habe es, glaube ich, noch nicht erwähnt:

Ich habe alles richtig gemacht. 😋

Meine erste Übernachtung hatte ich in einem kleinen Örtchen namens Du Gia.

Ich guckte bei booking.com, was in meiner Nähe so angeboten wird und hatte Glück für etwa 20 Euro einen kleinen Bungalow mit Blick auf die Berge zu bekommen.

Um den Blog nicht wieder ausarten zu lassen (was natürlich trotzdem passiert), überspring ich all die Begegnungen mit andern Reisenden und komme direkt zum nächsten Morgen.

Es war kalt.

Das spürte ich quasi direkt nach dem Aufwachen.

Bestimmt an die 10 Grad kälter, als noch am Vortag.

Ich brauchte dringend Benzin, bevor es los gehen konnte und das, mes amis, is gar nich so easy zu bekommen.

Nicht überall gab es Tankstellen.

Eher sogar selten.

Und die einzige in der Nähe hatte zu.

Ich musste mich also anderweitig umsehen.

Ich fuhr schonmal in die Richtung, in die ich sowieso musste.

Und eigentlich war da eine Straße, aber am besagten Morgen war da plötzlich dieser Markt.

Und es ist nicht etwa so, dass für die Fahrzeuge etwas Platz gelassen wurde, Nein.

Die Menschen nutzten jeden Quadratmillimeter, um ihren Kram zu verkaufen.

Man kam einfach nicht durch.

Es hat so lange gedauert, mich da durch zu quetschen mit meinem Roller. Und was anderes als Quetschen war es wirklich nich.

Du hast nur Hupen gehört. Und Schafe und Ziegen. Muhen und Mähen.

Und das Gebrüll der Leute.

Übrigens arbeiten sonntags nur Frauen auf dem Markt.

Männer nutzen den Tag für gesellschaftliches Trinken.

Wenn der Mann dann zu früh nach Hause kommt oder nicht betrunken genug is, heißt das, dass er keine Freunde hat, mit denen er sich betrinken kann und dann ist er gesellschaftlich nicht besonders hoch angesehen.

Keine Ahnung, ob das wirklich stimmt.

Aber ich hab es gehört und in Vietnam kann ich mir sowieso ALLES vorstellen. ;)

Ich hab  jedenfalls soviel gesehen in dieser halben Stunde.

Wasserbüffel, die an ihren Hörnern gepackt und durch die Menschenmenge gezogen wurden.

Schweine, die an Leinen geführt wurden wie Hunde.

Kindern, die Hühner unter beide Arme geklemmt hatten.

Ziegen, die in den Hintern getreten wurden, wenn sie nicht schnell genug liefen.

Und was die alles verkauft haben.

Boah, das war so interessant!

Leider konnte ich keine Bilder machen, um sie euch jetzt zu präsentieren, aber stellt euch einfach die kuriosesten Dinge vor!

Dann fing es auch noch an zu regnen.

Shit.

Als ich den Markt endlich hinter mir ließ, war ich schon klitschnass.

Es war kalt und eklig.

Für die Landschaft hatte ich keinen Blick mehr, denn ich musste meinen Fokus komplett auf die Straße legen.

Teilweise nicht asphaltiert, sondern mittlerweile aufgeweicht und wie kleine reißende Bäche.

Spitze Steine und Schlamm.

Eine einzige Schlitterpartie.

Regen, Regen, Regen.

Und Finger, die langsam aber sicher taub wurden.

Die angepeilten 100 Kilometer würde ich an dem Tag niemals schaffen.

Das begriff ich schnell.

Ich kam vielleicht auf 40.

Dann musste ich einen unverhofften Stopp in einem winzig kleinen Ort einlegen.

Auch hier wieder ein Bungalow ergattern können.

Und auch hier wieder so viel gesehen, dass ich an Grenzen stoße, es wiederzugeben. 

Aber Bilder können es auf jeden Fall besser sagen, als mein Schreib'talent'.

Deshalb überzeugt euch oben selbst.

(Und denkt an die Peitsche!)

;)

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Am nächsten Morgen wollte ich früh los.

Vorhe kaufte ich tatsächlich noch schnell wärmere Klamotten und war happy über meine Errungenschaften, als der Hotelbesitzer mir eine gute Fahrt wünschte.

'You want go North. It's more cold than here. Maybe 8 degrees colder.'

(Ja, genau SO hat er es gesagt.)

Ich freute mich jetzt so richtig auf die Fahrt. 

(Lüge!)

Und kaufte mir schnell noch Handschuhe. (Wahr!)

Und was soll ich euch sagen.

Die brauchte ich auch.

Schon 10 Minuten nördlicher wurde es dermaßen kalt, dass ich keine Worte dafür hab.

Es war eisig, der Himmel tat sich auf.

Der Regen tat mies in meinem Gesicht weh.

Zudem hab ich die Hand vor Augen kaum gesehen.

Ich wusste, dass es weit runter ging neben mir.

Aber um mich rum nur Nebel wie Milch.

Ich habe keine Berge mehr gesehen.

Keine Bäume.

Keine anderen Fahrzeuge.

Nur ein riesiges weißes Nichts.

Es war glatt.

Und gefährlich.

Ich fragte mich wieso.

Wieso mach ich das überhaupt?!

Es hatte so keinen Sinn.

Das war reiner Selbstmord.

Ich hielt an.

Kramte mein Handy raus.

Tippte mit steifen Fingern Ha Giang City in Google Maps.

Ich wendete den Roller.

Und...

Ich konnte nicht.

Ich konnte nicht losfahren.

Ich hatte das Gefühl, ich würde aufgeben und drehte den Roller wieder um.

Und das war die beste Entscheidung überhaupt.

Ich fuhr noch ca 1 Stunde weiter.

In der Hoffnung, dass es irgendwann besser würde.

Und meine Gebete wurden erhört.

Der Regen blieb.

Die Kälte ebenso.

Aber die Wolken verpissten sich irgendwann in höhere Gefilde und ich hatte endlich wieder Sicht.

Nach ca 2 Stunden Höllenfahrt kam ich halb erfroren in meiner neuen Unterkunft an.

Ich ließ mich bei 32 Grad von der Klimaanlage wieder auftauen und hätte nicht fröhlicher sein können.

Dann zog's mich wieder nach draußen.

________________________________________

Ich wurde von den Hotelbesitzern an dem Tag übrigens eingeladen zum Family- Lunch.

Sagte ich 'eingeladen' ?

Na, ich würde sagen, es grenzte schon an Nötigung. 😜

Mann, die sind hier wirklich krass gastfreundlich.

Sie meinen es so gut, aber sie lassen einen halt auch irgendwie gar keine andere Wahl.

Es waren an die 20 Mann.

Familie und Freunde.

Und ich.

Verteilt auf 3 Tische.

Sie überschlugen sich förmlich, neben wen ich sitzen sollte.

Und da standen so komische Sachen auf'n Tisch.

Ich bin eh ne olle Mäkeltante. Zugegeben.

Also schielte ich schon unauffällig aufs Essen und scannte alles ab, was für mich vielleicht essbar wäre. Was gleich in meinen Schüsselchen landen würde...

Soviel jedenfalls zur Theorie.

In der Praxis wurde mir mein Schüsselchen weggenommen und meine Gastgeber bestimmten, was ich unbedingt probieren sollte. 😌

Ich verzog keine Miene.

Höchstens um meinen aufkommenden Ekel in eine lächelnde Fratze zu verwandeln.

Sie füllten mich mit hochprozentigem Reiswein ab.

Mein Glas war im Grunde nie leer.

Ständig wollten sie anstoßen.

Aber Aber Aber 

Ich hab Sachen im Mund gehabt, die ich normalerweise nicht mal in die Hand nehme. 

Nur, um nicht unhöflich zu sein!

Ich bin so blöd.

Ich hoffe bei Gott, es war kein Hund dabei.

Ich habe irgendwann nicht mehr gefragt.

Sie haben ohnehin kein Wort Englisch gesprochen.

Es war nur seltsam, dass sie bei meinem fragenden Blick auf  die erste von vielen Portionen in meiner Schüssel mit 'Chicken' antworteten, gefolgt von wildem Gelächter.

Vergessen wir das bitte ganz schnell, ja?!

Ich spazierte ein paar Stunden durch die Gegend, um das Essenstrauma zu verarbeiten, schaute mir ein Dorf einer ethnischen Minderheit an und machte mich gedanklich bereit, am nächsten Tag 170 Kilometer zurück nach Ha Giang City zu fahren 

Jaja, ik weiß, dat war n sportliches Vorhaben, und natürlich hab ik's nich geschafft, aber ik hab's wirklich versucht.

Als erstes aber wollte ich mir noch ein paar View-Points in der Nähe anschauen. Also noch ein bisschen weiter hinauf in die Berge.

Noch nördlicher.

Fast an die Grenze zu China.

Was mich am 1. Tag schon begeisterte, machte mich da einfach nur sprachlos.

Die Berge waren noch höher, die Täler noch tiefer, die Abhänge noch steiler. 

Die Aussichten wurden immer spektakulärer.

Ich habe so oft angehalten, um ein Bild zu schießen.

Aber gerade, wenn ich um die nächste Kurve war, stoppte ich erneut, weil es immer krasser wurde. Und wieder kramte ich mein Handy raus.

Smaragdgrüne Reisfelder.

Riesige Gebirgsketten.

Wasserfälle.

Ich war im Feenland.

Es sah aus wie bei Avatar.

Einfach so heftig.

Und ich mittendrin.

Ich war so erschlagen zeitweise.

Von meinen eigenen Emotionen.

Schwer zu erklären.

Plötzlich hingen die Wolken so tief, dass man nichts mehr gesehen hat. (Wieder einmal)

Die Landschaften nur noch schemenhaft.

Aber auch verdammt mystisch.

Als wenn man durch ne Milchglasscheibe glotzt.

Na ja, normal kann jeder, wa. 

Das hier zum Beispiel ist ein ziemlich bekannte Aussichtsplattform. Im Grunde DER Fotospot in der Gegend.

Bei mir war es wenig atemberaubend.

Aber hey, ich war da. 

KUCKT SELBST! 😜

⬇️

Ich wäre übrigens fast gestorben, weil es wirklich sehr rutschig war auf den Felsen da oben.

Es war tatsächlich kurz mal ein bisschen gefährlich und ich schwankte Richtung Abhang, aber Leute, ich lebe ja noch, also packt euren strengen Blick ein und lest einfach weiter! :)

Ich hätte den View-Point übrigens im Leben nicht allein gefunden.

Google Maps war in dieser Gegend höchst unverlässlich und der dicke Nebel war auch nicht sonderlich förderlich bei der Suche.

Also fragte ich einen Easyrider, der da (offensichtlich momentan arbeitslos) rumstand.

Er wollte 50.000 dafür, dass er mich hinbringt.

Nope Nope Nope !!!

Also 50.000 viel zu teuer, aber das war es nicht, das mich den Kopf schütteln ließ.

Im Leben aber würde ich mich nicht hinten drauf setzen bei ihm.

Wenn ich schon sterbe, dann doch aus eigener Hand. 

Versteht ihr?

Vergesst nicht die überaus schlechte Sicht.

Die Abgründe überall.

Ich fuhr auf Schotterwege, die zum Teil nur 1,50 Meter breit waren und unter mir ging es 1000 Meter weit runter.

Ich wollte einfach ungern mein Leben in die Hände einer anderen Person legen.

Nicht, wenn ich es verhindern konnte.

Sowieso is das Leben eines Motorradfahrers offenbar nicht allzu viel wert hier.

Die Autos, Busse, LKWs schneiden dich die ganze Zeit. Sie überholen dich mit Abständen von vielleicht 1 Millimeter. 

Rasen frontal auf dich zu. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Überhaupt gelten in Vietnam ja nur 2 Verkehrsregeln:

Der Mutigere hat Vorfahrt.

Der Klügere gibt Gas.

Aber im Norden war es nochmal anders krass.

Die wissen ja eigentlich, dass ein Unfall dort vielleicht nicht so glimpflich ausgeht.

Es gibt keine Krankenhäuser, keine ausreichend medizinische Versorgung.

Außerdem machen die tiefen Schluchten überall ein Überleben sowieso nicht sehr wahrscheinlich.

Die unmittelbare Nähe zu China bereitete mir zusätzlich Sorge, denn in dem Land ist es so, dass die nach einem verschuldeten Unfall dein Leben lang für dich aufkommen müssen, solltest du Schäden davon tragen. 

In Falle des Falles fahren die Chinesen also einfach nochmal über dich rüber.

SICHER IS SICHER!

(Eine Beerdigung ist auf jeden Fall billiger.)

😆


Zurück zum View-Point-Vorhaben:

Der Fahrer war irritiert.

Und es bedurfte etwas Überzeugungsarbeit, aber da ich das hatte, was er gerne wollte, (nämlich Geld) ließ er sich darauf ein, dass ich mein eigenes Motorbike für diesen kleinen Ausflug nutzte und er einfach vorfuhr.

Wie gesagt -Viel gesehen habe ich am Ende nicht.

Zu dick der Nebel. Zu tief die Wolken.

Es war schade, aber zu verschmerzen.

Ich konnte es ja ohnehin nicht ändern.

Ich freute mich einfach, dass die Temperaturen mit 9 Grad fast schon wieder zweistellig waren und dass es nicht regnete. 

Am Ende gab ich dem Driver übrigens nochmal 50.000 Dong, weil er mich unbedingt noch woanders hinführen wollte.

Na ja, also ich sag mal so:

Es hätte auch eine Giraffen-Karawane an mir vorbeilaufen können, ich hätte sie einfach nicht gesehen.

Am Ende war der Easyrider 4 Euro reicher. Und ganz ehrlich, ich hoffe, er hat sie in eine Nagelpfeile investiert oder so.

Seine Nägel waren so dermaßen lang.

Keine Ahnung, wieso man es so weit kommen lässt.

Vielleicht um besser in der Nase zu popeln oder was zwischen den Zähnen rauszuholen oder sich besser im Ohr kratzen zu können.

Oder oder oder.

Ich hab ihn nicht gefragt. 

Nach des vernebelten Mini-Trips wurde es wirklich langsam Zeit, Richtung Ha Giang City zu fahren.

Es war bereits mittags und ich dachte, ich träume.

Da war doch wirklich n Stück blauer Himmel und sogar ein paar Sonnenstrahlen.

Oh mein Gott, ich hätte nicht glücklicher sein können !!

Wenigstens für 5 Minuten. :)

Denn hinter dem nächsten Berg war es wieder genauso kalt und diesig wie zuvor.

Trotzdem war ich von Kopf bis Fuß mit Good Vibes gefüllt.

Und ich hatte so einen Spaß beim Fahren.

Das änderte sich erst, als ich irgendwann die falsche Abzweigung genommen habe.

Ich fuhr über 1 Stunde in die falsche Richtung.

Ich bemerkte es nur, weil da plötzlich nur noch Tiere waren und wenn Menschen, dann ausschließlich ethnische Minderheiten meinen Weg kreutzten. Die erkennt man gut an ihrer bunten Kleidung. 

Und überhaupt, ich hatte lange kein anderes Fahrzeug mehr gesehen.

Es hat ewig gedauert, meinen Fehler wieder 'gutzumachen'. Die verlorene Zeit holte ich nicht mehr auf.

Plötzlich wieder Regen und es wurde dunkel.

Also hatte ich den letzten Stopp in einer Ministadt, buchte mir ein Minizimmer mit einem steinharten Bett, das nach Rauch stank und war trotz allem wohl der erfüllteste Mensch überhaupt.

Am nächsten Tag war das Wetter noch schlimmer, aber ich hatte nur noch 3 Stunden vor mir, dann war mein Abenteuer eh zuende.

Das Abenteuer meines Lebens.

Ich hab tagelang gefroren.

Mir tagelang nicht die Haare gewaschen, weil es einfach viel zu kalt war und im Norden teilweise kein warmes Wasser zur Verfügung stand.

"Was darf's denn sein?

Haarschnitt oder Ölwechsel?"

Hundert Pro wäre das die Frage gewesen, wäre ich in dieser Zeit zum Friseur gegangen.

Ich habe tagelang keine Sonne gesehen.

Es war dunkel und die ganze Zeit nass.

Aber es waren trotzdem (mit ganz viel Abstand) die schönsten Tage meines Lebens.

Denn:

Der Ha Giang Loop ist einfach einzigartig!!

Diese fast schon majestätische Schönheit und die atemberaubenden Aussichten sorgten für so krass unbeschreibliche Gefühle bei mir.

Nie-Nie-Nie-Niemals werde ich diese 5 Tage vergessen!!

Und egal, wie sehr ich mich auch bemühen würde.

Welche Superlative ich nutze.

Egal, was ich jetzt noch sage oder versuche zu beschreiben.

Kein Wort der Welt würde dem gerecht werden, was ich erlebt habe.

Ich kann einfach nicht in Worte fassen, wie es aussah, wie es gerochen hat, was das alles mit mir gemacht hat.


Wichtig ist nur:

Ich bin glücklich.

und ihr wisst jetzt wieso. :)


Antworten (1)

Silvia
Dankeschön für deine ausführliche Wegbeschreibung einfach krass und einmal nichts für mich ich hasse Kälte

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