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Cape Reinga – das Tor zur Unterwelt

Veröffentlicht: 26.11.2017

Unsere Reise führte uns über Paihia weiter zum (fast) nördlichsten Punkt Neuseelands. Wir entschieden uns für einen Tagestrip, der es in sich hatte. Ich bin wahrlich kein Freund des Frühaufstehens, uns so sah ich auch aus, als der Wecker um 5:30 Uhr klingelte. Aber manchmal muss man einfach Opfer bringen. Der Bus traf mehr oder weniger (eher weniger) pünktlich ein. Ursprünglich wollte ich während der Fahrt etwas Schlaf nachholen, aber bei der atemberaubenden Landschaft hatte sich dieser Gedanke ganz schnell wieder verabschiedet. Entlang der nördlichen Westküste erstreckten sich Gebirge voller Nadel-, Laub- und Palmenwälder und die kleinen Inseln im Ozean schmückten den Horizont.

Plötzlich hieß es festhalten, denn der Busfahrer fuhr mit dem Reisebus (!!!) direkt auf den Strand des Ninety Mile Beach zu. Ich für meinen Teil bin bisher am Strand eigentlich immer nur spazieren gegangen – gefahren noch nicht. Aber das scheint hier so mehr oder weniger gang und gebe zu sein. Andere Fahrzeuge fuhren sogar ihre Hunde spazieren, das heißt die Hunde mussten eigentlich laufen, der Besitzer fuhr sich selbst spazieren. Kann man mal machen. Neben einer guten Viertelstunde Spazierfahrt am Strand hatten wir aber auch noch einige Minuten, den Ninety Mile Beach zu Fuß zu erkunden. Kleiner Fakt am Rande: Der Strand ist nicht 90 Meilen lang, sondern eher so 55 bis 60, was rund 90 Kilometern entspricht. Irgendjemand hat hier also mal gewaltig Mist gebaut. Bemerkt hätte ich das aber ehrlich gesagt weder als Fahrgast noch als Fußgänger, denn egal in welche Richtung ich sah, der Strand schien unendlich lang zu sein. Den goldenen Sand unter meinen Füßen spürend bewunderte ich auch wiedermal die Kraft des Wassers, das hier ans Ufer rauschte. Obwohl es relativ windstill war, überragte eine Welle die nächste. Zeit um mir den Kopf waschen zu lassen blieb aber heute leider nicht mehr, obwohl ich das nach all dem Schlafmangel mal wieder dringend nötig hätte. ;)
Vom Strand der Endlosigkeit ging es schließlich zum heutigen Hauptziel: Cape Reinga, dort wo sich Pazifik und Tasmanisches Meer treffen. Fälschlicherweise bezeichnen viele diesen Punkt als Nordkap Neuseelands. Grundsätzlich ist das gar nicht sooo falsch, denn es ist tatsächlich der nördlichste Punkt, der mit einem Fahrzeug erreichbar ist. Geografisch korrekt gesehen liegt Cape Reinga aber nordwestlich, und dort ist es dann auch tatsächlich der äußerste Punkt. Für die Maori hat Cape Reinga eine sehr spirituelle Bedeutung. Laut ihren Erzählungen machen sich die Seelen der Verstorbenen über den Ninety Mile Beach auf den Weg zum Cape Reinga, weil sich dort das Tor zur Unterwelt befinden soll. Da haben sie sich auf jeden Fall einen sehr schönen Ort ausgesucht für etwas doch eher unheimliches, das muss man ihnen lassen. Bei diesem Anblick klingt Unterwelt dann auch gar nicht mehr so negativ, vorausgesetzt, dass es dort unten dann auch so schön aussieht. Auf jeden Fall verleiht dieses Wissen im Hinterkopf dieser Gegend einen noch viel mächtigeren Eindruck. Es hatte etwas Magisches, Beeindruckendes, und ja, irgendwie etwas Unheimliches. Der einsame Leuchtturm stand im Schatten seiner selbst (denn Sonne schien leider nicht) und die Inselketten reihten sich majestätisch aneinander. Jeder meiner Schritte war mit großem Respekt erfüllt und ich fühlte mich fast schlecht, Fotos zu schießen. Tut mir leid, Unterwelt, ich konnte einfach nicht widerstehen. Es war einfach zu schön dort. Leider hatten wir nur knapp eine Stunde Zeit – definitiv zu wenig! Aber das nächste Ziel unseres Tagestrips war zu verlockend, um den Bus zu verpassen.
Es ging weiter zu den Te Paki Sand Dunes. Ich hatte Sanddünen so weit ich mich erinnern kann noch nie „live“ gesehen, und dann waren die auch noch gleich so riesig. Es fühlte sich beinahe so an, als würde ich mitten in einer endlosen Wüste stehen, wenn nicht links und rechts neben den Dünen kleine Flüsse entlanggelaufen wären. Der Gedanke, dass man hier einfach auf einem riesigen Sandberg stand, war schon merkwürdig. Aber als wäre das noch nicht genug gewesen, holte unser Busfahrer kleine Surfbretter aus dem Gepäckraum. Und ja, auf diesen Moment hatte ich ehrlich gesagt schon den ganzen Tag lang hin gefiebert: Sandboarding. Mit unseren Brettern unter dem Arm stiegen wir eine 40 bis 50 Meter hohe Sanddüne hinauf. Erst vermutete ich, dass wir so auf der Hälfte stehen bleiben würden, aber der Fahrer führte uns tatsächlich bis zur Spitze hinauf. Und plötzlich schien der Gedanke an Sandboarding bei diesem steilen Abgrund in dieser Höhe gar nicht mehr sooo verlockend. Ich würde nicht sagen, dass ich Angst hatte, aber doch. War schon so. Aber ich hab meinen inneren Schweinehund heute Morgen beim Aufstehen schon einmal bezwungen, also hopp, rauf den Bauch auf das Brett (stehen war nicht erlaubt, aber wer da stehend runter fährt, muss auch echt einmal zu oft irgendwo runter gefallen sein) und ab runter da! Und dran denken, den Mund immer schön geschlossen zu halten. Das Brett wurde schneller und schneller, so dass ich kurz die Befürchtung hatte, im Fluss zu landen. Aber glücklicherweise hielt das Board vorher an. Kurz durchatmen. Okay, das war echt cool. Nochmal! Das war definitiv eine coolsten, kostenlosen (!) Aktivitäten, die ich hier je gemacht habe. Das Adrenalin schoss nur so durch meinen Körper. Es war eine wirklich prägende Erfahrung für mich, auch wenn sie nur wenige Sekunden hielt. Denn sonst bin ich bei so was eher ein kleiner Schisser. Das klingt jetzt wahrscheinlich viel zu tiefgründig für so eine Kleinigkeit, aber es fühlte sich gut an, zu spüren, wie einen dieses Land irgendwie dazu drängt, neue Erfahrungen zu machen und so den eigenen Horizont zu erweitern. Danke, Neuseeland. Der Nordtrip war wirklich genial!

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