Veröffentlicht: 15.11.2017
Aus dem Süden Neuseelands ging es heute wieder weiter in Richtung Norden, diesmal an die Ostküste des Südinsel. Ich heiße euch herzlich willkommen in Christchurch, der Stadt des ewigen Wandels! Das klingt jetzt erst mal sehr positiv und fortschrittlich, ist es aber eigentlich nicht. Denn der ständige Wandel der Skyline wird durch regelmäßige Erdbeben erzwungen. Durchschnittlich alle 10 Jahre wird die Stadt erschüttert. Die letzten spürbaren Beben liegen schon sechs und sieben Jahre zurück (2010 & 2011), doch noch immer erinnert vor allem die Innenstadt an eine Großbaustelle. 82 % der Stadt wurden zumindest teilweise beschädigt. Betroffen waren vor allem Gebäude aus den Baujahren vor 1980. Obwohl Christchurch die größte Stadt auf der Südinsel ist, ähnelt die Skyline nicht mal annähernd größeren Metropolen wie Auckland oder Wellington. Ich bin mir ehrlich gesagt nicht mal sicher, ob man das Skyline nennen darf. Die Gebäude sind seit den letzten Beben nämlich grundsätzlich sehr flach gehalten, um den verheerenden Ausmaßen zukünftiger Erdbeben entgegen zu wirken. Nur selten sahen wir ein Bauwerk, das höher als fünf Stockwerke war. Das brachte einerseits einen sehr offenen und entspannten Flair mit sich, wir fühlten uns einfach frei und nicht so eingeengt, wie man es von einer Großstadt erwartet. Aber andererseits schwang ständig ein melancholisches Gefühl mit. Es gab nahezu keine Straße, in der keine Baustelle zu finden war. Wenn das möglich wäre, würde ich fast behaupten, dass es hier mehr Baustellen gab als in Berlin. Um mehr über die Hintergründe der Erdbeben zu erfahren, besuchten wir das örtliche Museum, genannt „Quake City“. Gute drei Stunden sogen wir dort alle Informationen auf, die sich uns boten. Besonders beeindruckt war ich von den Augenzeugenberichten. Natürlich ist einem immer bewusst, dass eine solche Naturkatastrophe verheerend ist, aber dadurch wurde es persönlich. Greifbar. Und emotional. 185 Menschen verloren im Beben von 2011 ihr Leben, darunter auch Kinder. Den Schmerz der Hinterbliebenen vermag man sich kaum vorzustellen. Nach diesem Museumsbesuch war für mich klar, dass ich – obwohl mich schon irgendwie interessiert, wie sich ein solches Beben für den Körper anfühlt – so etwas niemals erleben möchte und auch niemanden wünsche. Es war schon ein mulmiges Gefühl, auf diesem Boden zu stehen. Noch vor zwei Tagen wurden wir in Queenstown Zeugen davon, welch atemberaubende Landschaften das Aufeinandertreffen der Pazifischen und Australischen Platten mit sich bringt, und nun standen wir hier und sahen uns mit den schrecklichen Folgen konfrontiert.
Was mich beeindruckte, war dennoch der Wille so vieler Menschen, immer noch in einer solch gefährlichen Stadt zu leben. Ich weiß nicht, was es war, aber die Christchurcher liebten ihre Stadt aus ganzem Herzen. Und sie gaben alles dafür, ihre Stadt wieder sehenswert zu machen. Vielleicht lässt sich daraus ihr intensives Interesse für Kunst ableiten, denn Ausstellungen und Galerien gab es hier fast schon so viele wie Baustellen. Aus diesem Grund konnten wir uns die Art Gallery des Stadtzentrums natürlich nicht entgehen lassen. Besonders die Werke von Len Lye hatten es mir angetan. Denn sie waren dynamisch, sie bewegten sich ständig. Gut zehn Minuten konnte man vor einem Werk stehen und es sah einfach nie gleich aus. Es passte schlichtweg zu Christchurch. Und so entsteht aus etwas Schlechtem wohl auch immer irgendwie etwas Gutes, wenn man nur die richtigen Schlüsse daraus zieht.
Neben Erdbeben und Kunst ist Christchurch übrigens auch berühmt berüchtigt für den Botanischen Garten, der als einer der größten auf der ganzen Welt zählt. Und ja, er war wirklich riesig. Ich möchte jetzt lieber nicht aufzählen, wie oft wir dachten, den richtigen Pfad entlang zu wandern und doch wieder ganz woanders ankamen. Aber im Vergleich zu den Botanischen Gärten in Deutschland war es auch irgendwie unstrukturiert. In Berlin ist es ja beispielsweise so, dass der gesamte Garten in mehrere kleinere Gebiete und Gewächshäuser eingeteilt ist, die immer eine bestimmte Kultur oder einen Kontinent repräsentieren. Das war in Christchurch ganz anders. Es stand zusammen, was optisch zusammen passte. Das sich viele Pflanzen deshalb oft wiederholten, machte die Orientierung nicht unbedingt einfacher. Außerdem gab es zwar einzelne Gebiete, aber da diese intensiv miteinander verflochten waren und ineinander verliefen, wussten wir oft nicht, ob wir erst hinein- oder schon wieder herausgingen. Schön war es aber trotzdem, das muss ich schon sagen. Ich habe Blüten gesehen, die ich nie im Leben gesehen habe und wahrscheinlich auch nicht mehr sehen werde. Und dieses Wissen im Hinterkopf zu haben ist schon enorm.
Christchurch ist wirklich eine einzigartige Stadt mit einzigartiger Geschichte und einzigartigen Einwohnern, die einzigartiges leisten. Ich lasse all meinen Respekt und meine Hochachtung in dieser Stadt und denke mit gemischten, aber letztendlich positiven Gefühlen gern an sie zurück.