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Bei Draculas fernen Verwandten

Veröffentlicht: 23.12.2018

Kolumbien wurde in unsere Reise nachnominiert: Bei meinen ersten Recherchen galt das Land aufgrund der Aktivitäten der Guerillagruppen, vor allem der mächtigen FARC, als wahnsinnig gefährlich. Und ganz plötzlich nach der freiwilligen Entwaffnung der FARC schnellte Kolumbien in der Liste der hipsten Reiseziele ganz in die Höhe. Und wir, hip wie wir nun einmal sind, mussten da natürlich auch gleich hin. 

Jetzt ist es bei weitem nicht so, dass ganz Kolumbien friedlich und sicher wäre. Es gibt nach wie vor Gebiete, die von diversen Paramilitärs, Guerillagruppen, Drogenkartellen und/oder unfreundlich gesinnten Indigenen beherrscht werden. In manchen davon gibt es bis heute keine befahrbaren Straßen, da stehen nur die Flüsse als Transportwege zur Verfügung oder man muss reiten. Nein, dort fahren wir nicht hin, sondern in die freundlichen Regionen des riesigen Landes (es ist ungefähr so groß wie die iberische Halbinsel und Frankreich zusammen). Und freundlich sind viele Menschen hier wirklich, auch wenn einer echten Kommunikation unsere nur in Spurenelementen vorhandenen Spanischkenntnisse Grenzen setzen, denn Englisch kann hier kaum jemand. 

Die ersten zehn Tage verbringen wir in rund 2.000 m Höhe, und das bedeutet für uns Kälte, da wir jetzt viel heißeres Wetter gewohnt sind. Unsere erste Station, die ehemalige Kolonialstadt Tunja, liegt sogar 2.800 m hoch. Wir haben also alle Pullover, die wir mithaben, übereinander angezogen (Roby drei, ich zwei) und uns in unsere Schals gewickelt, um zu überleben. Ein großes Glas Rum war dafür auch sehr hilfreich.

Wir haben nicht sehr viele koloniale Sehenswürdigkeiten am Programm: erstens weil wir Kolonialmächte nicht mögen (unsere Abneigung hat sich beim näheren Kennenlernen der Geschichte mancher unserer Reisedestinationen noch verstärkt), zweitens weil uns die Architektur nicht so sehr anspricht: In Asien stammt sie häufig aus dem 19. Jahrhundert (zB in Yangon), was nun einmal nicht unsere Epoche ist, hier in Lateinamerika ist sie älter, aber die spanischen Ausprägungen der Renaissance und des Barock, die schon im Mutterland etwas Übersteigertes haben, machen uns in ihren "provinzielleren", plumperen Varianten auch nicht glücklich. Aber Tunja musste sein, weil es hier zwei so nette Stadtpaläste gibt; beide mit Prunkräumen, deren Deckenfresken aus dem späten 16. Jahrhundert stammen und allerlei exotisches Getier auf nicht unbedingt naturgetreue, aber höchst unterhaltsame Weise darstellen, vor allem die Nashörner sind reizend.

Von Tunja, das drei Stunden Fahrt nördlich von Bogotá liegt, ging es dann per Bus und über Nacht in den Süden nach San Agustín. Hierher hat sich bis vor kurzem kaum jemand her getraut, auch die Kolumbianer und -innen nicht, denn hier war Guerillagebiet. Da half auch nicht, dass die steinernen Figuren, die die Gräber eines indigenen Volkes schmücken, das zwischen 200 v. Chr. und 700 n. Chr. hier gelebt hat und über das man rein gar nichts weiß, Weltkulturerbe sind. Die Skulpturen sind teilweise großartig (besonders eindrucksvoll sind die beiden, die noch ihre Originalbemalung (!!!) behalten haben), teilweise sind sie aber auch seht schlicht. Viele von ihnen haben lange Eckzähne, die sehr an Vampire erinnern (Roby als bekennender Horrorfilmfan ist hingerissen), aber nach Expertenmeinung Jaguarzähne von Schamanen sein sollen. Aber da es wieder einmal keine schriftlichen Quellen gibt, weiß man nichts Genaues.

Was Roby außerdem begeistert: Hier ist alles so gut organisiert und aufbereitet: der archäologische Park inklusive gutem Museum und die in der schönen Gebirgslandschaft verteilten Fundstätten. Das Wandern zu diesen einzelnen Gräbern blieb uns freilich nicht erspart. 13 km über Stock und Stein und durchaus sehr steil waren es heute. Nicht nur die Statuen, sondern auch ein neu entdecktes Gemüse namens Chachafruto, mit dem unsere köstlichen Mittags-Empanadas gefüllt waren, haben uns für die Anstrengung entschädigt.

Hier in San Agustín gibt es übrigens einen Weihnachtsmarkt am Hauptplatz mitsamt Riesenschlitten, Weihnachtsmann und wirklich sehr gelungenen Kunststoffrentieren. Den 24. Dezember werden wir im Bus nach Tierradentro verbringen, was uns dort am Heiligen Abend erwartet, wissen wir noch nicht. Wir wünschen Euch auf jeden Fall fröhliche Weihnachten: Feliz Navidad (so weit reichen die Spanischkenntnisse gerade).

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#kolumbien#tunja#san#agustín