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Einmal über den Atlantik

Veröffentlicht: 18.10.2017

Nach einem knappen Monat auf dem schwarzen Kontinent geht es nun also gen Westen nach Südamerika - genauer gesagt Brasilien. Zwischen mir und weißen Sandstränden, Samba-Musik sowie pulsierender Millionenstädten lagen nur noch lächerliche zehn Stunden in einer South African Airlines Maschine. Im Flugzeug war ich der gefühlt einzige nicht-Südamerikaner oder Asiate. Mein uruguayischer Sitznachbar sollte eine südamerikanische Version Eric Cantonas sein, der mir in gebrochenem Englisch schon ein paar gute Tipps für Uruguay geben konnte. Ich taufte ihn Eric.

Eric versuchte zweimal im Laufe des Fluges Whiskey-Cola ohne Eis zu bestellen. Als er zweimal eine Cola-Dose und ein Becher mit Eis ohne Whiskey bekam, gab er es schließlich auf. So viel zum Bordpersonal, welches es außerdem nicht nur ignorierte, dass mein Vordersitz seine Kopfhörer und eine halbe Kekspackung auf den Boden warf, sondern beides auch noch seelenruhig auf dem Boden verteilte.
Als wir unsere Flughöhe erreichten ging das Licht aus und Fenster sollten hochgezogen werden, sodass man nicht wusste ob gerade die Sonne schien oder gerade die Welt unterging.
Nachdem ich kurz schlafen konnte, widmete ich mich dem Bordprogramm und merkte sofort, dass sich 66C als eine gute Sitzplatzwahl herausstellen sollte.

Denn gut die Hälfte der Insassen um mich herum durften den zehnstündigen Flug über auf schwarze Bildschirme gucken. Glücklicherweise gehörte ich zur anderem Hälfte und konnte Filme mit minütlicher Unterbrechung und einer Bildqualität, wohingegen selbst die halblegalen Internet Streams einem IMAX-Kino gleichen, genießen. Da mein Spotify-Account blöderweise seit Afrika nicht mehr funktionierte, musste ich, um Musik zu hören, ebenfalls auf das bordeigene Entertainment-Programm zurückgreifen. Jenes glänzte mit African Beats, Club House, Classic Suite oder Pop Charts. Leider wurde besagtes Musikprogramm höchstwahrscheinlich zuletzt vor der Jahrtausendwende aktualisiert, sodass ich Musik aus der Jugendzeit meiner Eltern hören durfte. Immerhin war das Essen, abgesehen vom Nudelsalat, wirklich gut. Schließlich muss man sich die Auszeichnung als beste Airline Afrikas, 13 mal in Folge, ja irgendwie auch verdienen.


Wenn man sich die Reise- und Sicherheitstipps des Auswärtigen Amts für Brasilien durchließt, könnte man das Gefühl bekommen, es handele sich hierbei eher um ein Himmelfahrtskommando als ein entspanntes Reiseziel. Auch wenn man sich Reiseberichte anderer durchließt, so sind Raubüberfälle auf offener Straße nicht gerade selten. Deswegen hatte ich bei der Landung auch eher gemischte Gefühle als große Vorfreude. Aber jetzt war ich da. Vom botswanischem Busch und namibischer Wüste nun also die 20 Millionen Metropole Sao Paulo, benannt nach dem Apostel Paulus und mit Abstand größte Stadt Südamerikas.

Vom Flughafen wurde ich mit einem Uber zum Hostel Vila Mariana gebracht und auf der Fahrt konnte ich direkt einige Merkmale Sao Paulo´s und Südamerikas. Denn mein Fahrer, wie übrigens unzählige Uber Fahrer nach ihm auch, sprach kein Wort Englisch. So schwiegen wir uns eine gute Stunde lang an.

Ich kann zwar einige Brocken spanisch aber in Brasilien spricht man bekanntermaßen portugisisch. Die Brasiliener verstehen zwar spanisch, sprechen es aber meistens nicht weswegen die Konversationen häufig eher einseitig verlaufen.

Der Verkehr in Sao Paulo erinnert mich ziemlich an den in Südostasien. So gehören Spurenwechsel scheinbar zum Volkssport und Verkehrsampeln dienen eher der Dekoration.

Sao Paulo ist außerdem eine extren multikulturelle Stadt, was mit dem beginnenden Kaffeeanbau Mitte des 19. Jahrhunderts und der Sklavenbefreiung 1888 zu tun hat. So kamen durch eine gezielte Einwanderungspolitik Anfang des 20. Jahrhunderts, Einwanderer aus unter anderem Italien, Deutschland, Spanien, der Türkei oder Japan nach Sao Paulo und ließen sich in der Stadt nieder. Desweiteren ist Sao Paulo das wichtigste Wirtschafts-, Finanz- und Handelszentrum sowie Verkehrsknotenpunkt Brasiliens.


Ich entschied mich dazu an zwei der drei Free Walking Tours durch Sao Paulo teilzunehmen, welche die wohl wichtigsten und sehenswertensten Seiten Sao Paulo zeigen. Diese Touren basieren rein auf Trinkgeld und sind, durch ihre enthusiastischen und englischsprachigen Guides, wirklich empfehlenswert. Außerdem ist das eine super Möglichkeit um neue Leute kennenzulernen.

Die erste Tour führte mich durch das hippe Viertel Vila Madalena, welches voll mit Urbaner Kunst, Bars und Nachtclubs ist. Es ging los mit einem Hinterhof, der voll mit Kunstwerken der lokalen Künstlerszene ist. Das sprayen von Graffiti ist, im Gegensatz zu Deutschland, in Brasilien erlaubt. Lediglich das tagen von Gangzeichen oder -namen ist verboten. Finde ich persöhnlich richtig, da das was ich zu sehen bekam, in meinen Augen, wirklich Kunst war. Die berühmten und weniger berühmten Künstler haben wir massig Platz um ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. So sind hier Kunstwerke von Ninguem Dorme, Boleta, dessen Markenzeichen die Kolibris sind, und Kobra, der bekannt für seine realistischen Portraits in Kombination mit gemetrischen Figuren ist. Kobra´s Kunstwerke sind überall im Viertel zu sehen. So sind auf einem Garagentor der brasilianische Komponist Tom Ze sowie an einer großen Hauswand der Musiker und Autor Chico Buarque und der 2014 verstorbene Schriftsteller Ariano Suassuna zu sehen.

Weiter ging´s zur berühmten "Batman Alley". Der Spitzname kommt daher, weil in den 80er der DC-Comicheld Batman groß an die Wand gesprayt wurde. Mit der Zeit wurde die Gasse zum Treffpunkt für Sprayer und das Batman-Portrait wurde inzwischen komplett übermalt. Trotzdem sind in der Gasse immernoch überall kline Hinweise auf Batman zu finden.

Außerdem sahen wir noch die bekannten Patapio Treppen und die Aspicuelta Street, Vila Madalenas Ausgehstraße. 2014, anlässlich zur Weltmeisterschaft, fand hier ein riesiges, inoffizielles Fanfest statt. Große Diskussionen über den Ausgang oder das Halbfinale wollte ich hier aber nicht starten.


Nach Beendigung der dreistündigen Walking Tour bei 32 Grad begab ich mich zur Avenida Paulista, der wohl wichtigsten Straße Sao Paulo´s mit unzähligen Wolkenkratzern. Ich machte Halt im Instituto Moreira Salles (IMS) und guckte mir eine halbe Szunde lang "The Clock" von Christian Marclay  an. "The Clock" ist eine 24-stündige Videoinstallation mit Auschnitten aus Filmen, in denen die Zeit zu sehen ist oder selbige gesagt wird. Beispielsweise durch eine Armbanduhr, eine Kirchturmuhr oder eine Wanduhr. Die Zeit im Film gibt nämlich immer auf die Minute genau die exakte Zeit in der Realität an. Alles im Originalton und -sound und so gut zusammengeschnitten, sodass sich daraus beinahe eine eigene Dramaturgie bildet. Aufjedenfall einen Besuch wert und gut, wenn man sich mal spichwörtlich die Zeit vertreiben muss.


Wieder zurück im Hostel merkte ich nachts zum ersten Mal die Vier Stunden Zeitunterschied. So wachte ich um vier Uhr morgens auf und konnte fortan nicht mehr richtig weiterschlafen.


Am nächsten Tag stand die Tour durch die Old Downtown von Sao Paulo an. Wir passierten vom Republica Square aus die City Hall und das Martinelli Building, von wo aus man einen wunderbaren Blick über die Stadt hat. Leider ist die Ausichtsplattform aufgrund eines tödlichen Zwischenfalls aktuell geschlossen. Eine andere Möglichkeit einen Blick auf Brasiliens größte Stadt von oben zu bekommen, ist das Copan Building, welches aber nur zu bestimmten Zeiten zu besichtigen ist.

Außerdem bekamen wir noch das Municipal Theater sowie die Sé Kathedrale zu Gesicht. Alles in allem aber wenig spektakulär, da die Stadt ziemlich heruntergekommen scheint. Aufjedenfall nicht mit westeuropäischen Standards, was Sauberkeit oder Gebäudesanierung angeht, zu vergleichen.


Antworten (1)

Heiko
Hallo emil, der eindruck von sao paulo ist für mich etwas besonderes. 1974 haben wir 10 lichtsignalanlagen nach sao p geliefert. Ich sollte sie installieren. Die ausreise aus der ddr wurde mir jedoch nicht gestattet aus pol. Gründen. Viellei hatte es auch etwas gutes, wenn ich deinem bericht über die verkehrsdisziplin der brasilianer foöge. Weiter gute reise und so aufschlussreiche ausführungen.

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