Veröffentlicht: 22.01.2025



































































Die recht kurze Weiterreise von Santa Ana und der Grenzübertritt nach Guatemala verliefen (bis auf irgendeinen Mokel, der mich beim Geldtausch abziehen wollte) recht reibungslos und nachdem sich der vollgestopfte Chicken Bus schlussendlich durch den katastrophalen Stadtverkehr von Guatemala-City gekämpft hatte, erreichte ich gegen Abend Antigua, wo Colin bereits auf mich wartete. Eingecheckt wurde im Tropicana-Hostel. Hier bin ich vor ein paar Jahren schon mal abgestiegen und das Hostel besticht durch nettes Personal, bequeme Betten und eine Dachterrasse mit wunderbarer Aussicht. Bei guten Wetterbedingungen kann man von hier aus sogar die Eruptionen des Hausvulkanes Fuego sehen, bereits aus der Ferne ein beeindruckendes Schauspiel.
Aber nicht nur die Kulisse ist hier besonders, auch die Stadt Antigua (die einstige Hauptstadt Guatemalas) hat so einiges zu bieten. In einem malerischen Tal gelegen und umgeben von den 3 Vulkanen Acatenango, Agua und Fuego strotzt die Stadt nur so vor kolonialem Charme. Bunte Fassaden, majestätische Kirchen und endlose Kopfsteinpflasterstraßen verleihen Antigua einen echt besonderen Flair mit zahlreichen Bars, Restaurants, Galerien und anderen kulturschaffenden Gewerken zieht sie Stadt jedes Jahr zahlreiche Besucher aus aller Herren Länder an, wahrscheinlich der absolute Touri-Hotspot in Guatemala. Zwar hebt die Beliebtheit und die Nähe zur Hauptstadt das Preisniveau erheblich, dennoch ist es hier einfach unfassbar schön und es lässt sich eine ganze Weile aushalten, auch weil man schier unendliche Optionen für Aktivitäten und Ausflüge ins Umland geboten bekommt.
Nachdem wir die ersten beiden Tage mit Stadtspaziergängen, Billard und Bier in einer der unzähligen Bars der Stadt verbrachten, sollte es am dritten Tag hoch hinaus zu Vulkan Acatenango gehen, einen Trek, den ich bei meinem letzten Besuch in Guatemala bereits einmal gemacht hatte allerdings nicht so recht genießen konnte. Einer der zuvor in Mexico City so zahlreich verzerrten Tacos war wohl nicht so gut und ich musste den Aufstieg damals mit ordentlichen Magenproblemen bewältigen. Zwar hab ich es auf den Gipfel des Acatenango geschafft (immerhin 3.976 m), konnte allerdings die ganze Reise dahin und vor allem die spektakulären Ausbrüche des Nachbarvulkans Fuego nur bedingt genießen. Diesmal sollte es also ohne Einschränkungen den Feuerberg hoch gehen und ich war guter Dinge, dass dies auch so gelingen sollte. Ein kleines Highlight gab es noch am Vorabend des Aufstiegs im Hostel zu bewundern. Während man schon die letzten Tage mit Hinz und Kunz hier ins Gespräch kam, lernten wir auch Wyatt kennen, einen lockeren und recht netten Amerikaner, der ein unfassbar großes Repertoire an Songs auf seiner Gitarre (die er irgendwo in Guatemala erstanden hatte) spielen konnte. Gefühlt jeder Klassiker oder Evergreen wurde von Wyatt ohne mit der Wimper zu zucken auf dem Instrument zum Besten gegeben. Absolut beeindrucken und natürlich ein geiler Stimmungsverstärker, gerade in angenehmen Runden voller neuer Bekanntschaften. An besagtem Abend versammelten sich nun zu späterer Stunde und nach dem ein oder anderen Drink alle verbliebenen Gäste des Tropicana in einer gemütlichen Ecke und Wyatt klampfte einen Song nach dem anderen auf seiner Gitarre. Gesellschaft leistete ihm unter anderem eine ziemlich durchgeknallte Kanadierin und die beiden wurden mit jedem Drink und jedem Song schmusiger und flirtiger miteinander. Ein wunderbar zu beobachtendes Schauspiel, was dann irgendwann darin mündete, dass die Kanadierin eine Tätowiermaschine auspackte und der Gruppe ihre Künste anbot. Skeptisch auf Grund des schon recht angetrunkenen Zustandes der Dame lehnten die meisten Anwesenden sofort ab, Wyatt allerding war von der Idee offenkundig recht angetan und bot seinen Oberschenkel als Fläche für ein Kunstwerk an. Die Dame ließ sich nicht lange bitten und startete Umgehend mit der Malerei. Und ja, was sich danach abspielte war ein absolut köstliches Schauspiel für die unbeteiligten Beobachter. Wyatt saß auf einer Art Gartenbank, spielte auf seiner Gitarre und die Lady verunstaltete sein Bein. Anders kann man es wirklich nicht sagen: keine Ahnung ob es nur an ihrem alkoholisierten Zustand lag aber die Umsetzung und Ausführung war einfach grauenhaft. Gefühlt eine Ewigkeit dauerte es, bis das Motiv auf die Haut gebracht war, die Linien waren krumm und schief und wurden mehrfach übertätowiert. Dauernd rutschte sie mit ihrer Hand ab und mit dem kompletten Unterarm über die frisch gestochene Fläche. Fürchterlich und neben der handwerklichen Umsetzung bin ich mir bis heute nicht ansatzweise im Klaren, was das Motiv eigentlich darstellen soll (ein Foto habe ich zur Einordnung beigefügt). Wyatt ließ die Körperverletzung brav über sich ergehen und das Tattoo wurde immer größer und hässlicher. Glücklicherweise blieb es bei dem einen Motiv und während die beiden nach Fertigstellung der künstlerisch so hochwertigen Arbeit eng umschlungen auf der Bank versanken, so hätte ich wohl zu gern den Gesichtsausdruck von Wyatt am nächsten Morgen gesehen, nachdem sein dann nüchterner Kopf realisierte, was er da von nun an mit sich rumzuschleppen hatte. Haha einfach köstlich und erschreckend zu gleich – aber ja, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nunmal nicht zu sorgen.
Mit einem Grinsen und Kopfschütteln dann ins Bett und am nächsten Morgen nach kurzer Nacht um 07:00 Uhr zum Frühstück und anschließend an den Fuße des Acatenango gefahren, von wo aus sich die Gruppe in Bewegung setzen sollte. 23 Personen fanden sich zum Anstieg ein und ich war kurz etwas erschrocken über die Größe der Gruppe (beim letzten Aufstieg zum Vulkan waren wir gerade mal 11 Personen). Im Endeffekt sollte die Gruppengröße aber kein Problem darstellen, alle waren recht entspannt und wir knüpften schnell neue Kontakte. Vom Start im Tal sollte es bis zum Basislager am Hang des Acatenango über knapp 6 Stunden stetig nach oben gehen. Der Trek ist phasenweise schon recht steil allerdings vom Schwierigkeitsgrad (meiner Meinung nach) absolut machbar. Auch werden recht viele und längere Pausen gemacht und man kommt konditionell nicht wirklich an seine Grenzen. Nach dem Start in einer idyllischen Landschaft aus Feldern und Bauernhöfen wird der Pfad allmählich etwas steiler und schlängelt sich erst durch dichte Kiefern- und dann durch Nebelwälder. Vogelgezwitscher und das Rascheln der Blätter sind ein sehr angenehmer Begleiter und während die Luft mit ansteigender Höhe zunehmen kühler und frischer wird, öffnet sich mit jedem Schritt der Blick etwas mehr und die Baumgrenze gibt schließlich die Aussicht auf die umliegenden Vulkane frei. Also in der Theorie zumindest, in der Praxis ist es heute allerdings recht bewölkt und nur vereinzelt kann man einen Blick ins Tal genießen. Ein Mädel aus unserer Gruppe ist jetzt innerhalb einer Woche das zweite Mal auf dem Weg hinauf zum Acatenango, weil sie einfach beim ersten Aufstieg überhaupt nix gesehen hat und nicht ohne den Blick auf den Fuego aus Guatemala abreisen wollte. Besorgt blickte sie das ein oder andere Mal zum Himmel und ich sagte ihr, dass sie sich keine Sorgen machen sollte, während ich ihr von meiner fast unheimlichen Bande mit dem Wettergott auf meiner Reise berichtete.
Gegen 17 Uhr schließlich erreichten wir das Basislager zum Acatenango, von hier aus hat man auch diesen berühmten Blick auf den feuerspuckenden Fuego – und den hatten wir tatsächlich auch. Zwar war das Wetter noch immer nicht optimal aber in regelmäßigen Abständen riss die Wolkendecke auf und wir hatten freie Sicht auf die Hauptattraktion hier oben. Die Guides wiesen uns einen Platz in der doppelgeschossigen Holzbehausung zu und wir verstauten unser Gepäck. Beim meinem ersten Besuch hier vor 5 Jahren gab es nur sehr wenige provisorische Nachtlager – ich kann mich an 2 oder 3 erinnern. Das ist mittlerweile anders und entlang der Hänge des Acatenango erstrecken sich allerhand Unterkünfte, die von verschiedenen Touranbietern betrieben werden. Fast wie eine kleine Ansiedlung kann man hier in verschiedenen Komfort- und Preisniveaus übernachten. Wir hatten Holzklasse gebucht, war aber völlig ausreichend und mit Isomatte und einem dicken Schlafsack der Szenerie hier am Berg angemessen. Ungefähr 60 Euro muss man für den Trek berappen – alles inklusive – durchaus ein fairer Preis, wie ich finde. Für ca. 18 Euro zusätzlich kann man sich, je nach Wetterlage noch spontan für einen Zusatztreck hinüber zum Fuego entscheiden und man hat die Möglichkeit bis auf wenige hundert Meter an den feuerspuckenden Schlot zu gelangen. Unser Guide erfragte die Gruppe nach Interessenten für den zusätzlichen Marsch und ein Teil der Gruppe entschied sich für die abenteuerliche Variante, den Fuego aus nächster Nähe zu erkunden. Ein klares Ja auch von mir, wenn man einmal hier ist und die Möglichkeit hat, so nah an den Krater eines der aktivsten Vulkane der Erde zu gelangen, so sollte man dies auch machen.
Nach einer kurzen Rast im Camp machte sich nach ca. 20 Minuten eine ungefähr 10-köpfige Gruppe auf zum Fuego, der Rest blieb mit einem der Guides im Camp. Unser Guide verwies vorab auf den recht hohen Schwierigkeitsgrad des Extra-Hikes und darauf, möglichst regenfeste Kleidung mitzunehmen, zwar war es aktuell trocken aber das Wetter am Berg kann erfahrungsgemäß recht schnell umschlagen.
Während der Feuerberg im Hintergrund mit mehreren riesigen Asche- und Rauchfontänen auf sich aufmerksam machte, stiegen wir über einen recht steilen Pfad hinab ins Tal. Teilweise war der Abstieg nur durch konzentriertes Klettern möglich und ich freute mich schon auf den Rückweg selbigen Pfad hinauf und das im dunkeln. Nach ca. 45 Minuten erreichten wir das Tal zwischen beiden Bergen, die Nacht brach an und in der Dämmerung machten sich die Vorboten eines Gewitters bemerkbar. Schon kurz vor dem Erreichen des Tals war der Himmel mehrfach durch die Blitze taghell und es schepperte ordentlich. Wir verharrten für eine kurze Pause in der waldigen Ebene und die Wettersituation verschlechterte sich zunehmend. Während die Abstände zwischen Blitz und Donner anfangs noch recht groß waren, so verkürzten sich die Intervalle zunehmend drastisch und wir hatten wohl das Pech, dass sich der Gewittersturm mittlerweile in unmittelbarer Nähe befand.
Unser Guide vermittelte das Gefühl, dass dies alles noch im Rahmen und ungefährlich sei und wir begannen mit dem finalen Aufstieg. Nach einiger Zeit leuchtete der Himmel in einer Tour und es krachte und knallte im Anschluss in einer Lautstärke, wie ich sie zuvor bei einem Gewitter noch nicht vernommen hatte. Keine Ahnung ob sich das hier um einen Vulkankegel anders gestaltet aber auf jeden Fall wurde die Situation zunehmend furchteinflößender. Mehrere kleine Gruppen kamen uns vom Fuego hinunter entgegen und meinten einstimmig, dass das Wetter oben katastrophal sei und man überhaupt gar nix sieht. Mehrfach holte ich mir exakt dieselbe Information ein und ein Guide, der gerade vom Berg hinunter kam, meinte zu uns, wir sollten das Ganze abbrechen – ein fürchterliches Gewitter tobt oben am Gipfel, es wäre eine zu hohe Elektrizität in der Luft und das ganze Unterfangen bei diesen Bedingungen zu gefährlich. Puhhh – tolle Aussichten und ein absolut unangenehmes Szenario. Ich beriet mich mit den Anderen in unserer Gruppe und da auch unser Guide der Meinung war, dass wir weiter aufsteigen können, entschieden wir uns dazu, den Weg fortzusetzen. Wohl war mir ehrlich gesagt nicht mehr und ich erinnerte mich auch noch an eine Geschichte von meinem letzten Besuch hier: Ein Guide erzählte mir damals, dass es bei diesen Touren auch schon Todesopfer gab und meinen Nachfrage, was die Ursache dafür war, wurde unter anderem mit „Blitzschlag“ beantwortet. Scheiße, dass mir das ausgerechnet jetzt wieder einfiel aber im Sinne der Transparenz teilte ich diese Information mit der Gruppe. Ungläubig stiegen wir langsam weiter den Hang hinauf, es schüttete ordentlich, der Wind bließ uns Staub und Asche ins Gesicht und jedem Blitz und dem ohrenbetäubenden Lärm im Anschluss folgende ein lautes Raunen in der Gruppe – wir befanden uns mitten im Gewitter und es war wirklich furchteinflößend. In dieser Situation wusste ich ehrlich gesagt auch nicht mehr, ob ich dem Guide tatsächlich zu einhundert Prozent vertraute. Und obwohl ich nicht davon ausging, dass er seine Gruppe absichtlich in Gefahr bringen würde, sagte mir mein Gefühl, dass dies hier nicht mehr entspannt ist und die Gesichter und Reaktionen der anderen Exkursionsteilnehmer verstärkten meinen Eindruck noch. Keine Ahnung wie lange wir den Berg hinaufkletterten, durch die äußerst unbehagliche Lage verlor ich das Gefühl für Zeit und Raum und hatte irgendwie nur noch damit zu tun, mir einzubilden, dass nichts passieren würde während die Blitze nicht weit von uns in den umliegenden Hängen einschlugen. Irgendwann erreichten wir den staubigen Boden des Gipfels und während wir uns noch immer in diesem unsäglichen Gewitter befanden, gaben die Wolken hinter uns den Blick hinunter ins Tal frei und man sah die in einiger Entfernung die Lichter von Antigua schimmern. Ein surrealer Anblick dies alles und bis auf die hinter uns liegende Stadt sah man nach vorn überhaupt nichts mehr. In monotonen Schritten ging es weiter voran, in der dichten Wolkendecke nahm man lediglich das Schimmern der Kopflampen wahr während weiterhin in regelmäßigen Abständen die Blitze den kompletten Himmel taghell erleuchteten. Kurzzeitig fragte ich mich, warum ich mir den ganzen Mist hier überhaupt antue und dann wahrscheinlich noch als absolute Luftnummer, weil an einen Blick auf den Fuego, Lava und Feuer war aktuell überhaupt nicht zu denken. Irgendwann meinte unser Guide, dass wir nun erstmal stehen bleiben sollten und die Gruppe versammelte sich und wir starrten gemeinsam ins Nichts, während wir uns in einer Art Galgenhumor über diese bescheuerte Situation lustig machten. Während es weiter fröhlich leuchtete und schepperte, sprang mit einem Mal aus dem Nichts, Colin unter dem Ausstoßen irgendeines Geräusches mit einem weiten Satz den Hang hinunter. „Fuck“ hörte ich es mehrfach schreien und während ich mich lachend (Ja die Aktion kam zu unerwartet und völlig aus dem Nichts, so dass ich tatsächlich einfach nur laut lachen musste) nach dem Wohlbefinden meines Freundes erkundigte, meinte Colin dass er kurz das Gefühl hatte, vom Blitz getroffen zu sein. Ich war komplett verwirrt und Colin meinte, ein Wassertropfen, der sich an seiner Kapuze vor seinem Gesicht befand, begann hell zu leuchten und dies sei wohl ein Anzeichen für einen drohenden Blitzschlag. Keine Ahnung was ich von dieser Aussage halten sollte, das Wohlbefinden steigerte sie auf jeden Fall nicht und während ich weiter in die Wolkendecke starrte, hörte ich aus dem Hintergrund laut mehrfach meinen Namen rufen. Ich drehte mich um und Colin rief mich zu sich und dem Guide heran während er ungläubig die Trekkingstöcke betrachtete, die unser Guide in der Hand hielt. Während er einen der Stöcke nach oben hielt, fing die metallische Spitze tatsächlich an zu leuchten. What the fuck – sowas hatte ich noch nie gesehen und irgendwie war das faszinierend und beängstigend zugleich und ein eindeutiges Zeichen dafür, wie hoch die elektrische Ladung in der Atmosphäre hier oben ist. Wilde Nummer auf jeden Fall und wohl dasselbe Phänomen mit dem leuchtenden Wassertropfen an Colins Kapuze. Ganz unrecht hatte Colin mit seiner Aussage im Übrigen nicht. Das Phänomen nennt sich Elmsfeuer-Erscheinung und ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Umgebung sehr stark elektrisch aufgeladen ist und ein Blitzschlag unmittelbar bevorstehen kann.
Ich hielt es für eine gute Idee, die Wartezeit (auf was auch immer) im Hocken zu verbringen und nach einiger Zeit wurde das Unwetter schwächer und man nahm am Horizont sogar vereinzelt die Umrisse der Aschefontäne wahr. Wir bewegten uns nun nochmal gemeinsam ein paar Hundert Meter an den Gipfel heran und die Wolkendecke wurde nun etwas durchsichtiger. Irgendwann stoppte unser Guide die Gruppe und meinte, dass wir nun bis auf ungefähr 150 Meter am Krater des Fuego herangeschritten wären. Man konnte nun die Umrisse des Gipfelkegels vernehmen, das Gewitter hatte sich verzogen und man nahm nun nur noch aus der Ferne das Leuchten des Himmels wahr. Von nun war die Situation wesentlich entspannter und nach weiteren Minuten des Verweilens riss die komplette Wolkendecke auf und gab einen zunehmend klareren Blick auf den Fuego frei. Ein Wahnsinn – und während etliche Gruppen die Tage zuvor fast gar nichts sahen und auch die Wanderer, die uns entgegenkamen, mit langen Gesichtern wieder abzogen, hatten wir den perfekten Zeitslot erwischt und der Gipfel zeigte sich nun klar und in seiner ganzen Pracht. Minütlich stieß der Fuego mal mehr und mal weniger stark Feuerfontänen in den Himmel und unter lautstarken Staunen rollten die Lavaschwaden die Hänge des Vulkans herunter. Über eine Stunde betrachteten wir dieses surreale Schauspiel und das war eine mehr als angemessene Belohnung für den furchteinflößenden Weg hier hoch. Bei solchen besonderen Naturphänomenen kann man irgendwie gar nicht genug bekommen und bei jeder Eruption staunte man erneut mit offenem Mund über die Kräfte und das Schauspiel was dieser Berg hier oben den Besuchern bot. Und wieder einmal zeigte sich das Wetter gnädig, mittlerweile ist mir das Ganze fast ein bisschen unheimlich aber natürlich kann man einfach nur dankbar sein, wenn es denn immer wieder so passt. Perfekt! Irgendwann setzten wir uns dann wieder in Bewegung, denn der Rückweg musste schließlich auch noch bewältigt werden, und das hieß: den Fuego wieder komplett hinunter und den Acatenango bis zum Basilager wieder nach oben. Anstrengend aber nach dem Anblick hier oben sollte der Weg auf jedem Fall mit einem dicken Grinsen im Gesicht bewältigt werden. Im Tal wurden noch 2 Packungen Marshmallows zur Stärung verteilt und während wir den steilen Anstieg hinauf kletterten, hatten sich die Wolken komplett verzogen und in unserem Rücken konnte man von hier nun aus sicherer Entfernung die ständigen Eruptionen des Fuego beobachten. Immer wieder stoppten wir und schauten zurück zum Feuerberg, der seinem Namen hier alle Ehre verschaffte. Fast 5 Stunden nach Aufbruch erreichten wir einigermaßen erschöpft das Basislager, es war mittlerweile recht kalt und wir bekamen eine leckere Mahlzeit, bestehend aus Huhn, Kartoffeln und Gemüse, während wir uns an einem Lagerfeuer wärmten. Die Nacht blieb klar und während wir uns noch immer nicht an der spektakulären Kulisse im Hintergrund sattsehen konnten, fielen nach und nach die Augen der Teilnehmer zu und man verzog sich in die Hütte. Ich war maximal zufrieden, denn zum Vergleich meines ersten Besuches hier oben und den Magenproblemen, blieb mir diesmal der halbstündige nächtliche Ausflug zu einer als Holzverschlag getarnten Toilette erspart. Und zudem war der erfolgte Ausflug so nah an den Krater des Fuego damals aus mir unbekannten Gründen nicht möglich. Ich saß mit Colin noch eine Weile am Feuer und irgendwann verzogen auch wir uns in das Nachtlager. Zu meiner Überraschung saß ein Hund auf meiner Isomatte und schaute mich mit einem „Bitte scheuch mich nicht nach draußen“-Gesichtsausdruck an. Der Kollege war uns schon die ganze Zeit hier hoch gefolgt und hatte wohl überhaupt keine Lust, die Nacht in der Kälte zu verbringen. Ich ließ die Fellnase gewähren und wir teilten uns die schmale Nische für die Nacht. Zwar stieg ich allein in den Schlafsack aber das Hündchen kroch irgendwann komplett unter die dicke Decke überm Schlafsack und schlief alsbald komfortabel ein. Irgendwann früh am Morgen brach ein Teil der Gruppe zum Gipfel des Acatenango auf. Allerdings ohne mich (und Colin) – mir reichte der Ausflug zum Fuego völlig aus und den Acatenango hatte ich beim letzten Mal schon komplett bestiegen.
Nachdem die Reisegruppe wieder zurück im Camp war, stärkten wir uns mit einem kleinen Frühstück und gegen 8 Uhr ging es zurück ins Tal. Ungefähr 3 Stunden dauerte der entspannte Abstieg und auf dem Weg kamen uns recht viele größere Gruppen entgegen. Zurück auf den engen Pfaden durch die Felder führte das teilweise zu Staus und man musste sich gegenseitig passieren lassen. Keine Ahnung, wieso am Folgetag auf einmal soviele Menschen auf dem Weg zum Gipfel waren aber ich war recht froh, dass sich das bei uns in Grenzen hielt – der Aufmarsch war schon echt extrem hoch. Unten im Tal gab es für die Besteiger des Fuego noch einen Anhänger mit der Abbildung des Feuervulkans als eine Art Medaille – eine schöne Geste, wie ich finde. Hab mich auf jeden Fall gefreut und den gestrigen Tag auf der Rückfahrt vor meinem inneren Auge nochmal Revue passieren lassen. Keine Ahnung ob das, was sich da oben abgespielt hat, einfach nur unfassbar dumm war und wir Glück hatten oder ob das noch kalkulierbares Risiko war – auf jeden Fall ein absolut einmaliges Erlebnis und ich kann nur jedem, der einmal in Guatemala ist, empfehlen, diesen Aufstieg mit auf seine Liste zu stellen – ob mit oder ohne Fuego.
Die nächsten Tage verbrachten wir noch mit schlendern durch die Stadt und über die unzähligen kleinen Kunst- und Krempelmärkte und auf der Dachterrasse unseres Hostels. Außerdem lernte ich hier Anna und Andre kennen, ein Paar aus Australien (Anna stammt ursprünglich aus Madrid) – 2 unfassbar entspannte und coole Zeitgenossen und da die beiden weiter nach Süden reisten, verabredeten wir uns lose für Kolumbien in ein paar Wochen. Fußball wurde in Antigua natürlich auch noch geschaut und beim örtlichen Erstligisten war ordentlich Feuer in der Bude und eine kleinen Barra sorgte für einen guten Support.
Bevor es dann für mich zurück nach Quito gehen sollte, gab es noch ein paar Abschiedsbierchen in einer urigen Bar mit Colin, Andre, Anna und all den anderen netten Gestalten, die man hier wieder so kennengelernt hatte. Schön wars auf jeden Fall – mein zweiter Aufenthalt in Antigua de Guatemala. Ob ich nochmal hierher zurückkommen werde, weiß ich nicht – dieses entspannte Städtchen mit seinen kolossalen Vulkanen und dem Naturschauspiel hat aber auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck in meinen Erinnerungen hinterlassen. Es gibt Orte auf der Erde, die sind einfach einmalig und dieser hier gehört auf jeden Fall mit in diese Riege.
