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Grenze entlang Seen, Elbe und Grünem Band

Veröffentlicht: 20.06.2022

Nach der belebten Ostseeküste mit den zahlreichen Hansestädten und touristisch interessanten Orten geht es nun vornehmlich Richtung Süden, entlang der 1377 km langen ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, die für so viele Schicksal spielte und auch Todesstreifen bedeutete. Wir wollen uns auf der weiteren Reise durch wenig besiedelte Gebiete Zeit nehmen für die Besonderheit dieser Grenze, für das Leben damit in Ost und West und für besondere Einzelschicksale, die einem auch heute noch den Atem rauben und unverständlich sind. 

Wolf Biermann hat das Besondere dieser Grenze in seinem ersten Lied nach der Ausbürgerung 1976 sehr treffend beschrieben:

Und als ich von Deutschland nach Deutschland gekommen bin in das Exil

Da hat sich für mich geändert so wenig und ach so viel 

Ich hab ihn am eigenen Leibe gemacht den brutalen Test

Freiwillig von Westen nach Osten, gezwungen von Ost nach West

Tag 10 - 15. Juni: Lübeck - Ratzeburg - Schlagsdorf - Zarrentin - Büchen 100 km —> die ersten 1000 km sind geschafft!!

Da die Nacht kalt und feucht war, lassen wir uns am Morgen Zeit, damit wir das Zelt trocken einpacken können. In Lübeck besuchen wir noch den Dom, der in der Bombennacht 1942 als Reaktion der Briten auf die Angriffe der Nazis in England angegriffen und größtenteils zerstört wurde. Eindrückliche Fotos zeigen wie die beiden Türme einstürzen. Bewundernswert mit welchem Einsatz und Aufwand die riesige Kirche in den Nachkriegsjahren wieder aufgebaut wurde. 

Es geht südlich aus der Stadt Richtung Ratzeburg und Ratzeburger See. Dort ist der von Karl Adam gegründete Ratzeburger Ruderclub beheimatet. Wir erinnern uns an die legendären Olympiasiege des Deutschlandachters 1960 in Rom und 1968 in Mexiko–City unter der Leitung des legendären Trainers, der selbst nie gerudert hatte. 

In der Nähe des Sees treffen wir auf das erste Zeichen für den EuroVelo 13 und sind ganz euphorisch. Doch wenig später ist es mit der Freude vorbei, es wird immer schwieriger, den richtigen Weg zu finden. Vor Schlagsdorf überqueren wir erstmals die ehemalige deutsch-deutsche Grenze und fahren zum Grenzhus, wo wir eine umfassende Darstellung der Geschichte der deutsch-deutschen Teilung bekommen. Etwas außerhalb, in Nähe des früheren Grenzzauns wurde auf einem Freigelände ein Abschnitt der DDR-Grenzanlagen mit Originalteilen rekonstruiert: Metallgitterzaun, Sperrgraben, Beobachtungsbunker, Wachtürme und Betonsperrmauer. Welch ein unmenschlicher Aufwand, um die Menschen an der Ausreise zu hindern. 

Durch das menschenleere Biosphärenreservat Schaalsee fahren wir nach Zarrentin. Unterwegs kommen wir am Gedenkstein für Harry Weltzin vorbei, der 1983 durch eine Selbstschussanlage 50 m vor der Grenze getötet wurde. Später kurz vor Büchen kommen wir am Grenzkreuz für Michael Gartenschläger vorbei. Die Inschrift lautet: Er rüttelte am Gewissen der freien Welt. Gartenschläger hatte im März eine der Selbstschussminen SM-70 demontiert, über die der Spiegel berichtete. Die Veröffentlichung der Tatsachen löste aber keine große Empörung aus, so dass zwei weitere Selbstschussminen demontierte und eine davon vor der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn installieren wollte. Bei der Demontage wurde Gartenschläger vom Sondereinsatzkommando des MfS erschossen. 

Von Zarrentin radeln wir auf Nebenstraßen bis Büchen, wo wir unser Zelt für die Nacht aufschlagen. Im Waschraum treffe ich einen ehemaligen NVA-Soldaten, der sich freut, dass wir Schlagsdorf besucht haben. Er war 22 Jahre lang damit beschäftigt als gelernter Bagger- und Raupenfahrer die Grenzzäune aufzubauen und die Kolonnenwege zu pflastern. Er hat damit kein Problem, kam er doch dadurch in den Genuss einer schönen Wohnung im Grenzgebiet. Nach der Wende zog er mit  Familie nach Hamburg und arbeitete als Lkw-Fahrer.

Am Abend stoßen wir beim Griechen auf unsere ersten 1000 km an. 

Tag 11 - 16. Juni: Büchen - Lauenburg - Bleckede - Dömitz - Gorleben - Laascher See (Camping) 120 km

Am Morgen fahren wir den Elbe-Lübeck-Kanal entlang bis Lauenburg, wo wir die Elbe und den Elbe-Radweg erreichen. Der Kanal wurde in früheren Zeiten für den Salztransport aus der Salinenstadt Lauenburg nach Lüneburg genutzt und 1900 weiter ausgebaut. Lauenburg haben wir bei einer Radtour vor zwei Jahren von der anderen Elbeseite gesehen, und so nutzen wir nun die Gelegenheit und machen einen Abstecher in die Altstadt. Auf dem Weg nach Boizenburg machen wir kurz Halt am Elbbergmuseum und dem Mahnmal zum Gedenken an die 400 Frauen und Männer des Außenlagers des KZ Neuengamme, die auf dem Elbberg Opfer des Faschismus wurden. Hinter Boizenburg auf dem Deich treffen wir auf einen Grenzturm, der nach der Wiedervereinigung zum Vogelturm für Falke und Schleiereule wurde. Eine sehr schöne Veränderung!

Bei Bleckede wechseln wir mit der Fähre auf die linkselbische Seite und radeln weiter bis Neu-Darchow. Mit der nächsten Fähre geht es wieder auf die andere Seite. Die Elbe war zwischen Lauenburg auf 94 km innerdeutsche Grenze, das Ufer war Grenzgebiet, das im Osten niemand betreten durfte.

Wir fahren auf dem Damm, der nach der verheerenden Elbeflut 2002 erhöht und verstärkt wurde. Kurz vor Dömitz kommen wir am Gedenkstein für die Dorfrepublik Rüterberg vorbei. Das Dorf an der Elbe war durch Grenzzäume rundherum zur Exklave geworden, und die Bewohner konnten den Ort nur nach einer Kontrolle betreten oder verlassen. Als der Grenzzaun nochmals verstärkt wurde, versammelten sich die Einwohner nach dem Vorbild der Schweizer Dorfversammlungen und beschlossen, sich eigene Gesetze zu schaffen. Einstimmig sprach sich die Versammlung für die Dorfrepublik Rüterberg aus. Der Zufall der Geschichte wollte es, dass bereits am nächsten Abend die Berliner Mauer geöffnet wurde. 

In Dömitz wechseln wir wieder auf die andere Elbseite und kommen durch Gorleben. Auch dort gab es eine „Freie Republik“, um das geplante Endlager zu verhindern. Heute ist Gorleben ein idyllischer Ort im Wendland. Kurz darauf erreichen wir unseren Campingplatz am Laascher See. Beim Zeltaufbau bricht uns eine Stange. Mit den zwei verbleibenden Stangen und Spannseilen können wir das Zelt noch so aufbauen, dass es  gut steht. 

Tag 12 - 17. Juni: Gartow - Arendsee - Wustrow - Brome 120 km

Wir radeln am Gartower See entlang und anschließend Richtung Arendsee. Dort können wir uns am Radweg Grünes Band Deutschland orientieren. Dank des Weihnachtsgeschenks meiner Kollegin Miriam haben wir viele Geschichten zum Grünen Band gelesen, die wir nun mit uns tragen. Wir bleiben nördlich von Salzwedel immer nahe oder auf der deutsch-deutschen Grenze und erreichen kurz nach dem Mittag Wustrow, wo wir bei sommerlichen Temperaturen eine Pause einlegen. Kurz vor Wustrow haben wir den Gedenkstein für Hans-Friedrich Franck passiert, der bei einem Fluchtversuch die Selbstschussanlage SM-70 auslöste, dann auf bundesdeutscher Seite schnell ärztliche Behandlung bekam, aber an den Folgen der Sprengkörper starb. 

Man könnte den Tag auch kurz zusammenfassen: viele Weizenfelder, Karoffeläcker, Windräder und ansonsten kleine Dörfer. Also radeln wir durch die Einsamkeit und Eintönigkeit nach Diesdorf, wo es immerhin eine Gelateria gibt. Kurz hinter Brome übernachten wir im Hotel und genießen das Spargelbuffet und Weißwein. 

Tag 13 - 18. Juni: Brome - Oebisfelde - Marienborn - Schöningen - Hornburg 120 km

Es ist der bisher heißeste Tag unserer Tour, und wir sind häufig auf der Suche nach dem richtigen Weg. Doch das ist nichts Neues, für den deutsch-deutschen Grenzweg interessiert sich kaum jemand. Auch das Navi will uns immer wieder anders führen. So verlieren wir oft Zeit, um nach dem richtigen Weg zu suchen. 

Unweit unserer Unterkunft gibt es einen Grenzlehrpfad, der die Entwicklung der Grenzanlagen eindrücklich dokumentiert. Die beiden Dörfer Böxkwitz und Zickerie waren durch die Grenzsicherung seit 1952 getrennt. 

Wir sind jetzt im VW-Land, ist doch Wolfsburg nur 15-20 km entfernt. Wir bleiben aber im Grenzgebiet, fahren auf der östlichen Seite über Öbischfelde und Weferlingen nach Morsleben. Dort war das Atommüllendlager der DDR, das nach harten Auseinandersetzungen 1997 stillgelegt wurde. Von dort ist es nicht mehr weit bis Marienborn, wo seit 1949 der Kontrollpassierpunkt für Fahrten nach West-Berlin war. Nach dem Bau der Berliner Mauer entwickelte sich die Grenzübergangsstelle Marienborn zum wichtigsten Nadelöhr zwischen den beiden deutschen Staaten. Heute ist es eine Gedenkstätte, ein Ort, wo „Deutsche Deutschen ihre Biografie erzählen“, so der damalige Bundespräsident Herzog bei einem Besuch. 

Wieder geht es vorbei an Weizenfeldern und Kartoffeläckern durch kleine Ortschaften. Bei Schöningen kommen wir am Braunkohletagbau vorbei, eine riesige, tiefe Halde weist auf den jahrelangen Abbau hin, der inzwischen eingestellt ist. Bis zu unserem Ziel ´Hornburg´ ist es noch ein gutes Stück, das uns bei den vielen knackigen Steigungen alles abverlangt. Im Stadtbad dürfen wir unser Zelt aufstellen und noch ein abendliches Bad nehmen. 

Antworten (1)

Lothar
Sagenhaft , Eure Schilderungen , als ob man live dabei wäre …..: