DoHaRad‘nRoll
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Harz, Werra und Point Alpha

Veröffentlicht: 24.06.2022

Tag 14 - 19. Juni: Hornburg - Ilsenburg - Drei Annen - Elend - Sorge - Hohengeiß - Walkenried - Duderstadt 110 km

Hammerharte Tour über die nicht enden wollenden Höhen des Harzes entlang der Grenze zu Thüringen, die im weiteren Verlauf die beiden deutschen Staaten auf 700 km trennte.

Am Morgen konnten wir die knapp 30 km bis Ilsenburg zum Einrollen nutzen und zur Besichtigung des Mahnmals " Eiserner Vorhang". Danach verlangten uns die Steigungen auf geschotterten Waldwegen oder Kolonnenwege mit dem Betonpflaster alles ab. Ich war vor zwei Jahren mit Harz 5 (unserer Fahrradgruppe) schon im Harz und habe schon damals festgestellt, dass der Harz nicht fahrradfreundlich ist. Dies war nun mit den Trekkingrädern und dem Gepäck noch deutlicher. Wir quâlten uns den steilen Anstieg zur Plessenburg hoch und dann weiter zum Bahnhof Drei Annen, wo die Harzer Schmalspurbahn Halt macht auf dem Weg zum Brocken. Auf holprigen Waldwegen erreichen wir Elend und kommen auf einer Nebenstraße nach Sorge. Uns bereitet große Sorge, ob wir bei diesen Bedingungen (Hitze und Steigungen) das Tagesziel Duderstadt überhaupt erreichen, denn dort haben wir bereits ein Hotel gebucht. Kurz hinter Sorge kommen wir auf dem Kolonnenwege mit den Lochplatten an einem.Grenzzaun vorbei und müssen alles geben, um.den Anstieg radelnd zu bewältigen. Als wir oben ankommen, treibt uns der Anblick die Tränen in die Augen - es geht steil bergab und auf der anderen Seite noch steiler bergauf. Wir müssen beide unseren Frust laut hinausschreien..Es hilft alles nichts, im Kampf mit den eigenen Kräften und den Mücken schieben wir die schweren Räder Richtung Hohegeiß. Kurz vor dem Ort passieren wir den Gedenkstein für Helmut.Kleinert, 1963 im.Alter von 24 Jahren bei einem.Fluchtversuch im.Kugelhagel.von.60 Kugeln erschossen. Es geht nun bis Zorge lange bergab, was richtig gut tut. Bis Walkenried ist es nicht mehr weit, doch danach folgt ein knackiger Anstieg dem anderen. Wir sind froh, als wir gegen 19.30 Uhr die sehr schöne Altstadt von Duderstadt erreichen. Das mittelalterliche Stadtbild wird geprägt von 600 Fachwerkhäusern verschiedener Stilepochen. Besonders sehenswert ist das historische Rathaus der Stadt.

Tag 15 - 20. Juni: Duderstadt - Arenshausen - Bad Sooden-Allensdorf - Eschwege - Probsteizella 105 km

In der Nacht gab es heftige Gewitter und am Morgen regnet es. Wir lassen uns Zeit beim Frühstück und fahren dann zum Grenzlandmuseum Eichsfeld, das heute aber geschlossen hat. Unweit vom Museum fährt man auf dem Kolonnenweg direkt zwischen den original erhaltenen Grenzzäunen, die hier mit Strom versehen waren und bei Annäherung Alarmtöne und -signale auslösten. Irgendwie beklemmend. In den 1980-er wurden.die Signale nur noch im Grenzturm empfangen, was dazu führte, dass es fast keine Fluchtversuche mehr gab. Wenn ein Bauer zur Arbeit auf den  Feldern im Sperrbereich kam, benötigte er einen Passierschein und wurde dann von zwei Grenzbeamten begleitet. Wenig später kommen wir durch Böseckendorf, das 1961 Schlagzeilen in der Weltpresse machte. Das Dorf sollte wie so viele im Grenzbereich evakuiert werden. Daraufhin beschlossen die Einwohner zu fliehen was ihnen gemeinsam gelang. Mit Unterstützung von Bund und Land Niedersachsen wurde es ermöglicht, dass sie als Gemeinschaft zusammenbleiben können. So entstand der Ort Neuböseneckdorf.

Über kleine Dörfer im Niemandsland mit vielen knackigen Steigungen erreichen wir gegen 14 Uhr Arenshausen. Nach einer kurzen Pause nehmen wir den letzten Anstieg in Angriff, um von der Leine ins Werratal zu gelangen. Nun wird es wieder gemütlicher, denn bis zum Abend rollen wir das Tal nur leicht nach oben, ein paar Kilometer mehr als geplant, damit es mit dem Treffen mit unserem Überraschungsgast auch sicher klappt. Point Alpha ist das Ziel!

Tag 16 - 21. Juni: Probsteizella - Herleshausen - Gerstungen - Philippsthal - Point Alpha - Tann 105 km

Am Morgen geht es immer der Werra entlang nach Creuzberg. Dort überqueren wir die Werra über die Liboriusbrücke mit Kapelle, die älteste Sandsteinbrücke nördlich der Donau. Bei Herleshausen treffen wir wieder auf die ehemalige Grenze. Wir halten am WerraGrenzpark an, einem Museum im Freien, das am nächsten Tag eröffnet werden soll. Der Mitinitiator Klaus Gogler ist gerade vor Ort, er kennt den EuroVelo 13 gut und ist überrascht, dass wir tatsächlich in Kirkenes gestartet sind. Er wollte das auch machen, hatte aber Bedenken wegen den Distanzen und den eingeschränkten Möglichkeiten zur Übernachtung. Er macht für uns eine SonderFührung. Wartha-Herleshausen war einer der wenigen Grenzübergänge, die mit dem Auto passiert werden konnten. Hier fand der Austausch von Gefangenen statt. Es gibt eine Infotafel mit einem Foto, das zwei Busse mit Gefangenen zeigt, die zur Grenze fahren. Dahinter folgt der DDR-Anwalt Wolfgang Vogel, der den Austausch organisierte und dafür insgesamt einen Millionenbetrag von der BRD kassierte. 1981 wurde hier auch Günter Guillaume ausgetauscht, der jahrelang im Kanzleramt Willy Brandt bespitzelt hatte. Interessant ist bei diesem Grenzpark die letzte Tafel, die aufzeigt, dass es heute trotz des Falls des Eisernen Vorhangs wieder mehr geschlossene Grenzen und Diktaturen gibt. Tendenz zunehmend! Wir alle sollten dankbar sein, dass wir in einem freiheitlichen Land leben und uns für das Friedensprojekt Europa einsetzen. 

Über Gerstungen erreichen wir Heringen und Philippsthal, wo die 200 m hochragenden Kaliberge das Landschaftsbild bestimmen. Sie sind das Ergebnis des Kaliabbaus hier in der Rhön und bestehen aus den nicht verwertbaren Resten. Ein riesiges ökologisches Problem. 

Wir fahren weiter nach Vacha, wo wir die Brücke der Einheit die Werra überqueren. Die Brücke gehörte zum Territorium der DDR und war Teil der Grenzsperrungsanlagen. Nach der Öffnung wurde sie zum Sinnbild der deutschen Teilung und der deutschen Einheit. An einem Ende der Brücke befindet sich das Haus Hoßfeld, in dem viele Jahre auf hessischem Gebiet die Rhön-Zeitung gedruckt wurde. Durch eine Erweiterung standen die Druckmaschinen auf thüringischem Gebiet und es bestand die Gefahr der Enteignung. Die Eigentümer brachten die Maschinen auf hessische Seite und mauerten die Verbindungstür zu. Der Zugang zum thüringischen Teil war verboten. Durch Grundlagenvertrag und neue Vermessung konnte Familie Hoßfeld ab 1976 alle Räume wieder benutzen. 

Nun müssen wir uns etwas beeilen, denn gegen 17 Uhr haben wir ein Treffen bei Point Alpha vereinbart. Dies war von 1948 bis zur Grenzöffnung eine der wichtigsten Beobachtungsstationen der US-Streitkräfte  in Europa am westlichsten Punkt der DDR. Man sieht und spürt dort die direkte Konfrontation der Systeme. Um dorthin zu gelangen, müssen wir auf Schotter steil hoch. Als wir oben ankommen, ist unser Freund Lothar gerade ins Tal gefahren. Er ist mit 9-Euro-Ticket über Frankfurt mit Bahn und Rad bis Point Alpha gefahren, um uns zwei Tage zu begleiten. Eine saustarke Aktion! Er radelt also nochmals hoch, und wir freuen uns alle sehr über das Treffen und genießen gemeinsam den Ausblick von der Höhe. Dann fahren wir zu unserer Unterkunft an der Ulsterbrücke und begießen das ungewöhnliche Treffen. 











Antworten (2)

Lothar
Sinn,Un- oder Wahnsinn ___________________________ Eigentlich wollte ich einen Bericht zum DoHa Rad`n Roll 2022 anlässlich meiner 2-etappichen Begleitung der beiden Protagonisten hinzufügen. Die dabei so mannigfachen Eindrücke in dieser "unwirklichen Welt" in Worte zu fassen,fällt schwer . Daher stichwortartig nur ein paar unsortierte Gedanken: "WIR HABEN UNS GEFREUT" am Point Alpha uns aus West und Ost kommend,treffen zu können/dürfen "WIR HABEN GEWEINT" in Billwuthausen, ein Dorf , das wie Gruorn auf unserer Alb von Menschen (!?) plattgemacht,fachmännisch heisst das "gestreift" wurde. Es stand zu nahe an der Grenze . "WIR HABEN GENOSSEN" die Pizza , innovativ belegt mit Spargel und Bechamelsosse in Günthers, ein "schwer erreichbarer" Ortsteil der Stadt Tann. "WIR WAREN VERZEIFELT" auf der Strecke von 50 km keinen Laden bzw. eine geöffnete Gaststätte zu finden , um uns von unserem Verpflegungsast zu befreien. "ICH HABE GELITTEN" als ich Haralds LKW nur ca. 50 Meter an einem 16-Prozenter probehalber zwischen den Beinen hatte. "ICH HABE MICH GESCHÄMT" mit einem 8kg-Rad und 3kg-Rucksack bequem üder das AufundAb der Rhön zu radeln. "ICH HABE BEWUNDERT" mit welcher Konsequenz und Disziplin die beiden sich täglich motivieren. Es waren Tag 17+18 ohne Ruhetag . "ICH WAR BEGEISTERT" wie Bergfloh Dominique am Berg dominierte und wie unser ach so ultraerfahrene Riemenhary zum Ende des Tages es richtig laufen liess. Fazit: Eine Tour , die einen genauso emotional wie konditionell fordert. "GROSSER SPORT" die gewichtsbezogene ( +19 bzw. +22kg) Leistung WATT pro KILOGRAMM erreicht radsportliche Spitzenwerte und meinen allerhöchsten Respekt. Danke dem 9Euro-Ticket und natürlich DoHa , dass ich 2 Tage und (lächerliche) 200 km auf dem EuroVelo 13 dabei sein durfte.

Harald
Danke, dass du uns begleitet hast! Es war sehr motivierend (Dominique )