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Tag 147+ - Nach dem Trip ist vor dem Trip

Veröffentlicht: 29.03.2019

Man sollte das Endezuerst schreiben. Immer. Man sollte damit anfangen zu leben und seinLeben so gestalten, dass man eines Tages – hoffentlich bald –aufwacht und tief in seinem Inneren spürt, dass es für einen selbstin Ordnung wäre, wenn man an diesem Tag sterben würde. Nicht etwa,weil man sterben wollte, sondern weil man einen Punkt erreicht hätte,an dem man ohne Bedauern sterben könnte. [..]

Entweder wir schreibenden Schluss, den wir uns wünschen und gestalten unser Leben so, dasswir dieses Ziel erreichen, oder wie leben die Geschichte einesanderen und erleben dann ein Ende, das im Vergleich zu dem Schluss,den wir für uns selbst geschrieben hätten, ein blasser Abglanzist.. So einfach ist es.“


- John Strelecky, TheBig Five for Life


Slowenien als wir noch wirklich vorsichtig mit der Standplatzsuche waren.." >
Irgendwo am Straßenrand in Slowenien, als wir noch wirklich vorsichtig mit der Standplatzsuche waren..


In einer unsererReiselektüren stolperten wir zufällig über diesen Absatz von JohnStrelecky und auch, wenn wir ihn erst später lesen sollten, so fassendiese paar Sätze doch sehr gut zusammen, was uns dazu bewogen hat,unser alltägliches Leben für ein paar Monate zu „pausieren“ undloszufahren. Diese Entscheidung hat uns Geld, Zeit, Schweiß, Nervenund Mut gekostet. Aber das war es mehr als wert.

Das Leben im Vankonzentriert sich auf andere Dinge als das alltägliche. Wasser istauf einmal eine endliche Ressource, Internet gibt es nicht überallund dank begrenztem Stauraum lässt man einen Großteil seinerBesitztümer zurück. Das Verrückte ist, wir haben diese Dinge nichtvermisst. Versteht mich nicht falsch, es ist schön, wieder warmduschen zu können. Trotzdem hat das etwas minimalistischere Lebenunterwegs seine Spuren hinterlassen und wirkt sich bereits jetzt aufunseren Alltag zurück Zuhause aus. Tatsächlich haben wir unabhängigvon einander begonnen, unnütze Dinge auszusortieren und unsvorgenommen, auch hier unsere Freizeit lieber mit Lesen oder Schachspielen zu verbringen als am Handy. Lustig, dass wir erst begonnenhaben, unsere Zeit sinnvoller zu nutzen als wir auf einmal so vieldavon hatten. 

Es war nicht immer alles einfach unterwegs, wir hatten Pannen, Probleme mit der Elektrik, Rückschläge, Planänderungen, Zusammenstöße mit der Polizei. Aber was wäre ein Abenteuer ohne Herausforderungen? Die schönen Momente überwiegen definitiv.

Seit wir wiederzurück sind, wurde ich unzählige Male gefragt, wo es uns am besten gefallen hat. Die erste Antwort darauf ist immer diegleiche: ich kann mich unmöglich für einen Ort entscheiden. Dieehrliche ist eine andere. Je länger ich darüber nachdenke, destomehr glaube ich, der schönste Ort auf unserer Reise war unser Bus,unser Zuhause. Auch wenn das technisch gesehen natürlich immer ananderen Orten stand.


Der beste (und rudimentärste) Campingplatz ganz Kroatiens

Begonnen hat unsereTour in Österreich, wo wir Weltklasse Boulderinnen beimWorldcup-Finale in Innsbruck anfeuerten, zum ersten (und sicher nichtzum letzten Mal) im Zillertal kletterten und auf den Spuren Sissis inWien wandelten.

Danach verbrachtenwir drei Wochen in Slowenien, ein Land, das definitiv zu meinenHighlights zählt. Dank der abwechslungsreichen Landschaft auf eherkleinem Raum gab es hier einfach keinen Ort, an dem es nicht schönwar. Wir besuchten die großen Seen Bled und Bohinj, haben JansRespekt vor tiefem Wasser beim Canyoning konfrontationstherapiert,standen vor zig Wasserfällen und immer und immer wieder in denBergen – und klettern konnte man auch, was will man mehr.

In Kroatienerkundeten wir Istriens Klettergebiete, trotzten der prallenOktobersonne und gefährlichen Wildtieren und gaben einem Kätzchenein temporäres Zuhause.

Mit der Fähre ginges ab nach Griechenland, wo wir unglaubliche drei Monate verbrachten,zwei davon allein in Leonidio und Umgebung. Es ist unmöglich, in einpaar Sätze zu packen, was wir in diesem Land alles erlebten. Wirbesuchten historische Stätten wie die Athener Akropolis und dasOrakel von Delphi, waren im Dezember im Meer baden und allein an denschönsten Stränden. Wir besichtigten die Klöster in Meteora mitihrer unglaublichen Atmosphäre und kletterten unsere erstengemeinsamen Mehrseillängen. Wir haben so viele tolle Menschenkennengelernt, Reisende, Kletterer und Einheimische. Wir blieben aufdem Olymp im Schnee stecken und tranken Raki mit Olivenbauern aufKreta. Wir fuhren kreuz und quer durch ganz Griechenland und haben soviel erlebt und trotzdem fühlt es sich nicht so an, als hätten wirauch nur ansatzweise alles gesehen, was Land, Leute und Felsen zubieten haben. Und das ist gut so, denn welchen Grund hätten wirsonst, zurückzukommen?


Jan in "Mr. Nice" in Leonidio (La maison des chèvres)


Naja, außerKlettern vielleicht. Zwei Monate waren wir in Leonidio und konntentrotzdem nur einen Bruchteil der Touren dort klettern, so viele gibtes – und noch so viel mehr Potential! Es war ein riesiges Privileg,so lange der Halle zu entkommen und der für uns schönsten undusprünglichsten Form des Kletterns nachzugehen. Denn es ist derFels, der das Klettern so vielfältig macht und für immer neuementale und sportliche Herausforderungen sorgt.

Ein fünfmonatigerKlettertrip hat meine Beziehung zum Klettern defintiv verändert.Normalerweise schafft man es ja doch nur eine begrenzte Anzahl vonTagen am Fels zu verbringen und damit einher geht ein gewisser Druck,aus diesen das Beste herauszuholen. Man will Spaß haben, man willMeter machen und am liebsten natürlich erfolgreich sein. Und das istja auch alles erstrebenswert, aber manchmal vergesse ich darüber,was ich eigentlich an dieser Sportart liebe und noch viel schlimmer,ich vergesse Spaß zu haben. Als der Zeitdruck weggefallen ist, fieles mir viel leichter, im Blick zu behalten, worauf ich eigentlichLust habe und was mir am Klettern wichtig ist. An manchen Tagen istdas vielleicht der 137. Versuch eine bestimmte Stelle zu lösen, ananderen möchte ich lieber zehn leichte Touren machen und an wiederanderen womöglich gar nicht klettern, sondern nur fotografieren undam Fels abhängen. Es ist toll, eine schwere Route zu schaffen odersogar einen neuen Grad zu erreichen, aber viel wichtiger ist es fürmich, schöne Touren zu klettern und dabei zufrieden zu sein –unabhängig von Schwierigkeitsgraden. Und Überraschung, je mehr Spaßich hatte, desto schwerer konnte ich klettern.


Parallel-Klettern im Sektor Dornröschen, Leonidio.


Wir sind glücklich,dass wir beide unsere persönlichen Ziele für den Trip erreichthaben. Nicht nur, dass Jan, die Maschine, seine erste 8a und ichmeine erste 7a klettern konnte, wir vertrauen uns noch mehr als zuvor und haben technisch und mentale Fortschritte gemacht (- Hakenüberklettern gehört in Leonidio ja quasi zum guten Ton).

Klettern ist einriesiger Teil unseres (gemeinsamen) Lebens geworden, mit allem wasdazugehört. Wir wollen noch so viele Länder und ihre Klettergebietebereisen, haben uns aber auch vorgenommen, anderen Arten desKletterns mehr Raum zu geben. Für unsere nächsten zwei Urlaubehaben wir Bouldertrips geplant, in Griechenland kletterten wir unsereersten gemeinsamen Mehrseillängen und wer weiß, ob wir uns nichtbald im Trad- oder Eisklettern probieren.

Wir sind motiviertund haben uns für 2019 neue Ziele gesteckt, für die es zutrainieren gilt. Doch auch wenn sie nicht erreichen sollten, dieFreude am Klettern werden wir uns nicht so schnell nehmen lassen.Oder um es mit den Worten von Profi Jernej Kruder aus dem „Bin wegbouldern“-Podcast zu sagen, der uns einige lange Fahrten verkürzthat:


There's just oneclimbing goal: I want to stay in climbing until I die.“ - JernejKruder


Anni erweitert ihre Komfortzone beim Rissklettern auf Kreta.
 

Aber auch derlängste Kletterurlaub ist eines Tages zu Ende. Die Rückkehr nachDeutschland ging dann auf ein Mal ganz schnell: zwei Tage auf derFähre, einen Tag Auto fahren, einen Tag ausräumen. Und plötzlichsteckt man wieder im Alltag und die große Reise ist Vergangenheit.

Was bleibt sindmassenhaft Erinnerungen, tausende Bilder und natürlich unsergeliebtes Gretchen. Vor der Reise ist nach der Reise und wir werdendefinitiv weiter an Ausbau und Ausrüstung feilen. Wir wissen jetzt,dass die Teekanne, die wir nie benutzt haben, nächstes Mal Zuhausebleiben kann, Wärmflaschen und Badelatschen aber Pflicht sind. Wirwerden hoffentlich endlich die Probleme mit unserem Ladebooster unddamit der Elektrizität in den Griff bekommen und kleinereReparaturen an unseren Möbeln durchführen. Ein Van ist (zum Glück?)nie ganz fertig.


Standplatzsuche 2.0


Wenn ich das so schreibe, kann ichimmer noch nicht fassen, dass fünf Monate reisen einfach so um seinsollen und es ist schwer zu akzeptieren, dass wir vorerst nicht mehrjeden Tag nebeneinander einschlafen und aufwachen werden.

Zum Glück haben wir unser Gretchen undwerden mit ihr dem Alltag so oft es geht entfliehen und neueAbenteuer erleben, wenn auch erstmal nicht mehr für mehrere Monateam Stück. Nach dem Trip ist vor dem Trip und ich bin guter Dinge,dass es uns auch ohne Leben im Van gemeinsam nie langweilig werdenwird. Denn mein größtes Abenteuer bist du, Jan.


Zielloses Wandern und romantische Fotos im Triglav Nationalpark 


Das war er, der letzte Blogeintrag zuunserem Trip. Ich danke euch Verrückten, die tatsächlich bis hierher mitgelesen haben, für euer Interesse. Wer weiß, worüber es inZukunft noch zu berichten gilt? Ihr seid garantiert die Ersten, diees erfahren werden.


Bis dahin,

travel on!



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