diegretchenfragen
diegretchenfragen
vakantio.de/diegretchenfragen

Tag 140-146 - Prokrastination Level 9000

Veröffentlicht: 01.03.2019

Ich muss zugeben, nie habe ich längerfür einen Blogeintrag gebraucht als für diesen. Seit fast dreiWochen sind wir schon wieder in Deutschland und ich komme jetzt erstdazu, unsere letzten Reisetage wirklich Revue passieren zu lassen.Das liegt zum einen daran, dass uns der Alltag quasi sofort zurückin seine terminreichen Fänge gerissen hat und wir mit schönen, wiealle guten Freunde wieder zu sehen, und unschöneren Dingen, wieLernen für anstehende Prüfungen, alle Hände voll zu tun hatten. Esliegt aber auch daran, dass bereits jetzt unsere fünf Monate im Vanunendlich weit zurückzuliegen scheinen. Vielleicht habe ich diesenEintrag so lange aufgeschoben, weil unsere Reise danach wirklichoffiziell beendet ist. Oder vielleicht war ich einfach nur faul, wirwerden es wohl nie erfahren.

Jedenfalls hoffe ich, mit den folgendenZeilen unsere letzten Tage unterwegs ausreichend wertgeschätzt zuhaben.


Kleiner Abstecher nach Venedig


Erwähnenswert ist auf jeden Fall unserBesuch im alten Olympia, ein Ort, auf den vor allem ich mich schondie ganze Reise gefreut habe. Hier fanden 1169 Jahre lang (von 776v.Ch bis 939 n.Chr) alle vier Jahre die ursprünglichen OlympischenSpiele statt. Selten kommt die Relevanz der Vergangenheit so zurGeltung, wie beim Gedanken, dass auch in unserer Zeit die Spiele nochein Symbol des Friedens und der Verbundenheit sind. Noch heute wirdhier, im Tempel der Hestia, das Olympische Feuer entzündet und dieNachricht über anbrechenden Frieden und Reisefreiheit zumAustragungsort vor, während und nach der Spiele auf der ganzen Weltverbreitet – ok, die ganze Welt war damals eher ganz Griechenland.

Teilnehmen durften alle Griechen, diefreie Bürger waren, zusehen auch Sklaven und „Barbaren“ (akaalle Nicht-Griechen). Städte sandten Festgesandschaften, um sich zurepräsentieren und viele Wissenschaftler oder Künstler nutzen dasvorhandene Publikum. Allein Frauen war es bei Strafe (Sturz in denTod vom Berg Typaion) verboten, an den Spielen teilzunehmen oder auchnur zuzusehen. Als Kallipateira aus Rhodos jedoch als einzige gegendas Verbot verstieß, um als Mann verkleidet ihrem Sohn zuzusehen,wurde ihr die Strafe wegen des hohen Ansehens ihrer athletenreichenFamilie erlassen.


Ruinen im alten Olympia


Die Olympischen Spiele fanden zu EhrenZeus statt, für unverheiratete Frauen gab es einen eigenen Wettkampfzu einem anderen Zeitpunkt, die Heraia zu Ehren Heras. In Anbetrachtder Tatsache, dass diese „Spiele“ nur aus einem Wettrennen über160 Meter bestand und die Teilnehmerinnen in kurzem Gewand und mitoffenen Haaren laufen mussten, wirkt diese großzügige Geste docheher wie ein hübsch anzusehendes Schauspiel als eine Würdigung dersportlichen Fähigkeiten der Frauen.

Für die männlichen Athleten war derRuhm dafür umso größer. Bereits einen Monat vor den eigentlichenSpielen reisten sie an und wurden auf ihre sportlichen, aber auchihre charakterlichen und moralischen Fähigkeiten geprüft. Ein Siegin Olympia galt immerhin als das höchste Gut, das ein Sterblichererlangen konnte. Der Preis, ein Kranz aus Zweigen der Wildolivehinter dem Tempel, stand eher symbolisch für die große Anerkennungund allerlei Vorzüge, die siegreiche Athleten genießen konnten.Sieger stellten Statuen von sich im Stadion auf und wurden in ihrenHeimatstädten gebührend gefeiert. Für die Einfahrt im Viergespannrissen die Städte extra Teile ihrer Mauer ein und der Athlet hatte fortan ein Recht auf eine lebenslange Speisung im Prytaneion, eineMitgliedschaft im Präsidium von Heiligtümern undFestveranstaltungen und musste keinerlei Abgaben mehr leisten.

So verehrt die Sieger waren, soverpöhnt war Betrug. Vor dem Stadion standen die Zanes (ja, das istder korrekte Plural), also Bronzestandbilder von Zeus, die ausStrafgeldern finanziert wurden. Die Namen der Regelverletzer standenals Abschreckung auf den Sockeln.

Die Olympischen Spiele waren übrigensnicht die einzige panhellische Veranstaltung dieser Art, es gab siezum Beispiel in Delfi zu Ehren Apollons oder in Korinth, Nemea undAthen. Trotzdem waren die Spiele in Olympia bis zu ihrem Verbot durchden römischen Kaiser Theodosius I von herausragender sportlicher,vor allem aber von gesellschaftlicher und politischer Bedeutung, diewir auch in unseren heutigen Spielen irgendwie wieder finden können.


Blick vom Fels in Alepochori


Von so viel Sportsgeist inspiriertverbrachten wir zwei letzte Klettertage nahe Patras in Alepochori,ein kleineres Gebiet mit vielen hart bewerteten, aber schönenTouren. Abgelegen in den Bergen hatten wir von hier Blick aufschneebedeckte Gipfel und waren vor allem beim Klettern dem wirklichstarken Wind voll ausgesetzt – gratis mentales Training für uns!Es war sehr schön, zum Abschluss nochmal so zu leben und zu kletternwie zu Beginn unserer Reise – nur wir beide, unser Van und derFels.

Jans Geburtstag markierte schließlichdas Rückfahrdatum unserer Reise, denn wir hatten schon vorher dieAbmachung getroffen, diesen noch im Ausland zu verbringen und danachzurückzufahren. Wir feierten also in bester Gesellschaft (wir,Gretchen und eine Ziegenherde) und in Ermangelung eines Ofens mitPfannkuchen-Torte.


Jan mit seinem Geburtstags"kuchen"


Danach standen leider erstmal zwei Tageund Nächte auf der Fähre nach Venedig an. Erwähnenswert ist nebenzwei unbequemen Nächten auf dem Boden, Schachspielen an Deck undtatsächlich genau dem selben Schiff mit dem gleichen Personal wieauf unserer Hinfahrt (drei Monate zuvor, wtf) vor allem einegroßangelegte Personenfahndung. Der Hafen in Patras war voll vonPolizei. Bevor wir auf die Fähre durften, wurde Gretchen samtunserem lediglich 25cm tiefen Kleiderschrank komplett durchsucht und auf denBildschirmen an Board lief eine Suchmeldung. Da wir nach wie vor keinGriechisch sprechen, regte das unsere Fantasie ziemlich an – ob wirwohl je erfahren werden, ob es sich um einen Serienmörder, einenrussischen Spion oder den Kopf eines großen Orangen-Kartellshandelte?


'O Sole Mio...


Angekommen in Venedig gab es noch einenkleinen Abstecher in die Stadt der Tauben, Brücken und (bei unseremBesuch wirklich randvoll gefüllten) Kanälen und unser Reisebudgetreichte sogar noch für Pizza und Eis.


Unsere letzte Nacht verbrachten wirschließlich irgendwo bei Bolzen auf 700 Höhenmetern umgeben voneiner dichten Schneedecke, um uns schon mal auf winterlichereTemperaturen in Deutschland einzustimmen. Abgesehen davon verlief dieRückfahrt ziemlich unspektakulär, wir wurden an keiner Grenzeangehalten, geschweige denn gewogen, und schafften es in Rekordzeit(so schnell man mit 110km/h eben sein kann) zurück.


Gretchen und ihre neuen Reifen schaffen es easy durch den Schnee


Und das war es. Kaum zu fassen, dasswir tatsächlich wieder Zuhause sind. Ein Glück, dass es immer nochso einiges zu rekapitulieren und erzählen gibt und so vieleErinnerungen, die uns für immer begleiten werden.

In hoffentlich nicht allzu fernerZukunft folgt noch ein letzter Eintrag, zeitgleich Rückblick überunsere Reise und Ausblick über unsere weiteren Pläne mit Gretchen(und diesem fantastischen Blog).


Bis dahin, vanlife on!


Antworten