hawadere
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Wie aus 3 Wochen 3 Tage wurden.

Veröffentlicht: 01.03.2019

01.03.2019

"Kann mir jemand erklären, warum dieser Affe einen Penis im Gesicht hat?" Natürlich hat dafür keiner eine nur ansatzweise befriedigende - passendes Wort in diesen Zusammenhang - Antwort. Ich bin fassungslos. Ich stehe inmitten des Dschungels des Bako Nationalparks - dem kleinsten aber dafür ältesten Naturschutz-Reservats von Borneo - und sehe zwei Naseaffen dabei zu, wie sie - wie sollte es anders sein - Sex miteinander haben. Wie ihr meinem Ausruf entnehmen könnt, zeichnen sich die Affen besonders durch ihre sehr großen und auffälligen Nasen aus. Ich sollte nicht überrascht sein. Ich habe mich schließlich vorher schlau gemacht und bin hauptsächlich hierher gekommen, um genau diese Affen zu sehen. Aber so life und in Farbe bin ich dann doch etwas schockiert.

Generell hält Borneo eine Menge Überraschungen für mich bereit. Angefangen damit, dass ich nach 9 Stunden unterwegs an meinem Ankunftsabend vor einer verschlossenen Tür stehe. Ich habe die Latest Check-In Zeit für mein Hostel verpasst und auch ehrlich gesagt nicht daran gedacht, Bescheid zu sagen, wann ich ankomme. Gott sei Dank habe ich den liebsten Grab-Fahrer (ist sowas wie Uber) in ganz Malaysia, der so lange bei mir bleibt, bis sich die Situation geklärt hat. Im Hostel direkt der nächste Schock. Ich bin der einzige Gast. Ein 12-Bett-Zimmer ganz für mich allein. Naja, fast. Wenn da nicht dieser malaysische Gnom wäre, der anscheinend im Hostel arbeitet und sich das Zimmer mit mir teilt. So hab ich mir das nicht vorgestellt. Wo sind die Leute zum kennen lernen? Ich beschließe die nächsten beiden Nächte in der Unterkunft zu stonieren und mich nach einem anderen Hostel umzusehen.

Auch beim Durchstreifen der Straßen von Kuching am nächsten Morgen fällt mir eines sofort auf - weitere europäisch aussehende Menschen, die meinen Weg kreuzen, kann ich an einer Hand abzählen. Die meisten davon sind außerdem ältere Pärchen. Wo zur Hölle sind die ganzen Backpacker?

Im nächsten Hostel werde ich fündig - so glaube ich zumindest. Was zunächst sehr belebt aussieht, stellt sich nach meinem Umzug als meine persönliche Hölle heraus. Nachdem noch am selben Tag zwei Mädels das Homestay verlassen, bleibt mir nur noch ein sehr sehr sehr seltsamer Kerl aus Taiwan im Nebenzimmer, dessen Englisch so unglaublich schlecht ist, dass ich kein Wort verstehe und jede Unterhaltung dadurch mega unangenehm ist. Und dann sind da noch die zwei Bremer Mädels in meinem Zimmer, die darauf stehen, Sachen von der Straße zu sammeln und sie an ihre Klamotten zu nähen. Wo um Himmels Willen bin ich hier bitte gelandet?

Ich arrangiere mich mit der Situation und nutze die Gelegenheit, meine Blogbeiträge nachzuholen, mein Buch weiter zu lesen, nichts zu tun, mich vor dem Taiwanesen zu verstecken und ich decke mich mit einem Vorrat an viel zu vielen Süßigkeiten und Tütensuppen ein, der sich letztendlich den Umständen entsprechend dann doch als nicht groß genug herausstellt.

Schlussendlich fasse ich mir ein Herz und plane die nächsten Tage. Mit eingeschlossen mein Flug zurück nach Bali - denn hier halte ich es definitiv nicht mehr sehr viel länger aus. Kaum ist der Flug gebucht und ich weiß, dass meine Zeit hier limitiert ist, finde ich auch endlich die notwendige Motivation, um das Beste aus meiner noch verbleibenden Zeit zu machen. Was will ich unbedingt gesehen haben? Was muss auf die Liste?

Ganz klar: Ich will Orang Utans sehen. Deswegen gehts mit den Bremer Girls am nächsten Tag in das 30 Minuten entfernte Semenggoh Wildlife Centre - das ist ein großer Park, in dem sich liebe Menschen um die wenigen Orang Utans kümmern, die es auf unserem Planeten noch gibt. Es ist sozusagen ein Auffangbecken für misshandelte Affen, welche sich hier nun vollkommen frei in einem riesigen Urwald bewegen können. Dementsprechend ist es auch nur möglich zu den Fütterungszeiten zu kommen, denen die Orang Utans beiwohnen, sofern sie in der Stimmung und hungrig sind. Eine Garantie dafür gibt es aber nicht. Man braucht Glück und das haben wir. Sogar großes. Denn nach einmonatiger Abwesenheit, so einer der Rangers, lässt sich Ritchie blicken. Er ist der Stammesälteste und somit der Big Boss. Das erkennt man an den aufgeblasenen Backen, die männliche Orang Utans bekommen, wenn sie dominant sind. Ich bin total von den Socken, denn ich hätte niemals erwartet, dass wir einem der Affen so nahe kommen. Doch Ritchie sitzt gerade tatsächlich nur etwa 10 Schritte von mir entfernt da und isst total unbeeindruckt seine Bananen und Früchte. Borneo - vielleicht überzeugst du mich ja doch noch.

Auch auf der Liste steht der Bako Nationalpark, der sich auf einer 27 km² großen Halbinsel am Südchinesischen Meer nördlich von Kuching befindet. Und genau so kommen wir wieder zurück zum Anfang der Geschichte. Wir befinden uns gerade auf dem Weg zurück zur Anlegestelle, um mit unserem kleinen motorisierten Holzboot die turbolente Fahrt zurück zur Zivilsation anzutreten, als wir auf die Nasenaffen stoßen. Das ist nämlich tatsächlich auch die einzige Möglichkeit, um den Nationalpark zu erreichen - über eine etwa 20-minütige Fahrt mit einem Holzboot über das offene Meer zu einem kleinen Anleger in der Nähe der Rangerstation.

Und da ersteckt er sich. Ein ungezähmter Dschungel mit riesigen Felsvorsprüngen, an denen sich die Wellen des Meeres brechen - so wunderschön unberührt, dass ich weinen möchte.

Bevor man den Park erkunden darf, muss man sich bei der Registration anmelden. Sie wollen wissen, wer sich hier gerade so rumtreibt, damit sie auch merken, falls jemand im Dschungel verloren geht. Klingt unwahrscheinlich, ist es aber nicht. Tatsächlich stoßen wir direkt am Anfang unseres ersten Trails auf eine alte Dame, die am Boden sitzt und vermutet, dass sie sich beim Sturz den Fuß gebrochen hat. So viel dazu. Nachdem wir Hilfe geholt haben und die Lady versorgt ist, geht's endlich los.  

Es tut unglaublich gut sich nach fast zwei Tagen fast durchgehenden Herumsitzens endlich wieder richtig zu bewegen. Auch wenn mir bei jedem Schritt der Schweiß den kompletten Körper runterläuft. Nach wenigen Minuten bin ich vollkommen nass. Und das nicht, weil es regnet. Die Luftfeuchtigkeit hier macht einen schon echt fertig. Dinge, die so schon anstrengend sind, wirken plötzlich unmöglich. Trotzdem bleiben wir dran. Nachdem wir den Mangrovenwald in der Nähe des Anlegers durchquert haben, geht es durch den Tieflanddschungel immer weiter bergbauf Richtung Hochplateauwälder. Der Weg fordert unsere volle Konzentration, denn er ist komplett übersät mit Wurzeln und Passagen aus Holzstufen. Oben angekommen bekommen wir zu spüren, dass es heute bereits geregnet hat, denn große Teile des Weges sind super matschig oder sogar ganze Seenlandschaften, die wir versuchen zu umlaufen. Letztendlich lohnt sich die ganze Anstrengung aber, denn am Ende des Trails erwartet uns ein großartiger Ausblick auf einen Küstenabschnitt. Für mich ist das ein perfekter Abschluss, denn ich habe damit tatsächlich alles gesehen, was auf meiner Liste stand.


All die kleinen und großen Katastrophen während meines Aufenthalts hier haben dazu geführt, dass ich statt wie ursprünglich geplant knapp 3 Wochen nur 3 Tage exklusive An- und Abreisetag auf Borneo verbracht habe. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es hier sehr viel mehr zu sehen gibt und dass es eigentlich nicht schwer ist, sich in Borneo zu verlieben. Denn die Natur, die Tiere und auch die Menschen hier sind wundervoll. Aber das alles so ganz alleine zu erleben, ohne die Möglichkeit liebe Menschen kennen zu lernen, fühlt sich für mich einfach nicht gut an. Aber genau das steht für mich bei meiner Reise im Mittelpunkt: Das gute Gefühl. Die Menschen. Schöne Erinnerungen, die man teilen kann.

Ich bin nicht wirklich traurig, sondern wirklich froh, dass ich gekommen bin. Es war eine Erfahrung und ich habe wirklich vor, wieder zu kommen. Für den Moment freue ich mich aber erst mal riesig auf Lisa, auf mein vertrautes Canggu und endlich wieder richtig gutes Essen, statt endlos Tütensuppe. Bali, ich komme!

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