Veröffentlicht: 06.08.2023
Nachdem wir in Brensholmen schmerzlich feststellen mussten, dass weder unsere Ausdauer noch unsere Finger den Anforderungen eines Felsklettertages momentan so ganz gewachsen sind, ziehen wir weiter Richtung Lofoten.
Allein die Anreise ist (mal wieder) ein echter Blickfang. Wir überqueren auf schmalen Brücken mehrere Fjorde, durchfahren unzählige Tunnel und alle 5km schallt ein: „Es ist so schön hier!“ durch den Van. Und obwohl bei der Fahrt über Land keine Seltenheit mehr, begeistert uns jedes neugieriges Rentier, dem wir begegnen. Schließlich erreichen wir nach 7 Stunden Fahrt (für norwegische Verhältnisse quasi ein Katzensprung) das Naturreservat Eggum. Wir stellen fest, dass es auf dem Aushängeschild Norwegens zur Hauptsaison gar nicht so leicht ist, einen Stellplatz zu finden und mieten uns schließlich für eine Nacht kurz vor dem Naturreservat ein - die erste kostenpflichtige Nacht seit Beginn unserer Reise.
Von hier aus startet direkt ein kleiner Wanderweg und unter diesen Gegebenheiten kann ich einen kleinen Spaziergang natürlich nicht ausschlagen. Den Pfad entlang der Steilküste teile ich nur mit einigen wenigen anderen Menschen und vielen Schafen in Halbfreiheit. Trittsicher heißt es daher, um lose Steine und Schafsköttel zu manövrieren. Links mit Blick auf die Küste, rechts vorbei an zwei wunderschönen Bergseen und einer kleinen Kapelle hat sich dieser Ausflug trotzdem gelohnt.
Wieder zurückgekehrt ist dies unser erster Tag unterwegs, der nicht von vorne bis hinten mit ausladenden Straßenkurven, Wanderungen oder Kulturprogramm gefüllt ist und todmüde fallen wir beide früh ins Bett.
Umso besser, denn so können wir am nächsten Tag bestens ausgeruht das Sportklettergebiet Eggum ansteuern. Erst vor Ort wird uns erzählt, dass es sich hierbei um eines der raren Sportklettergebiete auf den Lofoten handelt. (Obwohl wir natürlich vorab zeitintensive Recherche betrieben haben!) Bekannt ist die Inselgruppe natürlich vor allem für ihre lohnenden Mehrseillängen auf den Presten oder dem als Fotomotiv sehr beliebten Sprung über den Svolvaergeita. Auch Bouldern lässt es sich hier nach Herzenslust. Da wir aber weder Crashpads noch Klemmkeile am Start haben, wird sich unsere Klettererfahrung auf den Lofoten auf ein Mindestmaß beziehungsweise eine Mindest-Seillänge beschränken müssen.
Die Kletterei in Eggum ist eher untypisch für Norwegen und bietet vor allem überhängende Kletterei an großen Löchern und ausgefallenen Felsstrukturen. Ein Finne, dessen Bekanntschaft wir am Fels machen, beschreibt es treffend als „Flatangar, aber für Menschen, die nicht Adam Ondra sind“. Die Touren sehen jedenfalls alle wahnsinnig spannend aus und das Klettervergnügen wird eigentlich nur durch die Schafsherde eingeschränkt, die den mittleren Teil des Sektors quasi unbegehbar macht. Außerdem verschwindet die Sonne hinter einer dichten Wolkendecke und es wird so kalt, dass wir zum ersten Mal froh sind, unsere dicken Winterjacken mitgeschleppt zu haben. Die wirklich verfrorenen unter uns greifen sogar auf Handschuhe zurück.
Auch dieses Gebiet ist zumindest an diesem Tag nur spärlich besucht und wir haben die freie Auswahl. Nachdem wir uns in einer, in unserem Kletterführer fälschlicherweise als 6a deklarierten 7a aufwärmen, ist es abermals die mangelnde Ausdauer, die den Klettertag relativ kurz ausfallen lassen.
Eggum können wir auf jeden Fall allein wegen der abgefahrenen Griffe empfehlen. Wer sich im französischen siebten und achten Grad wohlfühlt (und sich nicht an den Schafen und ihren Hinterlassenschaften stört), wird sich hier sicher einige Tage beschäftigen können.
Wie sagt man so schön: Wer das Schaf nicht ehrt, ist das Rentier nicht wert.
Mit aufgeblasenen Unterarmen und schmerzenden Fingern geht es für uns weiter nach Fredvang.
Bis dahin, haltet die Ohren steif!
Das Klettergebiet "Eggum" auf einen Blick:
Lage:
Oberhalb eines kleinen Bootshauses nahe des Fjords. Dank des Überhangs vermutlich auch bei nassem Wetter überwiegend trocken.
Zustieg:
Ca. 5 Minuten Fußweg durch die Schafsweide.
Grade:
Einige einsteigerfreundliche Touren (5b), eine 6a und eine 6b+, ansonsten 7a – 8b.
Felsqualität:
Es ist nicht alles est, aber auch nichts furchtbar lose. Toll Felsstrukturen und ergonomische Löcher und Sloper!
Art der Kletterei:
Im überhängenden Teil sehr physisch an guten Griffen, im senkrechten Teil teilweise sehr kratzig. Es gilt einige Wülste zu bewältigen.
Routen-Empfehlung:
Ildavann (6b+), die Verlängerung Sankthansormen (7a) ist ebenfalls nett, Prinsessens soster (7a) & Alopolsa (7b+)