Veröffentlicht: 08.06.2017
Nach 10 Sekunden in Western Australia machten wir gleich mal einen U-Turn zurück ins Northern Territory und hier saßen wir nun und aßen ein letztes mal unser Obst, Gemüse und Honig, bevor uns der Rest unbarmherzig abgenommen und in den Müll geschmissen wurde. Mit 3 Süßkartoffeln kam Mayk stolz zum Auto zurück, der Rest landete wohl in der Pfanne des Quarantäne Personals. Lasst es euch schmecken.
Wenige Minuten nachdem wir die Grenze im Rückspiegel hinter uns gelassen haben begrüßte uns der Westen mit wunderschönen Felsformationen in einer malerischen Landschaft, in der sich die roten Felsen mit dem Grün der Bäume und Gräser abwechselte.
Der Abend verlief nach einem unbeschreiblich schönen Sonnenuntergang zum ersten mal relativ mosquitofrei und zum ersten Mal konnte ich wieder durchschlafen. Ob das an der westlichen Luft oder dem Wein lag, sei dahingestellt. Da die Strecke von Darwin nach Broome wieder einmal 20 Stunden Autofahren beanspruchte, war der nächste Tag dem Fahren gewidmet.
Mit einer Hand am Steuer, der anderen aus dem Fenster gestreckt, guter Musik im Ohr und der Sonnenbrille auf der Nase durch Western Australia zu fahren war ein Traum und im Gegensatz zum Outback etwas abwechlungsreicher.
Da die Sonne sich um 6 Uhr abends verabschiedete (ja auch hier ist Herbst) konnten wir zwar nicht allzulange durchfahren, doch am Ende trennten uns nur noch 300 km von Broome und damit der Westküste. Kreativ wie wir sind packten wir am Abend alle Spiele zu Schulzeiten aus und battelten uns bei Stadt Land Fluss, Hangman, und und und.
Am nächsten Morgen weckte uns die Sonne zu einer unchristlichen Zeit von 6 Uhr und 4 Stunden später trudelten wir in Broome ein, der ersten etwas größeren Stadt an der Westküste. Nach einer Spritztour durch die Stadt, welche unheimlich hübsch und sonnig war, fuhren wir sofort an unseren Campingplatz direkt am Meer. Nach so einer langen Zeit im Outback und im Krokodil verseuchten Norden schüttete der Anblick des türkisen Meeres hinter dem weissen Sandstrand inmitten von Palmen eine Welle von Endorphinen aus, als wären wir zum ersten Mal am Meer. Als Höhepunkt riefen mich dann meine Eltern an, welche bestimmt furchtbar neidisch auf mich waren, was mir wiederum schon wieder leid tat. Kaum eine Stunde in Broome hatte uns diese Stadt schon das Herz gestohlen, sodass wir beschlossen, einen weiteren Tag zu bleiben. Gegen Abend ging es weiter an den berühmten Cable Beach, an dem halb Australien mit ihren 4WD Wagons am Strand parkte und sich in Campingstühlen den fantastischen Sonnenuntergang reinzog.
Unser Plan war es die Kamele zu sehen, welche bei Sonnenuntergang im Rahmen einer Tour am Strand reiten. Anfangs sahen wir die Gruppe nur aus der Ferne, bis diese plötzlich schienen abzubiegen. Wie ein angeschossenes Reh rannte ich also mit der Camera zu den Kamelen, um dieses eine Bild zu bekommen, in dem der Convoy vor dem Sonnenuntergang reitet. Ich wollte dieses verdammte Foto und ich bekam es. Das Abendrot an diesem Abend war unbeschreiblich und ein wahres Fotoparadies. Wie das halt so ist im Backpacker Leben tickte nach Sonnenuntergang schon die Uhr bis zum letzten Highlight des Tages, genannt Stairway to the moon. In den wenigen Tagen, in denen Vollmond herrscht, taucht der Mond Abends über dem Meer auf und spiegelt sich über das Watt bis zum Strand in einem schnurgeraden Streifen.
Obwohl der Abend bewölkt war und das Spektakel nur ein paar Sekunden anhielt, war es doch ein kleines Wunder, das es jede Minute Warten wert war. Nach unserem angekündigten weiteren Tag in Broome, welcher unter den Oberpunkt “Stinkfaul am Strand aalen'' fällt, fiel ich abends mit einem Schädel, wie ich ihn seit dem letzten Rausch nicht mehr hatte ins Bett. Selbst am nächsten Morgen fühlte sich mein Kopf an als würde einer dieser wer-hat-das-bloß-komponiert Blaskapellen auf meinem Kopf rumsteigen. Auch unsere Naturfreunde von Mosquitos schienen in unserem Auto wieder eine Wohlfahrtsgemeinschaft eingerichtet und sich einen Mitternachtssnack, oder eher Mitternachtsfestmahl geleistet zu haben.
(Ehrlich jetzt, DAS hab ich nicht verdient!). Die Fahrt nach Port Hedland schlief ich also im Hintern unseres Vans und 2 Schmerztabletten später stand ich wieder wie eine Eins. Unser gemeinsamer Abend war ein Traum: warm, ohne ständigem piiiips (das piiiips sollte einen mosquito imitieren), Karten spielen und lesen.
Mein bester Freund auf den vielen und langen Autofahrten ist mit Sicherheit ein Buch namens “Frühstück mit Kängurus“. Noch nie las ich ein Buch, das mich auf jeder einzelnen Seite mindestens zum grinsen brachte. In seinem Buch schreibt der Autor Bill Bryson über die Kuriositäten in Australien, die Eigenarten der Aussies und ganz am Rande lernt man genau die Sachen, die man in Reiseführer auslässt (Politik und ihr wisst schon). Besonders nach den 6 Monaten, die ich jetzt schon in OZ bin, kugelte ich mich innerlich am Boden (im Auto geht das ja schlecht) wenn ich genau, aber GANZ genau weiß wovon er redet. Absolute Leseempfehlung des Jahres! Ich schieße mich weg!!
Am nächsten Morgen überbrückte ich dank Bill auch die Fahrt in den Karijini Nationalpark weiter im Landesinneren. Dort warteten die Fortescue Falls auf uns, in deren See wir schwimmen und die grandiose Natur genießen konnten. Den Circular Pool sahen wir uns zwar vergnügt von oben an, um den abenteuerlichen Weg runter zu gehen fehlte aber die Zeit und der Elan (vor allem der Elan).
Das Highlight des Karijini Nationalpark war mit Abstand der (die? das?) Hamersley Gorge. Da wäre wiedermal ein kleiner Wasserfall mit einem See, der dieses mal aber in dem schönsten Grün strahlte, wie man es wohl in der freien Natur finden kann. Im Wasser wanderten Krabben über die Felsen und der See mündete schließlich in eine kleine Schlucht, in die wir zu 5 (tapfer wie wir sind) hineinschwommen, umgeben von riesigen Spinnen, die ihre übertrieben großen Netze in den Felswänden angelegt hatten.
Unser nächstes Ziel nannte sich Exmouth und lag wieder an der Westküste, von der wir uns für den Karijini entfernt hatten. Unsere Pläne am Nachmittag noch ins Meer zu springen fielen jäh ins Wasser als das Navi mal wieder gut gemeinte 8 Stunden und 59 Minuten anzeigte. Auch wenn die Vorfreude aufs Meer beleidigt ihren Rucksack packte und kommentarlos abzog, waren die 9 Stunden mittlerweile keine “Alter so lange fahre ich Zuhause nicht mal in den Urlaub“ - 9 Stunden sondern mehr “Dann sind wir morgen Mittag ja eh schon da“ - 9 Stunden.
Nach 3500 km von Adelaide bis Darwin durch Never Never und dem 20 stündigen Katzensprung bis an die Westküste, was soll ich sagen, verändern sich die eigenen Maßstäbe etwas.
Man denke dabei nur einmal, wie selten wir in Salzburg feiern gehen, immerhin braucht man bis dort hin eine halbe Stunde. Nach Rosenheim oder gar München zum Einkaufen? Okay da muss wohl der Onlineshop herhalten.
Wenn ich eines weiß, dann dass dieser Punkt ganz weit oben steht auf meiner “So geht das nicht weiter“ Liste. Wenn ich eines weiß, dann dass ein Nachmittag reicht, um noch an den See zu fahren. Dass ein Abend reicht, um Freunde zu besuchen und sei es nur für eine Stunde und ganz gewiss reicht ein Wochenende, um geile Trips durch Deutschland, Italien oder wohin auch immer, zu starten.
Auch wenn die Kompetenz für den Tag zu Leben zuhause wohl schwerer durchzusetzen sein wird, werde ich sie zuhause endlich ausnutzen bis ins letzte Details. Ich kann mir nur an den Kopf fassen, wenn ich kurz daran denke wie oft solche hirnrissigen Aussagen wie “das lohnt sich jetzt nicht mehr“ über meine Lippen kamen. Doch, du Idiot, es lohnt sich!
Tatsächlich schafften wir es auch an diesem Tag bis etwa 150 km vor Exmouth. Sparfüchse wie wir welche sind meldeten wir uns an dem Abend unter 2 anstatt 3 Personen an (Backpacker Spartipp Numero 2) und sparten uns wieder einmal 10$ (nur am bescheißen diese Jugend).
Der Abend war ein Traum: ein wasserkocher (heißt Tee), eine steckdose (heißt Bilder bearbeiten!) , eine gemütliche Campingkitchen (zählt doch mal selbst 1 und 1 zusammen) und 3 Idioten neben mir, die mit auf die Stirn geklebten Zetteln versuchten, den eigenen Begriff zu erraten.
Auch wenn ich an diesen Abend beim Spielen aussetzte, um endlich mal wieder ein paar Bilder bearbeiten zu können, habe ich mich mittlerweile wieder ins Kartenspielen verliebt. Ich weiß nicht, wann oder wieso meine Eltern und ich damals aufhörten, Rommé zu spielen. Wahrscheinlich wurden andere Dinge einfach wichtiger, oder zumindest kamen sie mir dringender vor. Doch Wenn ich nun nach Jahren sehe, wie viel Spaß es meinen Mates und mir immer noch macht, bedauere ich es absolut dass wir so eine schöne Tradition Zuhause irgendwann haben fallen lassen.
Ich bin mir ziemlich sicher, meine Eltern werden Zuhause auch in dieser Hinsicht lachend den Kopf schütteln, genauso wie über die Tatsache dass ich mittlerweile freiwillig wandern gehe (da kann man schon mal klatschen!).
Wenn ich alleine daran denke, Zuhause mit der Fam um den Tisch zu sitzen und endlich wieder Karten zu spielen, steigt die Vorfreude auf Daheim wieder ins Unermessliche.
Auch wenn ich am liebsten ein Jahr verlängern würde in meinem geliebten Australien, hebt sich die Trauer, Australien verlassen zu müssen mit der Vorfreude auf Daheim wieder auf. Krass, dass ich erst einmal um den Globus fliegen und durch Down under backpacken musste, um mein Zuhause so unheimlich schätzen zu können.
Die Vorstellung, zurück in Deutschland ein eigenes Zimmer für mich alleine zu haben, WLAN, Steckdosen, einen Spiegel, ein sauberes Bett, einen Schrank und und und ist wie in ein 10 Sterne Hotel einzuchecken. Die Liste an Dingen, die mir hier als zu viel Luxus um wahr zu sein vorkommen, ist endlos. Und dabei habe ich noch nicht einmal mit dem Thema duschen ohne Anstehen und Schuhe anzuziehen angefangen.
Neben all den materiellen Dingen habe ich hier in Australien eine Sache zu schätzen und lieben gelernt, von der ich zuvor definitiv nie gedachte, ich würde sie jemals aussprechen: Jahreszeiten.
Wer von uns hat einmal daran gedacht, unsere Jahreszeiten zu genießen, anstatt nur auf den Sommer zu warten?
Seit einem knappen Jahr ist für mich Sommer und ja, es ist herrlich. Doch ein nie enden wollender Sommer kann keine Abende im Advent in Hoodie und Kuschelsocken mit einer Tasse Tee in der Hand ersetzen und kein Strandspaziergang ersetzt die Spaziergänge im Herbst, wenn meine Schwester mit der kalten Nase durch das Laub springt.
Australien hat mir mein Herz gestohlen, doch Daheim ist und bleibt einmalig und unersetzbar.