Jambo Kenya
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Zuhause in der Fremde

Veröffentlicht: 01.03.2019

Tag 147


Der Wind lässt mich die Augen zusammenkneifen. Es ist Weltuntergangsstimmung in Necochea, dem kleinen Badeort an der Küste, in dem wir uns befinden. Heute Morgen hat es so heftig gewittert und gestürmt, dass man Angst um die Palmen an der Promenade hatte, die wegzuwehen drohten. Um mich herum riesige Pfützen.

Es hat gerade wieder angefangen zu regnen, deswegen musste ich von meinem Strandplatz in ein nahes Café umziehen. Klimawandel incoming.

Vor etwas mehr als einer Woche machte uns ein mehr als unfähiges Busunternehmen verrückt, welches dafür verantwortlich war, dass wir die Gegend um die Halbinsel „Valdés“ herum erst einen Tag später verlassen konnten. Dass uns dieser Umstand noch einmal mehr nerven würde, als sowieso schon, wurde uns erst zu einem späteren Zeitpunkt bewusst. Wir kamen mit dem zweiten Busanlauf in Viedma an, einer Stadt, die in unserem Reiseführer als „ganz nett“ beschrieben war und die vor allem durch edle Cafés und schicke Häuser überzeugen sollte. Außerdem sollte es in der Nähe die mit 35.000 Vögeln größte Papageienkolonie der Welt geben, was uns neugierig machte, weil wir eine solche nicht in Südamerika oder zumindest nicht im äquatorfernen Süden Südamerikas erwartet hätten. Hätten wir nicht so viel Zeit in Argentinien und würden nur für ein paar Wochen hier Urlaub machen, wären wir wahrscheinlich nie auf die Idee gekommen, dieses Örtchen überhaupt anzusteuern. Aber Viedma lag auf dem Weg Richtung Norden, wir hatten Zeit, wollten nicht zu lang an einem Ort unsere Zeit verplempern, sondern Neues sehen und so trieb es uns in die von Touristen unentdeckte Kleinstadt. Was eine äußerst weise Entscheidung war.

Wir kamen an und fuhren ohne Erwartungen zu unserer Unterkunft, in der wir spät am Abend ankamen. Wir landeten in einer Villengegend am Rande des Flusses „Rio Negro“, der die gleichnamige Provinz mit der Provinz „Buenos Aires“ trennt. Ein Anfang fünfzig jähriger Mann kam auf uns zu und erklärte uns lächelnd, dass wir ihm zur Unterkunft folgen sollten. Er machte die Haustür auf, wo uns ein aufgeregter Hund begrüßte und später eine Frau und ein uns gleichaltriger Junge. Sie strahlten und freuten sich, dass wir da waren. Der Mann, welcher sich später mit „Hector“ vorstellte führte uns nach oben in unser geräumiges Zimmer. Wir bekamen Handtücher und hatten ein eigenes Bad zur Verfügung. Wenn man ,wie wir, die Unterkünfte im Internet ein paar Tage im Voraus bucht, weiß man nie was auf einen zukommt und dementsprechend ahnungslos ist man, wenn man dann dort ankommt. Uns erwartete in dem Fall eher eine Art Airbnb, da wir einfach bei dieser Familie mit im Haus wohnten, welches anbei gesagt nicht gerade klein und schlecht ausgestattet war. Bezahlt haben wir für die eine Nacht weniger, als in jedem Hostel. Nachdem wir uns erschöpft von der Busfahrt und folglich erleichtert über die schöne Bleibe, in der Stadt nach etwas Essbaren umschauten, kamen wir gegen 23:00 wieder. Im Wohnzimmer saßen die Erwachsenen mit einem anderen Ehepaar am Tisch und der Junge saß mit einem weiteren etwas jüngerem Jungen auf der Couch und sie schauten Fùtbol. Als wir oben im Zimmer ankamen, wussten wir beide, dass es zwar schon etwas später war, wir uns aber eigentlich nochmal zu den Einheimischen gesellen wollten, und so gingen wir zu ihnen herunter und wurden auch direkt integriert. Wir erzählten zuerst Hector von unseren Plänen auf der Reise und sofort saßen alle gespannt um uns herum. Wir zeigten ihnen unsere Heimatstadt Lübeck sowie das Holstentor und sie riefen begeistert, wie „lindo“, also schön dieses doch sei. Hector erzählte uns, dass wir die ersten europäischen Gäste bei ihnen wären, während Joaco, der Sohn über Netflix die ganze Zeit fasziniert irgendwelche Deutschen Filme anmachte. So saßen wir auf einmal dort in Viedma mit sechs Argentiniern und im Fernsehen lief Moritz Bleibtreu. Über Fußball wurde natürlich auch gesprochen und Joaco war sehr amüsiert über das frühe Ausscheiden der Deutschen bei der WM. Bevor wir ins Bett gingen, fragten wir noch Hector und Andrea, seine Frau, ob es stimmt, dass in der Nähe die größte Papagaienkolonie der Welt nistet. Sie bejahten dies und gaben uns die Abfahrtszeit und die Buslinie, die am nächsten Tag zu dem 30 Kilometer entfernten Strand führt, an dem dies der Fall sein sollte.

Nachdem wir am nächsten Tag ein Frühstück serviert bekommen hatten, fuhr uns Hector zu der Bushaltestelle und um 11:00 fuhren wir Richtung Küste. Dort angekommen, waren wir nach etwa 15 Minuten zu Fuß am Strand, an dem riesige Felsen empor ragten. Die Felsen zogen sich kilometerweit am Wasser entlang und waren von etlichen Löchern überzogen. Das waren Tausende. Papageien fehlten, aber ihre Nester, die sie irgendwie in den harten Stein gehämmert haben mussten zeugten von ihrer Existenz und bildeten dazu ein irres Naturschauspiel. Enttäuscht, keine Papageien gesehen zu haben waren wir irgendwie überhaupt nicht, weil dieser Strand mit diesen unendlich vielen Löchern, die die Steilküste wie ein Muster beeindruckend verzierte eine ganz eigene Magie hatte. Es war Wunder und Segen zugleich, dass davon im Reiseführer jede Spur fehlte. Als die Wolken sich zuzogen und es anfing heftig zu regnen und sogar zu hageln, wollten wir jedoch nur noch zurück, um uns irgendwo einen Unterschlupf zu suchen. Nachdem wir den Strand völlig durchnässt verlassen hatten und uns ein weiter Weg bis zur nächsten Bushaltestelle bevor lag, hupte uns plötzlich ein Auto zu und wie bei einem Wunder waren es Hector und Andrea, die uns in ihr Auto lotsten und uns nassen und verdreckten Leute Richtung Stadt fuhren. Warum die beiden gerade in dem Moment dort, in diesem 30 Kilometer entfernt gelegenem Ort waren und wie dieser Zufall zustande kam, haben wir uns, wie ich gerade erstaunter Weise feststelle, nie gefragt. Wir waren einfach glücklich und dankbar und haben überhaupt nicht nachgedacht. Die beiden schimpften über das Wetter und fuhren uns als Entschädigung, nach der wir nie gefordert hatten, zu einem hübschen Leuchtturm, zu einem Denkmal und zu einem kleinen Fluss, immer über die verschiedenen Stops berichtend und Linus und ich fühlten uns, wie in einem Reisebus. Eben waren wir noch auf dem besten Weg uns im kalten windigen Hagelregen zu erkälten und nur wenig später saßen wir im warmen bequemen Auto unserer „Gasteltern“.

Sie kutschierten uns noch zu einem Supermarkt und dann zurück nach Viedma zu ihrem Haus.

Abends ging dann leider schon unser Bus raus aus Viedma. Wir hatten zwar für zwei Nächte gebucht, konnten aber wie schon am Anfang angedeutet wegen eines gewissen Busunternehmens nur eine dort bleiben. Auch wenn wir gerne noch einen Tag länger dort gewesen wären.

Am Ende kann man jedoch nur das Positive daraus ziehen und sich einfach freuen, dass wir die Entscheidung getroffen haben, einfach mal nach Viedma zu fahren. Sonst hätten wir all dies nämlich nicht nur einen Tag erlebt, sondern gar nicht.

Nun sind wir in Necochea. Langsam macht sich hier wieder blauer Himmel breit und neben meinem Laptop steht ein leeres Submarinoglas. Wir sind jetzt in der Provinz „Buenos Aires“ und auch die Hauptstadt ist gar nicht mehr so weit weg. In einer Woche sind wir an einem Badeort östlich von hier ein paar Tage Urlaub machen, dann wollen wir am Ende noch einmal nach Uruguay rüber. Es wird alles langsam absehbar. Heute ist der 1. März. Der letzte Monat unserer Reise hat begonnen.

Antworten

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