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Roadtrip Part XIII - Montreal / Voulez vous coucher avec moi?

Veröffentlicht: 10.08.2018

22.06.-28.06.2018 Wir bahnten uns unseren Weg durch den Bundesstaat New York, weiter gen Norden, weiter gen kanadischer Grenze, dem letzten Ziel näher kommend: Montreal! Der letzte große Ritt auf unserem Lastesel Jim-Bob. Wir genossen die Fahrt, auch weil der Bundesstaat im Nordosten der USA landschaftlich wesentlicher schöner anzusehen war. Klar, unberührte Natur findet man viel in den Staaten. Doch abgesehen von Montana, Colorado und Mississippi/Alabama hatten wir auf unserer Fahrt nicht viel aufregendes entdecken können. Doch hier wurde dir wieder was geboten. Die Straßen schlängelten sich Tälern entlang und über Hügel und Berge. Man sah viel Wald und wilde Flüsse. Und plötzlich standen wir an der Grenze zu Kanada. Lediglich ein Schild wenige Meilen vorher machte uns darauf aufmerksam, dass man nun eine letzte Möglichkeit habe, vom Highway abzufahren, um nicht zur kanadischen Grenze zu gelangen. Sonst hatte wenig darauf hingedeutet. Wir mussten nur wenige Minuten warten, eh wir an der Reihe waren. Die Grenzbeamtin stellte uns mit französischem Akzent einige Fragen, beispielsweise warum wir in den USA waren und unter welcher kanadischer Adresse wir momentan anzutreffen seien. Nachdem wir die Fragen mehr oder minder zufriedenstellend beantworten konnten, durften wir passieren. Weiter gings also Richtung Montreal. Wir brauchten von der Grenze bis zu den ersten Ausläufern/Vororten der Stadt nur etwa 30 Minuten. Zu unserem Airbnb im Stadtteil Maisonneuve war es nochmal eine gute halbe Stunde. An unserer Bleibe angekommen, wartete schon der Vermieter auf uns. Wir erhielten einen Rundgang durch die Wohnung und unterhielten uns kurz mit Martin. Als wir erwähnten, dass wir bald wieder gen Deutschland abreisen würden und unseren Truck verkaufen müssen, machte er uns den Vorschlag, sollte sich kein Käufer dafür finden, uns Jim-Bob abzunehmen. Wir sollten tatsächlich einige Tage später darauf zurückkommen.

Wir richteten uns häuslich ein und räumten alle Boxen aus dem Dicken. Schließlich wollten wir nicht alles aus dem Truck mit diesem verkaufen. Und schlielßcih war auch noch ein bisschen Essen im Auto, was darauf wartete von uns verspeist zu werden. Nachdem wir mit erschrecken feststellen mussten, dass unser Bett magere 1,35m breit war, gingen wir zu einem Restaurant in der Nähe, um die letzten Tage auf nordamerikanischen Boden gebührend zu feiern. Wir ließen uns Pasta mit Meeresfrüchten schmecken und liefen nach diesem vorzüglichen Mahl noch ein wenig durch die Nachbarschaft. Alt wurden wir allerdings nicht an diesem Abend. Die 8h Autofahrt hatten ihre Spuren hinterlassen.

Der zweite Tag in Montreal, ein Samstag an einem langen Wochenende, da Montag irgendein Franzosen-Feiertag in Quebec war, begann mit dem Treffen mit einer Kaufinteressentin für unseren Dicken. Danach ging es auf die Suche nach Werkstätten, die den benötigten Out-of-Province durchführen könnten. Wir hatten natürlich ganz viel Glück und alle in Frage kommenden Werkstätten waren bereits geschlossen. Uns blieb also nur übrig, bis zum folgenden Dienstag, 26.06., zu warten. Zwei Tage vor unserem Rückflug nach Berlin. Aber gut, ohne ein bisschen Nervenkitzel wirds ja nur langweilig. Den angebrochenen Tag verbrachten wir erst in einer Bar, um das Gruppenspiel Deutschlands gegen Schweden zu schauen. Alle Franzosen waren natürlich gegen Deutschland. Um so schöner war es, die langen Froschgesichter zu sehen. Im Anschluss schlenderten wir durch die Altstadt, schoßen viele Fotos und gingen in einem Rockabilly-Laden shoppen. Und damit war der Tag auch schon vorüber.

Am Sonntag blieben wir den ganzen Tag in unserem Appartment, da wir unsere tausend Koffer probepacken mussten. Und sowieso regnete es die ganze Zeit. Kann man auch mal nur zu Hause bleiben.

Am Montag, zum St. Jean Baptiste Day, war das Wetter wieder etwas freundlicher zu uns. Das nutzten wir, um uns weiter das alte Montreal anzuschauen. Wir fuhren ins Zentrum der Stadt. Uns erwarteten viele schmale Gassen, historische Marktplätze, alte Gebäude und kleine Cafés. Eins fiel uns bereits bei unserer Ankunft auf: Hier war es viel europäischer, als wir vermutet hatten. Anstatt großer Pick-Ups und SUV´s fuhren hier viele Klein- und Kompaktwagen herum. Es gab viele Straßencafés und -restaurants. Eben so, wie man es aus Europa kennt. Aber wir merkten auch: Die Reisestrapazen der letzten Wochen hatte uns müde werden lassen. Unsere Begeisterungsfähigkeit neues zu entdecken und möglichst viel davon aufzusaugen war nahezu erloschen. Das machte sich allem voran an der Menge der geschossenen Fotos bemerkbar. Hatten wir gerade bei unseren Unternehmungen in und um Victoria und zu Beginn unseres Trips immer je 100 bis 150 Bilder geschossen, waren es jetzt nur noch um die 30. Im Nachhinein ist das sehr ärgerlich, aber in der damaligen Situation hatten wir einfach keine Lust mehr uns alte Gebäude, eine seltene Pflanzenart oder generell toruistische Attraktionen anzusehen.

Am Dienstag konnten wir uns dann endlich um Jim Bob kümmern. Wir fanden eine Werkstatt, die ohne Voranmeldung den Out-of-Province-Check durchführte. Es gab natürlich etwas zu beanstanden, was repariert werden musste. Also suchten wir uns schnell eine andere Werkstatt, die möglichst kostengünstig die beanstandeten Mängel beseitigte. Wir ließen den Dicken in der Werkstatt und bekamen netterweise ein Ersatzfahrzeug gestellt. Zu Hause angekommen, priesen wir nochmals unser Auto bei der Backpacker-Community an, denn einen Käufer hatten wir ja immer noch nicht gefunden. Nach wenigen Stunden konnten wir Jim Bob I. wieder in Empfang nehmen. Alles notwendige war getan und wir fuhren noch schnell zu der Werkstatt, in der wir am Morgen den TÜV gemacht hatten. Glücklicherweise durften wir unser Auto nochmal vorstellen. Diesmal gab es nichts zu bemängeln und wir erhielten den erhofften Out-of-Province-Check. Gleichzeitig hatte sich ein Interessent auf unser Inserat gemeldet. Der deutsche Backpacker wollte sich unseren Dicken gerne anschauen, war aber doch sehr geschafft von der Arbeit (was für n Lappen) und wollte einen Besichtigungstermin für den nächsten Tag ausmachen. Nach etwas Überredungskunst konnten wir ihn doch überzeugen, noch für den Dienstagabend einen Besichtigungstermin zu vereinbaren. Also wieder in Jim Bob reingesetzt, ab in Richtung Zentrum. Nach einem kleinen Rundgang und ein paar Erklärungen meinerseits war er von Jim Bob angetan (wer wäre das nicht gewesen). Wir besiegelten per Handschlag den Verkauf/Kauf. Endlich hatten wir einen neuen Besitzer für unseren Truck. Auf den letzten Drücker.

Bevor wir uns am folgenden Tag (Mittwoch), es war unser letzter kompletter Tag in Montreal, mit dem neuen Eigentümer trafen, um den Kaufvertrag durch die quebec'sche Zulassungsbehörde bestätigen zu lassen und um natürlich noch ein paar Steuern an den Staat abzudrücken (was nur den Käufer betraf), mussten wir noch ein paar organisatorische Dinge erledigen. Zum einen suchten wir Virgin Mobile auf, da diese Bellas Kündigung 6 Wochen zuvor scheinbar wieder vergessen hatten und weiter fleißig Rechnungen schickten. Zum anderen mussten wir unsere Bankkonten kündigen, was ein längerer Akt war, als von uns angenommen. Denn wir mussten uns hierfür in die Schlange des normalen Schalters anstellen, der zur Mittagszeit sehr gut besucht ist. Und da unser Anliegen nunmal nicht in 5 Minuten geklärt war, sondern viel mehr in 25 Minuten, wurde dementsprechend die Schlange hinter uns und die Gesichter der Menschen immer länger. Anstatt uns an einen Mitarbeiter in einem separaten Büro weiterzuleiten, welche alle nicht sonderlich beschäftigt wirkten, standen wir also am normalen Schalter. Allerdings konnten wir nur unser Konto kündigen, nicht aber unsere Kreditkarten. Dafür mussten wir extra bei der Kreditkartenfirma anrufen. Da wir keine funktionierende Telefone mehr hatten, bekamen wir das Telefon der CIBC leihweise überlassen. Nach 30 Minuten in der Warteschleife, 10 Minuten an Erklärungsversuchen, dass wir die Kreditkarte wirklich wirklich wirklich wirklich wirklich nicht mehr brauchen und auch nicht an Freunde weitergeben wollen, waren auch die Kreditkarten gekündigt. Wow! Also ab, den Typen abholen und mit ihm gemeinsam zur Zulassungsbehörde düsen. 

Nachdem das erledigt war und dann noch die alten Nummernschilder durch die neuen ersetzt wurden, war es also soweit: Wir mussten Abschied nehmen von unserem treuen Begleiter, unserem Packesel, der uns durch Victoria und Umgebung und von Victoria über die Rockies in den Süden der USA, entlang der Golfküste, die Atlantikküste hoch nach Washington D.C., New York und eben Montreal gebracht hatte. Unser Eisenschwein, was uns knappe 10.000 km über Stock und Stein, über Highways und Landstraßen gebracht hatte. Auf dessen Rücken wir geschlafen und mit dessen Hilfe wir 3 kanadische Provinzen und 16 US-amerikanische Bundesstaaten durchquert hatten. Der Abschied fiel uns dementsprechend schwer. Hätten wir Jim Bob doch am liebsten mit uns mitgenommen. Aber wir hatten kein Geld mehr, waren abgebrannt und eine wirkliche Verwendung hätten wir für ein 5,30m langes, 2m hohes und 2m breites Vehikel in Berlin auch nur bedingt gehabt. Nachdem der neue Besitzer mitsamt unseres Trucks weg war, liefen wir langsam Richtung Airbnb. Langsam wurde uns bewusst, dass unser Abenteuer Kanada bald zu Ende sein würde. In weniger als 24 h würden wir im Flieger Richtung Heimat sitzen. So viel Zeit der Vorbereitung und Planung wir vor unserem Flug nach Kanada auch investiert hatten, um bestmöglichst vorbereitet zu sein, so unvorbereitet waren wir in mancher Situation und so schnell verging auch die Zeit. 6 Monate kamen uns vor wir 6 Wochen. Ob wir uns auf Berlin, unsere Freunde und Familie freuten? Klar doch! Ob wir uns wünschten, einfach weiter in Kanada zu bleiben und im Wagen durch die Gegend zu gurken? Absolut! Hin- und Hergerissen kamen wir also in unserem Appartment an, aßen etwas und ließen die letzten Monate revue passieren.

Am 28.08., einem Donnerstag, ließen wir uns von einem Taxi gegen Mittag abholen und zum Flughafen bringen. Bis es soweit war, verging allerdings mehr als eine Stunde, da das Taxiunternehmen uns nicht zum vereinbarten Zeitpunkt ein Taxi vorbeischickte. Da wir keine funktionierende Telefonnummer hatten, wurde unsere Bestellung scheinbar ohne Rückmeldung an uns storniert. Das Geld wurde aber von unserem Konto eingezogen. Dass nenn ich fair. Freundlicherweise half uns unser Airbnb-Host aus und telefonierte mit dem Taxiunternehmen, so dass doch noch ein Taxi zu uns kam und uns am Flughafen rausließ. Wir mussten nur noch 5 Stunden am Flughafen rumbringen, bevor wir uns von Kanada verabschiedeten. Leider waren die beiden Flüge an sich nicht die schönsten, da wir immer mit Menschen zu kämpfen hatten, welche vor uns saßen, und der Meinung waren, die Lehne des Sitzes nun ganz besonders weit nach hinten verschieben zu müssen oder eine kurze Sporteinheit durchzuführen. Doch das waren nur kurze Nebengeräusche. Denn wir hatten unsere jobs in Deutschland gekündigt und waren 6 Monate in Kanada und den USA unterwegs. Haben versucht Teil der kanadischen Gesellschaft zu sein. Wir haben Erfahrungen gemacht, die 95 % der Menschen nie machen werden. Wir haben das facettenreiche Gesicht des nordamerikansichen Kontinents zumindest in Ansätzen gesehen. Und wir haben tolle Menschen auf unserem Weg kennengelernt.

Bleibt noch eine letzte Frage zu klären: Würden wir es nochmal machen? Die Antwort kann nur lauten: Auf jeden Fall!

Antworten

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