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Ecuador und Galapagosinseln

Veröffentlicht: 31.10.2017

Kein Auslauf

Die langen Busreisen durch Kolumbien verlangten einiges von unserem Körper ab. Mehrstündiges Sitzen mit marginaler Bewegung und eingeschränkter Beinfreiheit beherrschte die Tortur. Auf der Reise nach Quito, Ecuador, sassen wir mit unzähligen Venezolanern im Bus. Auch diese (wie das Paar im vorherigen Blog erwähnt) flüchteten nach Peru, um Arbeit zu finden und hoffentlich ein besseres Leben zu haben. Die Stimmung war ausgelassen. Womöglich ist es einfacher mit gleichaltrigen zu flüchten, die in der selben misslichen Lage sind wie sie selbst. Die Gruppendynamik im Bus war heiter. Nur der Gangsterfilm trübte unseres Erachtens die Stimmung. Er handelte von einem Mädchen, das auf brutalste Art gekidnappt wurde. Die Bande misshandelte es und verlangte Lösegeld für ihre Freilassung. Zum einen sassen Kleinkinder und eben die Flüchtlinge im Bus, woraus sich ein eher ungünstiger Film für dieses Zielpublikum resultierte. Mit der Brutalität und dem Jugendschutz wird hierzulande nicht so sensibel umgegangen. Danke Schweiz.


Beeindruckende Gastfreundschaft

In Quito angekommen, reisten wir direkt nach Yaruquí, ein Dorf in der Nähe des Flughafens, weiter. Nach unserem Nachtessen hatte Rezi Lust auf Nachtisch, was uns in eine Bäckerei mit vielen Leckereien führte. Beim Herumschauen fragte uns die Verkäuferin hinter der Theke: „De dondé son?" „De Suiza", antworteten wir. Aus einem Smalltalk entstand ein knapp zweistündiger Aufenthalt in der Bäckerei. Nach der Frage, welches ihr Lieblingsdessert sei, gaben sie uns verschiedenste lokale Leckereien zum Probieren. Schliesslich landeten wir in ihrer Backstube. Die Besitzer der Bäckerei waren so erfreut über unseren Besuch, dass sie die Verkaufstheke teilweise unbesetzt im Stich liessen. Immer wieder kam ein Kunde herein, der einer der beiden Bäckerleute zwang, sich von unserem Gespräch loszureissen.

Ihr Sohn Alex Edison möchte uns die Stadt zeigen. Einen solch warmen und herzlichen Empfang wie in dieser Bäckerei hatten wir beide noch nie. Wir verabschiedeten uns nach dem langen Treffen, tauschten die Telefonnummern aus und bekamen die Einladung, nach dem Aufenthalt auf Galapagos bei ihnen zu hausen. Das Angebot, die Bleibe bei ihnen zu haben, stellte ein nicht abzulehnendes Angebot dar. „Hasta luego", riefen wir einander beim Hinausgehen zu und winkten. Diese Offenheit und Gastfreundschaft konnten wir immer noch nicht fassen. Wir strahlten uns an - voller Vorfreude auf das Bevorstehende.


Tierparadies in Champagnerstimmung

Ein Traum wurde war, als wir endlich auf Galapagos ankamen. Die strikte Kontrolle am Flughafen von Früchten, Samen, Kernen und dem Üblichen wie Waffen und Metallgegenständen war lange, aber auch sinnvoll. Gerne bezahlten wir die Nationalparkgebühr von 100 Dollar, um diese Inseln überhaupt bereisen zu dürfen. Dieses unglaubliche Naturwunder soll erhalten bleiben und geschützt werden. Wir wurden seit der Ankunft am Flughafen durch den Reiseveranstalter sehr gut betreut und durch all die nötigen Stationen geschleust. Der 50%-Last-Minute-Cruiser, den wir für diesen fünftägigen Trip auf Galapagos buchten, war der neuste und beste. Es war ein Katamaran mit Gourmetküche, wunderschönen Zimmern und sogar einem Sonnendeck mit Whirlpool. Wir fühlten uns wie in der Welt von James Bond. Kaum auf dem Schiff angekommen, erkundeten wir alle begehbaren Räume und konnten uns kaum mehr vom Staunen erholen. Die Mundwinkel im Gesicht waren so hoch, dass sie gefühlsmässig schon fast von den Augenwimpern gekitzelt wurden. Wir lachten und waren hocherfreut über unsere Reiseinvestition Galapagos. Unser Führer Carlos war ein Einheimischer und sprach fliessend Englisch. Sein Vater arbeitet bereits seit 30 Jahren als Biologe und Touristenführer auf den Inseln.

Am Nachmittag ging es bereits mit der ersten Aktivität los. Wir schnorchelten am Nordkap der Insel Seymour. Das war wie in einer anderen Welt. Es hatte Unmengen von Seelöwen unter Wasser, die mit uns spielen wollten. Ausgerüstet mit Neoprenanzug und Schnorchel schwammen wir eine knappe Stunde mit all den Tieren. Die Seelöwen starrten uns an, flitzten an uns vorbei, drehten sich um die eigene Achse und sahen keine Gefahr in uns.

Am Abend bekamen wir einen Willkommenstrunk und die ganze Crew wurde uns vorgestellt. Carlos informierte uns über das Programm, bevor wir uns beim köstlichen Buffet bedienten. Das Essen schmeckte die ganze Woche vorzüglich. Die Tierwelt und die Verschiedenheit der Inseln in Kombination mit den Informationen von Carlos waren faszinierend. Die ganze Woche war perfekt und unvergesslich. Dieser Trip hatte unser Interesse an einer intakten Natur verstärkt. Der Einklang von Natur und Mensch ist erstrebenswert. Es gäbe über jedes einzelne Tier auf den Inseln eine interessante Geschichte zu erzählen, über jeden einzelnen der zwölf Gäste auf der Yacht etwas zu berichten – nur würde das den Rahmen dieses Beitrags bei Weitem sprengen. Gerne schildern wir euch unseren erlebten Traum auf Galapagos zu Hause genauer. Die Bilder zeigen einiges, in unserem Herzen steckt jedoch noch viel mehr. Einfach nur WOW!


Volle Köpfe und offene Arme

Mit all den Eindrücken der einzigartigen Vulkaninseln Galapagos reisten wir zum selben Hotel, in dem wir vor Galapagos übernachteten. Wir brauchten etwas Ruhe und Erholung, um das Erlebte ein bisschen setzen zu lassen. Klar bräuchten wir für das „Auswinden“ des Schwamms, beziehungsweise das Verdauen der vielfältigen Impressionen noch mehr Zeit als nur eine Nacht. Wir zögern den vollumfänglichen Prozess hinaus. Am darauffolgenden Tag besuchten wir bereits die Bäckerei, wurden mit offenen Armen empfangen und zum einfachen „Casita“ der Familie geführt. Der Sohn Alex stellte uns sein Zimmer zur Verfügung, worin wir für eine Woche schlafen durften. Das gegenseitige Vertrauen war da und das Interesse an unserer Kultur und unserem Dasein gross. Neugierig fragten sie uns aus. Wir merkten schnell, dass sie die meiste Zeit in der Bäckerei verbringen. Die Wohnung war minimal eingerichtet und nicht einmal mit einer Küche ausgestattet. Wir erlebten eine Stadtführung in Quito, der Hauptstadt Ecuadors, tanzten zu lateinamerikanischer Musik in der Discothek, badeten in heissen Quellen mitten in den Bergen, besuchten den Mittelpunkt der Erde, die Kraterlagune Quilotoa, eine Kakaoplantage in Mindo und verbrachten generell viel Zeit in der Bäckerei. Der jüngere Sohn Luis ist neun Jahre alt und mochte es, uns sein gelerntes Englisch zu zeigen. Wir waren erstaunt und gleichzeitig etwas entgeistert, wie tief ihre Bildung und ihr Weltverstehen war. Besonders der Glaube der Eltern, dass Europa in Amerika liegt, schockierte uns.

Die Gastfreundschaft war gross – vielleicht zu gross. Wir fühlten uns in unserer Freiheit ein bisschen beraubt. Das Interesse ihrerseits war so immens, dass sie uns fast rund um die Uhr auf den Fersen waren. Sind wir etwa zu freiheitsliebend? Brauchen unsere Geister zu viel Platz zum Atmen? Müsste man ein solches Interesse nicht durchwegs positiv werten? Jede Kultur hat ihre Sitten. Wir empfanden es zum Teil auch unangenehm, wenn wir über Geld, Lohn und Kosten Auskunft geben sollten. Es war allerdings spannend, eine andere Kultur zu spüren und mittendrin zu stecken. Wir waren wohl stets die Touristen aus der Schweiz, jedoch lebten wir die ecuadorianische Kultur mit ihnen. Nicht nur die Unwissenheit der Leute überraschte uns, sondern auch der Zuckerkonsum in grossen Mengen. Bestimmt hatte das auch mit ihrer Bildung zu tun. Beispielsweise schüttete Vater Luis sieben gehäufte Löffel Zucker in eine Tasse Kaffee. Unsereins hat anhand der Zuckermenge das Gefühl, er trinke Cola. Des Weiteren wird der Glaube an Gott gross geschrieben. Die Söhne standen bei jeder Begrüssung und Verabschiedung mit betenden Händen vor den Vater, um den Segen von ihm zu erhalten.

Wir vermissten zum Teil die Schweiz und ihren hohen Lebensstandard. Wenn wir im Alltagstrott zu Hause waren, wussten wir das oft gar nicht so zu schätzen. Manchmal braucht es Abstand von zu Hause, um die eigenen Dinge wieder mehr willkommen zu heissen. Mit der Sauberkeit und der vernachlässigten Ordnung im Hause Jiménez hatten wir besonders Mühe. Kennst du das Gefühl, wenn du mit hohlen Füssen in der Dusche stehst und dich mit möglichst wenig Bodenkontakt zu waschen versuchst, um unhygienische Unannehmlichkeiten zu vermeiden? Es ist nicht angenehm zu wissen, dass Alex das gleiche Duschtuch benutzt wie wir und Luis womöglich noch mit dem Hund auf unserem Bett herumliegt. Solche Ärgernisse kosteten für uns „Bünzlis“ viele Nerven.


Kratersee Quilotoa

Für die Vulkantour Quilotoa klinkten wir uns bei unserer Gastfamilie für eine Nacht aus. Wir übernachteten bei romantischer Cheminée-Stimmung auf knapp 4000 m.ü.M. in Quilotoa. Es ist eine der ärmsten Regionen Ecuadors. Dies wurde uns ziemlich schnell klar, da uns die Situation aus Guatemala mit den vielen streunenden Hunden, den seltsamen Blicken und den unfertiggebauten Häusern sehr bekannt vorkam. Die Bergleute hier tragen Ponchos und einen Hut. Oft sind die Frauen sehr farbig gekleidet und tragen Strümpfe oder Kniesocken unter ihren Röcken. Der Duft der Menschen in den Bergen ist anders als in der Stadt. Unsere Riechkolben nahmen vor allem Düfte wie verbranntes Holz und gekochtes Essen wahr.

Am nächsten Tag hofften wir auf einen schönen Sonnenaufgang, der leider nicht eintrat. Nach unserem Frühstück umrundeten wir den Kratersee Quilotoa. Begleitet wurden wir die meiste Zeit von einem Hund. Er nervte - kaum zu glauben, dass er es so weit mit uns geschafft hatte, ohne von uns getreten zu werden und im kalten Nass des Kratersees zu landen. Die Umrundung war einmalig, brachte uns teilweise ausser Atem und gab uns die Altitüde zu spüren. Uns imponierte das Farbspiel des Wassers besonders.


Muchas gracias

Die Zeit mit der ecuadorianischen Familie ermöglichte uns eine einmalige Gelegenheit, in eine andere Kultur einzutauchen. Der liebevolle Umgang, die Herzlichkeit und die Hilfsbereitschaft beeindruckten uns sehr. Wir wissen es zu schätzen, mit welch grosser Geduld und riesigem Interesse sie mit uns auf spanisch kommunizierten. Es war für uns nicht immer einfach, unsere Gedanken in diese Fremdsprache zu fassen. Viel passierte in Zeichensprache unsererseits. Auf der anderen Seite zeigte die Familie Jiménez viel Empathie und eben Geduld. Die kulturellen Unterschiede lieferten uns zwei Europäern viel Gesprächsstoff. Uns bleiben die Erlebnisse in Ecuador in bester Erinnerung. Das Anpacken in der Bäckerei und der Einblick in der Schule beim neunjährigen Luis waren zwei Erfahrungen, die uns zusätzlich das Leben der Leute in Ecuador zeigten. Wir sind sehr dankbar für die schöne Zeit einerseits und freuen uns andererseits, unabhängig weiterzuziehen. Bolivien wartet auf uns.

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