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Etappe 8 - Fagernes

Veröffentlicht: 19.09.2021

Am nächsten Morgen reiben wir uns die Augen. Es ist kuschelig warm unter unseren Decken. Sobald wir das gemütliche Bett verlassen ist es jedoch erstmal ganz schön frisch. Trotz des ununterbrochen sonnigen Wetters wird es nachts doch inzwischen schon recht kalt. Die Dieselheizung in der Zimtschnecke haben wir bis jetzt noch nicht angeworfen. Vielleicht wird das aber bald dann doch mal erforderlich.

Aber jetzt erstmal raus aus der Skiunterwäsche, rein in die Sporthose und raus in die Sonne. Frühstück!

Frühstück auf der Hochebene im weiten Norwegen ist unschlagbar. Nichts als Himmel, Berge und Schokoknuspermüsli.

Viel Zeit lassen wir uns nicht- wir müssen spätestens mittags in der Werkstatt in Fagerness sein. Hier hatte Chris ja das Ersatzteil für die Autotür bestellt und wurde eingeladen, es selbst kostenlos einzubauen. Ich hingegen spekuliere auf eine kleine Auszeit in Fagerness` hübschen Stadtcafé mit Zeitunglesen und Cappuccino. Ob die Zeit vielleicht auch noch für eine kleine schnelle Dusche in Boflaten, dem schönen Wikingercampingplatz von neulich, reicht?

Wir brausen erstmal hoch und dann runter durch die Ebene. Und dieses "Runter" ist es, was dann auch echt Nerven kostet. Wir wissen ja nun, was es bedeuten kann, wenn die Bremsen zu viel ackern müssen. So lange sie nur riechen und nicht rauchen ist alles gut. Aber was, wenn sie kaputt gehen? Eine Kurve nach der anderen schleichen wir bergab und mal wieder macht die Zimtschnecke ihrem Namen alle Ehre. Aber immerhin hält sie durch und nix geht kaputt.

Unten am Fuß des Berges kommen wir an einer alten Bergbau-Stadt vorbei. Still und umringt von Felsen und am Fuße eines riesigen Sees liegt sie verschlafen vor uns. Lebt hier überhaupt jemand? Und dann wieder Tunnel um Tunnel, bis uns die Landschaft sehr bekannt vorkommt. Aurland vor uns, wir hindurch, und dann Boflaten. Der Campingplatz sieht jedoch irgendwie anders aus, als wir ihn verlassen haben. Ein Paar Motorräder stehen in der Einfahrt. Was ist denn hier los?

Ich steige aus und schnell wird klar, hier findet ein saisonales Treffen der norwegischen Bikerclubs statt. Chris ruft aus dem Fenster "Willst Du echt so hier duschen?" Ich zucke mit den Schultern "Wenns geht!?" Es geht nicht. Der sehr nette Wikinger-Campingplatzbesitzer sagt, er habe ja Chris neulich schon erzählt, dass es ein paar Tage im Jahr gibt, an denen es dann doch hier voll ist. Und heute sei so ein Tag. "Tomorrow, they will all be gone and no one here again." Er sagt, ich könne nicht in die Duschen, es seien über 500 Männer dort unterwegs. Haha, ja ich frage mich zwar, wie die alle in eine Dusche passen aber möchte es dann auch nicht herausfinden.

Der gute alte Deo- und Trockenshampoo-Trick muss also mal wieder her halten und dann fahre ich mit meinem Bike nach Fagerness. Chris bleibt bei der Werkstatt und kümmert sich um die Zimtschnecke.

Natürlich wird es ein herrlicher Samstagmittag. Ich genieße den Kaffee in der Sonne, das Zeitunglesen, die Atmosphäre und das Beobachten der Fagernesser bei Ihrem Samstagseinkauf. Warum habe ich nicht schon viel früher mal so eine kleine Frauenauszeit initiiert? Chris tut es bestimmt auch mal gut, für sich zu sein und am Auto zu schrauben. Mir wird klar, dass wir seit vier Wochen ununterbrochen beieinander gewesen sind. Genau das war ja auch immer mein Wunsch und auch ein bisschen auch Sinn unserer Reise. Selbst im schönsten sich erfüllenden Traum braucht man aber wohl ein bisschen Abwechslung.

Ich stromere durch die Geschäfte und schaue nach norwegischen Schafswollsocken und anderen kleinen Accessoires. Und mir wird klar, dass ich ohne Chris gar nicht gerne kaufe und es viel schöner ist, wenn wir zusammen sind und stöbern. Wie schön, wenn man sich auch vermissen kann. Er schreibt mir, dass er fertig ist am Auto, ich mich aber nicht hetzen soll. Also gut, dann nur noch in den einen Modeladen mit den zwei netten Verkäuferinnen, die mir schon beim letzten Besuch hier eine neue Winterjacke sehr schmackhaft gemacht haben. Nach 6 Jahren mag ich mir das gönnen.

Mit vollgepackten Tüten radle ich wieder durch die herrliche Landschaft und freue mich über den warmen Sommertag. Als ich bei der Werkstatt ankomme, liegt Chris vor unserem Camper, nur im Muskelshirt, sein Cap falsch herum, Musik schwummert aus den Boxen und er grinst mich an. Ja! Ihm hat es auch gut getan zu werkeln und ein paar Probleme zu lösen. Sehr schön!

Die Tür funktioniert wieder einwandfrei und alles andere ist auch wieder in Schuss. Toll, dass er sowas kann und hier die Möglichkeit hat, sich Zeit dafür zu nehmen.

Schließlich machen wir uns wieder auf den Weg. Da es schon wieder späterer Nachmittag ist und Samstag, entschließen wir uns in der Nähe von Fagerness zu bleiben und nicht weit zu fahren. Der erste Campingplatz lässt uns jedoch gleich wieder rückwärts hinaus taumeln. Eine Wohnmobilburg vor dem Herrn. Spießiger, enger und für uns unpassender geht’s nicht. So unterschiedlich sind die Geschmäcker: In der App war dieser Campingplatz überaus gut bewertet und von der tollen Stimmung und den sauberen Sanitäranlagen wird geschwärmt. Saubere Sanitäranlagen gibt es allerdings überall hier im Lande. Der einzige Campingplatz, der nicht so pikobello saubere Duschen hatte, war der unter Deutscher Leitung. Ansonsten ist hier immer alles nicht nur sauber, sondern sogar liebevoll und schön eingerichtet. Oft sogar mit Musik in Lautsprechern und vielen Haken an den Wänden. Makellos, selbst in Kaufhäusern oder öffentlichen Plätzen. Und NATÜRLICH verlangt keiner Geld von einem dafür…

Der nächste Campingplatz, auch hier ganz in der Nähe heißt Strandheimen. Das klingt schön und es ist dort auch schön. Der uralte Campingplatzbesitzer spricht auch Deutsch und seine braungebrannte ebenfalls uralte und sehr nette Frau wäscht gerade ihren Pickup. Er zeigt uns einen wunderbaren ebenen Platz in der Abendsonne und wir freuen uns sehr. Wir haben besten Blick auf den See zu unseren Füßen und es ist still. Vor allem gefallen mir auch die warmen schönen Duschen. Fast alleine sind wir hier- lass uns doch noch ein bisschen länger bleiben!

Am nächsten Tag ist Sonntag- der letzte Tag bevor ich wieder arbeiten muss. Mal sehen wie das klappt, so von unterwegs aus. Ausgerüstet sind wir ja sehr gut. Aber ob das mit dem hochkomplexen IT-Sicherheitssystem an meinem Rechner und den verschiedenen Arbeitsplattformen mit denen ich arbeite, auch funktioniert?

Aber heute ist erstmal noch Urlaub und wir verbringen einen herrlichen Tag am Strand. Nachdem einige der wenigen anderen Besucher abgefahren sind, parken wir unsere Zimtschnecke um und stehen nun direkt am Wasser. Rein in den extra für nordische Gewässer gekauften Neoprenanzug, neue Schwimmbrille angelegt (nach 25 Jahren hab ich mir mal eine neue gegönnt und bin auch erstaunt, wie gut man plötzlich sehen kann unter Wasser) und Christians Schwimmbuoy zwischen die Beine geklemmt. Der gibt ordentlich Auftrieb und auch ein bisschen Sicherheit. Der See ist nämlich in Wirklichkeit ein Fjord und wer weiß, was es hier für Strömungen gibt.

Ich genieße das Schwimmen sehr. Und so schwimme ich recht lange und freue mich über das Gefühl der Freiheit.

Nachdem ich geduscht und gemütlich in meinem Onesie eingepackt bin, schaue ich im Gegenzug Bademeister Chris bei seiner Verwandlung in Schwimmer Chris zu und mache es mir, mal wieder mit Zeitung, gemütlich. Zwischendurch schaue ich immer mal wieder nach ihm- sicher ist sicher. Er schwimmt einen riesigen Bogen und ich weiß, wie gut ihm das tut. Herrlich.

Schließlich krönen wir unseren sportlichen Urlaubstag noch mit einer Runde Badminton, bei der wir beide viel rennen und lachen müssen. Zum Abendbrot gibt es die von Basti und Theresa uns zum Abschied geschenkte Pasta al Arrabiata. Selbst ich habe Tränen in den Augen ob der Schärfe und kann sie nicht ganz aufessen. Der leckere Geschmack geht ganz unter in dem Brennen in meinem Mund. Trotzdem schön!

Vier sehr aufregende Wochen Urlaub gehen auf eine gewisse Art zu Ende. Was für ein Abenteuer, das so ganz anders gestartet ist, als gedacht. Finkenstein, Flug nach Göteborg, Schweden, Norwegen, Wandern und nun hier. Gefühlt war die Zeit viel zu kurz, viel zu wenige Dinge haben wir erlebt. Vier Wochen sind doch schon sehr lang, sonst hatten wir immer maximal drei Wochen. Aber in die haben wir sonst auch viel mehr gepackt. Und diesmal konnten wir einfach unsere Zeit verschwenden. Halten wann wir wollen, bleiben, wo wir wollen, tun und lassen, was wir wollen. Und so sind die letzten vier Wochen einfach davongerollt.

Ab morgen startet also ein neues Kapitel in unserer Reise. Arbeiten von unterwegs. Büro mit Aussicht. Geld verdienen im Fahren. Mal sehen, was auf diesem Reiseabschnitt passiert.

Der Wecker klingelt (in dieser Umgebung hier würde es auch passen, wenn ein Hahn kräht) und ich schleiche mich aus dem Bett. Mit Kaffee und Laptop ausgerüstet setze ich mich glücklich auf die in der Sonne liegenden Holzsitzbänke mit Blick über den See. Was für ein perfektes Büro! So natürlich...

Schon bald schalte ich mein Headset ein und bespreche mich mit meinem Kollegen, der seinerseits in Singapur sitzt. Internetempfang, Emails, Zugang zu den Datenbanken- alles scheint wunderbar zu funktionieren.

Um 10 Uhr stromert Chris dann an mir vorbei und wir frühstücken gemeinsam im Sonnenschein am See. Frühstückspause, ist doch ok?!

Mein Arbeitstag vergeht recht entspannt, während Chris einkaufen fährt mit dem Rad. Wir verbummeln die Zeit, auch der Abend wird gemütlich und Dank elektrischer Mückenklatsche, kommen wir auch mit den hiesigen summenden Bewohnern „zurecht“.

Am nächsten Morgen fühlt es sich schon ein bisschen wie Routine an, als ich mit meinem Chef im wöchentlichen Meeting in der Sonne mit Kaffee auf den Holzbänken sitze. So kann es weitergehen. Chris geht Laufen und holt dabei Geld bei der Bank, denn wir wollen weiter und müssen in Bar bezahlen. Beim Mittagessen überlegen wir, dass es doch eigentlich ganz schön wäre, selbst so einen Campingplatz zu bewirtschaften. Ob es sich wohl lohnt, das alte Besitzerpaar hier zu fragen, ob sie schon Nachfolger haben? Letztlich ergibt es sich aber nicht, denn wir möchten auch nicht penetrant oder unangemessen sein. Aber ein kleines Samenkorn von einem neuen Traum ist vielleicht gepflanzt.

Wir wollen zur Tankstelle in Fagerness, Schwarzwasser ablassen und Müll entsorgen. Und dann fällt uns ein, dass wir doch eigentlich auch in der großartigen Werkstatt in Fagerness nach einem neuen Wassertank fragen könnten. Sie waren so nett dort und vielleicht helfen sie uns auch, den alten auszubauen. Warum nicht? Jetzt haben wir noch ein wenig Zeit, auf einen Tag mehr oder weniger kommt es ja nicht an. Wir gehen einkaufen in den Supermarkt und als wir rauskommen, sagt uns ein Blick auf die Uhr, dass die Werkstatt womöglich nun aber schon geschlossen hat. Es ist nach 17 Uhr. Wir fahren dennoch wieder dorthin und treffen auch den Chef. Aber er erklärt, wir können am nächsten Morgen wiederkommen. Dann könne man uns vielleicht wirklich helfen. Das klingt nicht zu schlecht. Sollen wir echt noch bleiben? Wir wollen doch eigentlich weiter nach Schweden.

Hm… Ach jetzt ist es ja auch schon spät. Nach Schweden- die Grenze befindet sich etwa vier Stunden von hier entfernt- schaffen wir es heute doch eh nicht mehr. Und Strandheimen war schön. Hm..

Wir haben auch Hunger. Oh man, diese Spontaneität hat auch manchmal ihre Tücken. Aber eigentlich wissen wir, dass es sich immer lohnt und sich alles fügt. Vertrauen ist der Schlüssel.

Wir fahren an Fagerness und am Campingplatz vorbei und halten an einem Restaurant, das bei Google gute Bewertungen hat. Hier bestellen wir uns jeder eine Pizza zum Mitnehmen. Während wir warten, schlendere ich über die Straße, denn ich habe in einem Schaufenster hübsche Holzmöbel und selbstgestrickte Socken entdeckt. „Hier möchte ich morgen nochmal hin, Chris!“

Dann trinke ich noch einen Wein- und dann ist die Pizza da.

Als wir wieder in Strandheimen einrollen, wirkt der uralte Besitzer gar nicht verwundert. Er sitzt gerade in der Abendsonne mit seiner Gemahlin auf deren Veranda und sie lächeln nur milde. Chris und ich fahren auf einen anderen Stellplatz, ebenfalls unten am Strand und stellen fest, dass es hier auch sehr schön ist. Gleich so, als wären wir wieder woanders. Dabei kennen wir uns inzwischen ja gut hier aus. Wir genießen unsere Pizza in der Abendsonne und ich freue mich, dass wir so flexibel sind und auch einfach wieder zurückkehren, wenn es sich ergibt. Eine liebe deutsche allein reisende Frau spaziert mit ihrem Hund an uns vorbei und lacht herzlich herüber. Ach, es ist schön, im Urlaub zu sein. Ach, bin ich ja gar nicht.

Und so stehen wir am nächsten Morgen gemeinsam früh auf. Chris hinterlässt mir mein Rad und Laptop und einen dicken Pulli zur Not. „Falls das Auto direkt vor Ort dabehalten wird und ich Dich nicht abholen kann.“

Viel Zeit zum Arbeiten bleibt mir nicht, da setzt sich die liebe Frau an meinen Tisch und wir plaudern übers Arbeiten von unterwegs und wie gut es sich anfühlt, etwas freier zu sein. Sie ist selbstständig und berät Yogalehrerinnen und -Lehrer bei ihrer online—Strategie. Was es nicht alles gibt... und dass jemand davon leben kann!?

Bald kommt auch schon Chris zurück, es ging also alles sehr schnell. Nix mit neuem Tank, es dauert zu lange, wenn sie ihn bestellen. Na gut, dann müssen wir das in Dresden erledigen.

Dann fahren wir eben los in Richtung Schweden. Diesmal aber wirklich. Bye bye Norge, es war schön bei Dir. So gerne wären wir noch hoch zu den Lofoten gefahren, aber laut Susanne, der selbstständigen Beraterin, liegt dort auch schon Schnee. Und wir haben ja auch nur noch 2 Wochen, bevor wir in Tampere in Finnland sein müssen. Und in Schweden gibt es ja auch noch viel zu entdecken.

Ach Norwegen.. wir kommen wieder! Ganz bestimmt! Tromsö und noch weiter hinauf- auf den Spuren von Roald Amundsen.. das würde mir gefallen! Wir sind dankbar, dass wir hier so viel Glück mit dem Wetter hatten und Sandviken, Oslos Vororte und Denkmäler und Cafés und die unfassbaren Hochebenen und Berge und Gletscher und Seen.. all das wird uns in unvergesslicher Erinnerung bleiben.

Ein letztes Mal fahren wir durch die Tunnel und an Felsen vorbei. Ich sehe jedoch nicht mehr so viel davon, habe ich doch den Arbeitslaptop auf den Knien und versuche, Produkte zu managen.

Es dämmert schon, als wir am norwegischen Zoll halten und fragen, ob wir hier noch die Steuer von den schönen neuen Sachen zurückbekommen. Leider funktioniert das so nicht- wir müssen die Belege einschicken bei Blue-irgendwas. Diese Firma, die sonst immer am Flughafen ist, wenn man Zoll zurückbekommen möchte. Na gut. Aber die Zollbeamtin ist so nett und erklärt mir das alles ganz in Ruhe und stempelt nochmal alles ab und… ach, machts gut, Ihr netten Norweger.

Um uns herum wird es mal wieder langsam dämmerig. Aus den Lautsprechern tönt ausnahmsweise mal nicht unser Reisesoundtrack, sondern der Sprecher des Hörbuchs von „Der Schwarm“, der eine nicht mehr so gänzlich fantastische Geschichte vom opulenten und erschreckenden Aufbegehren der Meereswelt gegen die Menschen erzählt.

Eine weitere halbe Stunde später erreichen wir die Grenze zu Schweden. Der Schlagbaum liegt unten, der Weg ist versperrt. Hunde bellen in der Nähe. Was nun? Wie kommen wir weiter? Wir müssen doch nach Schweden, warum sollten wir das nicht können? EU-Grenze geschlossen? Was nun?

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