zimtschneckenzeiten
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Epilog

Veröffentlicht: 02.01.2022

Die Kabine auf unserer Fähre ist winzig klein. Aber gerade groß genug für zwei schmale Betten, einen Schrank, einen Fernseher und ein Bad. Was brauchen wir mehr? Sogar ein Fenster haben wir. An Deck weht ein wahnsinniger Wind und die Sonne brennt. Das Essen ist okay, natürlich in Buffettform, und wir sitzen so, dass wir den Sonnenuntergang sehen können. Wir lesen und ich muss auch arbeiten, sogar ein Telefonat führen. Mein eigener Router ermöglicht das problemlos. Dazwischen Kuscheln und Fernsehen. Bis in den späten Abend hinein. Es sind Bundestagswahlen in Deutschland und überraschend gewinnt die SPD die meisten Stimmen. Ob unsere Stimmzettel angekommen sind, wissen wir nicht. Die finnische Post scheint nicht so effizient zu arbeiten, wie wir es uns gewünscht hätten. Gewählt haben wir trotzdem. Man hat immer eine Wahl. Immer. Es ist nur nicht klar, was man dann bekommt und ob es einem schmeckt. Ein bisschen Ausgeliefertsein bleibt immer. Auch in unserem so selbstbestimmten, scheinbar freien Leben.

Wir kuscheln uns auf Chris´ engem Bettchen ein. Es ist warm und gemütlich. Das Schiff ist zu groß zum Schwanken. Aber gefühlt, schwankt alles. Viele Erinnerungen in Kopf und Herz. Was bleibt sind wir beide. Und der Bus, unten im Bauch der Fähre? Behalten wir ihn? Wer weiß es schon.

Als wir in Travemünde einlaufen ist unser Herz schwer. Es ist spät abends, die Uhren dürfen zum Glück noch einmal um eine Stunde zurückgestellt werden. Vor uns liegt Deutschland. Lange nicht hier gewesen. Fast vergessen, wie es ist, manchmal fast vergessen, dass es ist. Wir kehren zurück aus einem Traum. Der natürlich ganz anders war, als er Wirklichkeit wurde. Und der anders in Erinnerung bleibt, als er war. Es ist immer nur das Jetzt. Die Vergangenheit und die Zukunft gehören uns nicht und sind nur Konstrukte dessen, was wir sehen wollen, was wir erlauben. Hier besitzen wir viel Macht. Im Jetzt sind wir ausgeliefert. Mitwirkende und Gestalter aber eben immer auch sehr, sehr begrenzt. Denn das Jetzt können wir nicht verändern. Es ist was es ist. Unsere einzige Möglichkeit zur Gestaltung liegt in unserer Perspektive. In unserer Entscheidung, wie wir das Jetzt bewerten. Ob wir es akzeptieren, mitgestalten oder ob wir es ablehnen und uns ihm entziehen. Da wir das nicht können, wird es dann zum Kampf. Also besser nicht sich wehren. Sondern mitmachen und irgendwas Gutes finden und es einbringen. Im Hier und Jetzt. Dann wird das Gestern eine wunderbare Erinnerung. Und davon haben wir nun viele. Sehr viele!

Das Schiff legt an und entlädt sich schnell. Wir brausen durch die Nacht. Es sind noch einige Stunden bis Senftenberg. Chris wird uns auch dorthin sicher ans Ziel bringen. Wie immer. Ich vertraue ihm. Es geht immer weiter, unsere Reise macht ja auch nur eine kleine Pause. 

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