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Etappe 13 - Im Norden Finnlands

Veröffentlicht: 02.01.2022

Stunde um Stunde düsen wir über gute Straßen durch hoch gewachsene und errötete Baumlandschaften. Nun ist also Ruska. Das, was wir vorher in Schweden bestaunt hatten, ist nun noch viel stärker ausgeprägt. Wir hätten es nie gedacht, dass das möglich ist, aber noch viel, viel stärkere Farben leuchten um uns herum, während wir durch Wälder und Seenlandschaften gleiten. Und Rentiere. Überall Rentiere. Schnell begreifen wir, dass sie hier wirklich nichts Besonderes mehr sind, sondern dazu gehören. Sie sind hier zu Hause. Der Mensch ist eher ein seltener Bewohner.

Es wird Abend und es wird dunkel. Diesmal sogar eine Stunde früher, denn hier ist eine andere Zeitzone. Irgendwie sind wir schon in Übung, im Dunklen zu fahren. Dennoch ist uns komisch, als wir quasi vor dem Ziel, das uns laut Google Maps angezeigt wird, im schwarzen Nichts landen. Nach einer kleinen Einfahrt tut sich der schwarze Wald auf. Es ist 22.30 Uhr und wir sind müde und haben etwas Hunger und an einer Weggabelung überlegen wir. Links oder Rechts? Die Angabe auf dem Handy ist nicht eindeutig. Schließlich entscheiden wir uns für links. Das Auto rumpelt und knackt, der Weg ist schmal und nur die Scheinwerfer geben uns ein schwaches Licht. Hier ist doch nichts. Oh man..

Irgendwann drehen wir um. Es war der falsche Weg. Nun sehen wir es auch auf unserem Handy. Wir hätten rechts gemusst. Wie können wir nun in dieser Dunkelheit wenden? Erst einmal rückwärts fahren. Ganz langsam. Zehn Minuten und ein paar graue Haare später sind wir dann noch einmal an der Gabelung und fahren diesmal rechts. Nun scheint es zu passen. Wie um Himmels Willen kommen die Bewohner denn hier hin, wenn es geschneit hat? Dann ist doch alles dicht!?

Unser Ankommen auf dem Hof, der im Dunklen kaum erkennbar ist, wird mit lautem und wilden Hundegejaul begleitet. Wir lachen und freuen uns sehr! Genau dafür sind wir ja hier. Eine weibliche Stimme beruhigt die Tiere rasch und dann ist wieder Ruhe. Stille. Wir haben auf dem offensichtlich dafür vorgesehenen Stellplatz geparkt und treten hinaus auf die wohl selbstgebaute Terrasse und schauen hinaus in den vor uns liegenden Wald, durch den die Sterne, der Mond und auch etwas Nordlicht? Schimmern. Gestern noch waren wir so weit weg. Ganz woanders, in einer ganz anderen magischen Welt gefangen. Nun hier. Finnland. Grünes Licht nicht mehr so wichtig, nun lieber Bäume. Und Huskys. Wir freuen uns und sind gespannt auf den nächsten Tag.

Dieser kommt schnell, denn wir werden von den Hühnern neben uns geweckt. Sie gackern und der Hahn kräht und offensichtlich sind die Besitzer nun auch auf den Beinen und noch zwei weitere Besucher. Gestern im Dunklen konnten wir das neben unserem Stellplatz ebenfalls selbstgebaute Plumpsklo erkunden. Jetzt, bei Tageslicht, zeigt sich so viel mehr. Ein Tipizelt steht vor uns und es hat Fenster und sieht sehr kuschelig aus. Der Blick geht direkt hinüber zum vor uns liegenden See, der glasklar und blau daliegt. Während ich noch etwas schüchtern bin, erkundet Chris bereits die Umgebung und quatscht mit unseren Gastgebern. Wir können heute, wenn wir mögen, eine Huskytour machen. Oder in die Sauna am See? Leider müssen wir am Abend weiter, denn es kommen neue Gäste, die leider allen Platz brauchen. Wir stromern über das Grundstück und direkt am Steg auf dem Weg zum See zeigt sich sowohl eine Sauna, als auch ein mit Fellen ausgelegtes Kochhäuschen. Darüber liegt eine kleine Blockhütte, die wohl für Gäste zu sein scheint, sowie ein großes gemütliches Holzhaus. Und das Wichtigste- drum herum ist das offensichtlich riesige, weitläufige Gehege, aus dem uns viele neugierige Augen anschauen. Es sind so viele Huskys, die hier einen eigenen Bereich haben, in dem sie sich zu Hause fühlen können. Schlafstellen, Kletterwege und Baumhäuser aus Holz, Hüttchen und Badestellen. Liebevoll und kreativ gebaut, das ist gleich klar. Und noch etwas wird uns klar, als wir kurz darauf Josephin und Markus dann auch kennenlernen. Die beiden haben hier im finnischen Lappland ein kleines Paradies geschaffen. Für sich und insgesamt 36 liebe glückliche muntere Huskys. Was ein Erlebnis.


Markus erklärt uns in Schweizerdeutsch, wie die Hunde funktionieren und zeigt die Futterstelle, an der jeder Hund seinen eigenen Platz, markiert durch Namen, hat. Er erzählt, wie sie die Hunde bei sich aufnehmen, wenn sie woanders unglücklich zu sein scheinen und dann mit viel Mühe und Liebe in das Rudel integrieren. Schnell wird klar- die beiden und ihre Hunde sind eine Familie und es ist leicht vorstellbar, wie sie wohl auch wenn nötig draußen bei den Tieren übernachten. Jedenfalls hat jedes Tier einen Namen und natürlich einen eigenen Charakter. Insgesamt sind Huskies jedoch alle sehr familiäre, Nähe bedürftige Tiere, die aber eben ihren eigenen Kopf und natürlich einen hohen Bewegungsdrang haben. Wir können es kaum erwarten und schon bald öffnet Markus das Tor zum kleineren Gehege, in dem die Neuankömmlinge gemeinsam mit der Rudelchefin und ein paar besonders sozialen Tieren in den ersten Wochen an die Umgebung und ihre neue Familie gewöhnt werden. Sofort haben wir fünf oder sechs Schnauzen an unseren Händen, was eine ganz normale Begrüßung ist. Die Hunde sind aufgeregt und freuen sich und sind wuselig und schmusen um unsere Beine und Hände herum. Ich bin im Glück. So viel Energie und Liebe und Neugierde. Wir lachen und hören Markus aufmerksam zu und fragen viel und wollen nichts vergessen aber alles verstehen.

Schließlich geht es wieder hinaus und nun heißt es, die Tiere auf eine Ausfahrt vorzubereiten. Dazu werden wir den Sommerwagen, ein Schlitten auf dem einer sitzt und der andere dahintersteht und die Tiere lenkt. Ohne Kufen, sondern mit Reifen eben. Die Hunde sind sehr freudig aufgeregt nun und wuseln auf dem Hof herum. Josephine, die inzwischen dazu gekommen ist, gemeinsam mit einem anderen Pärchen, das hier für einige Wochen Praktikum macht, hilft mit. Uns werden Namen der Hunde genannt, die wir dann am Halsband ausfindig machen, ihnen Geschirr umlegen und sie dann an die vorgesehene Stelle an der Leine einklicken. Immer zwei nebeneinander. Die Hunde machen gerne mit, wobei sie Sorge haben, dass sie nicht mitdürfen und daher sehr unruhig werden, wenn sie zu den letzten gehören. Der Schlitten ist fest an einem Pfahl angebunden, damit die Tiere in ihrer Aufregung nicht einfach losrennen, sobald sie eingespannt wird. Wie von Josi angekündigt, beginnen die Tiere sehr laut zu jaulen, sobald sie am Schlitten hängen. Sie freuen sich so sehr und können es nicht erwarten und man versteht wirklich sein eigenes Wort kaum. Darum geht nun alles auch sehr schnell, ich springe auf den Wagen und kaum ist der letzte Husky, das Leittier, eingespannt, löst Josi das Band vom Schlitten und dieser rast vom Hof. Es geht alles so schnell wie in einer Achterbahn und ich halte mich gut fest.

Markus, der hinter mir am Lenker steht ruft den Tieren „Links“ und „rechts“ mit zwei erdachten, sehr unterschiedlich klingenden Kommandos zu. Die Tiere rennen und rennen, aber er bremst immer wieder ab. Sie sollen sich nicht überanstrengen. So erfahre ich dann unterwegs auch von ihm, dass sie im Sommer Stück für Stück in ihrer Ausdauer trainiert werden, damit sie dann im Winter fit sind. Und auch dann sollen sie nie zu viel Power am Anfang geben, denn die Strecken können weit sein. Dabei gilt es, genau auf ihr Tempo und ihre individuelle Lauffähigkeit, sowie Kondition, Geschick und Folgsamkeit zu achten. Jedes Mitglied im Rudel hat eine andere Rolle und so auch vor dem Schlitten/Wagen. Sie rennen entlang von kleinen Waldwegen, über Stock und Stein. Ein wenig komisch komme ich mir schon vor, so untätig wie eine alte Schachtel im Wagen zu sitzen und durch die Tundra gezogen zu werden. Kutschfahrten haben immer was von Sich-bedienen lassen. Aber ehe ich mich versehe, fragt Markus, ob ich selbst mal lenken will. Was für eine Frage? Und natürlich, ganz instinktiv, gebe ich ordentlich Gas. Lasse also die Bremsen los und das Gefährt schnellt von dannen. Markus, der seinerseits nun vorne sitzt, bittet mich, etwas langsamer zu fahren. Ach ja, die Hunde. Peinlich berührt muss ich mir eingestehen, dass ich für kurze Zeit einfach nur „Speed!“ im Kopf hatte, so wie man das eben vom Auto kennt. Dass es hier um gezieltes Training und auch erforderliche Achtsamkeit, um der Lebewesen willen geht, ist mir wirklich einen Moment entgangen. Oh man…

Als wir wieder in den Hof rollen, kommen uns Chris und Josi entgegen und helfen direkt beim Abschnallen der Hunde. Dann bekommen sie erstmal ordentlich Wasser vorgesetzt und können sich erholen. Gleichzeitig beginnen wir mit dem Einspannen von „Chris` Rudel“. Auch hier machen die Hunde wieder großartig mit und es macht solche Freude, ihnen behutsam das Geschirr anzulegen und ihre Vorfreude zu spüren. So viel Energie und Fröhlichkeit! Herrlich. Kurze Zeit später rast der Schlitten mit Chris vom Hof und Josi und ich gehen ins Hundegehege, setzen uns auf eine mit Fell ausgelegte Sitzgarnitur und trinken Glögg, finnischen Glühwein. Lecker! Sie erzählt, wie sie und Markus sich vor ein paar Jahren bei einem Praktikum auf einer Huskyfarm kennengelernt haben und dann in der Schweiz mit 4 Huskies begonnen haben. Wie sie alles geplant und von dort aus aufgebaut haben- selbstgebaute Messestände für viel Marketing inklusive. Dann irgendwann seien sie nach Finnland gegangen, doch der behördliche Kram war recht kompliziert. Und dann kam Corona. Ihre Vorstellung vom nachhaltigen, liebevollen Huskytourismus, auch für Eltern und Geschwister schwer kranker Kinder, musste erstmal warten. Einen kalten, langen und sorgenvoller Winter haben sie in Lappland erlebt und doch nicht aufgegeben. Immer mehr Hunde kamen hinzu, denn auf anderen hiesigen Huskyfarmen seien diese oft unangenehmen Bedingungen ausgesetzt, eingesperrt in zu engen Käfigen oder die Besitzer seien überfordert. Dann nähmen die zwei sie auf und kümmerten sich um deren Eingliederung. Schließlich, im letzten Frühling, war Markus dann für ein paar Monate in die Schweiz gegangen zum Geld verdienen. Josi blieb allein auf dem Hof und sorgte für die Tiere. Wahnsinn, wie sehr man manchmal für seinen Traum kämpfen muss und was man dann auch schaffen kann. Zwischendurch kommen die Hunde immer wieder zu uns, kuscheln sich neben uns ein oder wollen ganz offensichtlich gestreichelt und mit einbezogen werden.

Auch mein Chris kommt mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, nun selbst am Steuer, in den Hof gefahren. Noch einmal Abschnallen und Wasser bereitstellen, noch etwas quatschen und sich austauschen über Erlebtes, Erhofftes und schöne Aussichten. Dann verabschieden wir uns. Josi und Markus erwarten heute noch neue Gäste und wir möchten sie nicht zu lange in Beschlag nehmen. Ganz offensichtlich haben sie sehr, sehr viel zu tun. Wir sind dankbar für die Zeit und dass unser Besuch so spontan, ganz in unserem Sinne, möglich war.

Als wir weiter fahren wissen wir, dass wir wieder kommen. Es war zu schön mit den Tieren zu arbeiten und in der Natur zu sein und anzupacken und für einen klitzekleinen Augenblick teilzuhaben an einem mühsamen aber von Liebe und Energie erfüllten Leben.

Nun ist es also soweit. Lange konnten wir es vor uns herschieben. Haben sogar noch um ne Woche verlängert. Aber nun gibt es keinen Aufschub mehr. In zwei Tagen müssen wir in Tampere sein. Das sind 1000 Kilometer finnischer Ruska. Stunden über Stunden vorbei an einer Landschaft, die uns erneut unerwartet in ihrer Einmaligkeit den Atem raubt. Die Farben der Bäume, der Sträucher, der Blumen, der Natur sind einmalig und wir verlieren uns darin. Tauchen ein und trinken den Herbst mit den Augen. Wir schwimmen im Meer vorbei an ungezählten Seen, weißen Rentierherden und durch endlose Wälder. Einen einzigen Zwischenstopp legen wir ein an einem eher ungemütlichen, aber sauberen Campingplatz um zu duschen (wir riechen noch nach Hund) und Geschirr (es riecht nach Essen) zu waschen. Dann, frisch duftend, geht es weiter und wir biegen ab. Plötzlich befinden wir uns auf der rumpeligsten Straße seit Jokmokk und nach 10 Minuten begreifen wir, dass unser anvisierter Schlafplatz am See weitere 20 Minuten Fahrt über diesen Weg, der diese Bezeichnung nicht verdient, mit sich bringt. Zum Umkehren ist es aber irgendwie zu spät und wir entscheiden uns für Daumendrücken und Schwitzen. Noch ein geplatzter Reifen und das dann hier im finnischen Wald- nein danke!

Wir schaffen es, werden aber leider nicht belohnt. Der einsame Platz am See ist schon von einigen anderen Campern besucht und so verkrümeln wir uns- es ist eh fast wieder dunkel- schnell in unserem gemütlichen fahrenden zu Hause.

Am nächsten Morgen gönnen wir uns immerhin ein Frühstück am See, bevor wir weiter eilen. Es gilt Kilometer zu machen. Aber erst einmal fahren wir den rumpeligen Weg wieder zurück und begegnen diesmal nicht sehr freundlich dreinschauenden Jägern am Wegesrand. Wer weiß, welchem Elch oder Bär wir damit das Leben gerettet haben?

Bären. Ja die hätten wir gern gesehen. Dazu müssten wir aber nochmal ganz in den Osten, an die russische Grenze. Hier werden Bärenwanderungen angeboten. Leider sind wir schon zu weit inzwischen und die Planung zu sehr fortgeschritten. Selbst wenn wir die verrückte Extrastrecke auf uns nähmen, würden wir für den Beginn der Tour inzwischen zu spät kommen. Ok. Man braucht ja auch noch Ziele im Leben. Wir haben ja nun wirklich so viel gesehen und erlebt. „Seids mal zufrieden!“

Ein lausiger Ersatz für die Bärentour ist der Halt auf dem Polarkreis, wo ein Weihnachtsmanndorf mit allerlei Klimbim für die ganze Familie errichtet wurde. Da der Weihnachtsmann so gut wie ausschließlich in China produzieren lässt, verlassen wir umgehend sein Dorf wieder. Jedoch nicht ohne- ich gebe es zu – ein paar lang ersehnte Hausschuhe für den Camper erworben zu haben.

Den zweiten Zwischenstopp machen wir bei einer süßen kleinen Raststelle, ebenfalls an einem See gelegen. Eine sehr liebe Frau steht in einem Bretterverschlag und verkauft Eis, Süßigkeiten und.. Bilder. Also ersteres kaufe ich direkt, letzteres zeigt sie mir in der Scheune nebenan, die wohl sehr alt ist und sich daher für die Ausstellung der selbstgemalten Tierbilder gut eignet. Mir gefällt das alles sehr gut und ich bitte Chris, es sich auch einmal anzuschauen. Er steigt aus und tut mir den Gefallen. Beschwingt vom herzlichen Gespräch mit der Frau, die auch ein wenig Deutsch konnte, fahren wir weiter. Schließlich halten wir an einem Campingplatz, direkt an der Autobahn. Ungläubig schaue ich Chris an. Einmal mehr dankbar, dass er so oft geduldig ist, schlägt er mir vor, dass wir uns den Platz doch wenigstens mal ansehen und dann natürlich entscheiden können, ob wir doch noch weiterfahren. Gesagt getan. Und tatsächlich liegt der Campingplatz direkt am Meer. Und das hatte sich Chris gewünscht. „Noch einmal am Meer sein.“

Der Platz, den wir uns dann aussuchen dürfen, liegt weitab von den anderen Campern und verspricht wilde Romantik. Direkt am Meeresstrand, umgeben von Bäumen, das Rauschen der Autobahn wie ein Rauschen der Wellen. Okay.


Einen großen Schreck bekomme ich, als, nachdem ich gezahlt habe, just ein riesiger Reisebus auf den Platz fährt. Voll gepackt mit Menschen. Oh nein! Vorbei mit der Idylle!? Wie Ameisen wuseln sie aus dem Bus und verteilen sich sogleich auf die am Waldrand, in sicherer Entfernung von uns gelegenen kleinen Hüttchen, die wohl genau für solche „Kaffeefahrten“ gemacht sind.

Die Mücken sind zurück und wir können nicht lange im gemütlichen Schein unserer Laterne sitzen, sondern kuscheln uns bald in unseren Bus. Morgen werden wir Tampere erreichen… so weit sind wir gekommen, so viel haben wir gesehen.. und doch gibt es noch so viel zu träumen..!

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