Wir reisen, also sind wir
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Guatemala: Quetzaltenango (Xela)

Veröffentlicht: 18.03.2018

Quetzaltenango wird von den Einheimischen eigentlich nur Xela genannt. Gottseidank. Denn das ist ja wieder so ein Zungenbrecher von Name, den kein Mensch aussprechen kann.
Wir buchten ein Shuttle von San Pedro und es hiess der Bus würde direkt nach Xela fahren. Weit gefehlt. Plötzlich hiess es dann nämlich, wir müssten unterwegs doch umsteigen. Juhu. Unterwegs machte der Bus dann also Halt an einer Tankstelle mitten im nirgendwo. Wie sich dann aber herausstellte, waren wir die einzigen beiden Personen, die vom Umsteigen betroffen waren, und wir waren positiv überrascht, als ein PW schon bei der Tankstelle wartete, um uns abzuholen. Und so gestaltete sich die Weiterreise um einiges komfortabler als erwartet. Unser Fahrer war Luis, ein sehr netter Mann, der sich sofort geschäftig daran machte, uns die Sehenswürdigkeiten um Xela aufzuzählen und uns Angebote für Privatfahrten in die Region zu machen. Wir bedankten uns und nahmen seine Nummer entgegen, damit wir darauf zurückkommen könnten.

Denn eigentlich hatten wir vor allem geplant, in Xela einen Webkurs zu machen. Und so machten wir uns am nächsten Tag auf den Weg zu der Webkooperative Trama Textiles. Die Webkooperative, so wie viele andere auch, wurde im Jahr 1988 während des Bürgerkrieges in Guatemala gegründet. Zu dieser Zeit hatten viele Frauen ihre Väter, Männer und Söhne im Krieg verloren und mussten andere Wege finden, ihre übriggebliebenen Familienmitglieder über die Runden zu bringen. Die indigenen Frauen sprachen zudem kaum spanisch, waren Analphabeten und hatten keine Ausbildung, so dass es für sie schwierig war, einen Job zu finden. Mit Hilfe ausländischer Hilfsorganisationen schlossen sich diese Frauen zu Webkooperativen zusammen, um mit ihren auf traditionelle Maya-Art handgemachten Produkten ein faires Einkommen für ihre Familien zu erzielen. Ausserdem konnten auf diese Weise kulturelle Traditionen erhalten und weiterentwickelt werden. Heutzutage sind der Kooperative 400 Frauen aus 17 verschiedenen indigenen Gruppen aus 5 Regionen Guatemalas angeschlossen. Jede der 17 Gruppen hat 2 Repräsentanten, die die Sprache der jeweiligen Gruppe und Spanisch sprechen. Diese Repräsentanten besuchen die einzelnen Frauen, um ihnen ihre Arbeiten abzukaufen und diese anschliessend der Kooperative für den Weiterverkauf zur Verfügung zu stellen. Trama Textiles bietet ausserdem «Triff-die-Weberinnen»-Touren an, und eben Webkurse.
Jörg und ich buchten einen 10-stündigen Kurs, während dessen wir einen Schal weben sollten. Die ganze Sache ist sehr unkompliziert. Man webt einfach den Schal fertig, es schaut niemand auf die Uhr, man hat solange man eben hat. Weben kann man wann man will, und solange man will. Die Kooperative hat festgelegte Öffnungszeiten von Montag bis Freitag, während derer man einfach vorbeikommen und an seinem Schal weitermachen kann, wenn man Lust und Zeit dazu hat. Es sind immer 2 Frauen anwesend, die einem bei Fragen weiterhelfen. Allerdings waren sie nicht sehr proaktiv und haben selten von sich aus geschaut, ob alles gut läuft, erst wenn man sie gerufen hat. Jörg hat sich darüber ziemlich aufgeregt, da er immer wieder Probleme mit losen Fäden in seinem Webrahmen hatte und ihn die Frauen ein wenig damit im Stich liessen.
Im Gebäude der Kooperative lebt auch eine der Familien, daher waren immer einige Leute anwesend. Und auch hier war sehr auffällig: Die Frauen arbeiten, die Männer hocken den ganzen Tag herum und tun gar nichts. Ausserdem leben dort auch 2 Mädchen im Teenager-Alter, und jedes Mal wenn wir dort waren, war eine von denen lautstark aus irgendeinem Grund am Heulen. Das war teilweise etwas unangenehm und lenkte auch ein wenig von der Arbeit ab. Schliesslich kommt man sich immer etwas doof vor, wenn man hautnah Zeuge von irgendwelchen Familiendramas fremder Leute wird.
Als erstes mussten wir die Baumwolle zu Kugeln aufrollen, das hat schon eine gefühlte Ewigkeit gedauert und war ganz schön mühsam für die Finger mit der Zeit. In einem zweiten Schritt wurden die Wollkugeln um eine Holzstruktur gewickelt, um das Längsmuster des Schals zu erhalten. Dies erforderte einiges an Konzentration, da man immer mitzählen musste, um die richtige Anzahl Längsfäden zu erhalten. Anschliessend bereiteten die Frauen für uns die Webrahmen vor. Während dessen haben sie uns zum Mittagessen geschickt, wir nehmen an, sie wollten uns nicht in sämtliche Geheimnisse ihres Kunsthandwerks einweihen. Auch andere Webschüler hatten uns erzählt, dass sie nicht zusehen konnten, wie die Rahmen aufgespannt wurden. Anschliessend gings jedenfalls an die Fleissarbeit: das Weben selber. Es ist wirklich eine sehr beschauliche Arbeit, aber auch sehr anstrengend, da es mit der Zeit ganz schön in den Rücken geht. Wir konnten währenddessen wenigstens noch auf Stühlen sitzen, die indigenen Frauen sitzen zum Weben auf dem Fussboden. Ausserdem erfordert es einiges an Konzentration, um (möglichst fast) keine Fehler zu machen, nach ein paar Stunden Weben am Stück war man jedenfalls schon ziemlich geschafft. Wir benötigten wohl etwa 12 Stunden während 3 Tagen, um unsere Schals fertig zu stellen. Schlussendlich waren wir sehr stolz auf unser fertiges Produkt, obwohl es auch einige Fehler drin hat, aber man darf ja schliesslich auch sehen, dass es selbst gemacht ist, oder etwa nicht? Es war jedenfalls eine sehr bereichernde Erfahrung, selber an der täglichen Arbeit, die diese Frauen verrichten, teilzuhaben und den Entstehungsprozess eines solchen Produktes zu erleben, statt es nur auf der Strasse zu kaufen.

Während unserer Zeit in Xela sind wir immer morgens losgezogen und haben etwas unternommen und sind nachmittags zur Webschule gegangen, um an unseren Schals weiterzuarbeiten. So konnten wir auch einige Orte rund um Xela besuchen. Kurz vor unserer Abreise hatten wir eine befreundete Familie von Jörgs Mutter, Ruth und Eddy besucht, die selber schon viele Male in Guatemala unterwegs waren. Sie schwärmten von dem Land und meinten, dass ihnen besonders die Herzlichkeit und Freundlichkeit der Guatemalteken gefällt. Nach unserer ersten Zeit in Guatemala hatten wir uns etwas über diese Aussage gewundert, da wir die Einheimischen bisher zwar tatsächlich als sehr freundlich aber eher als zurückhaltend und nicht unbedingt als sehr herzlich empfunden hatten. Tatsächlich änderte sich dies in Xela, und wir müssen Ruth und Eddy nach unseren Tagen dort durchaus zustimmen. In Xela, und besonders in den umliegenden Dörfern, gibt es einiges weniger Touristen als andernorts, entsprechend auch weniger eine eigene Infrastruktur für die Touris und dort durften wir wirklich die warmherzige Art der Einheimischen kennenlernen. Sie waren viel offener, kamen auf uns zu, sprachen mit uns, fragten woher wir kämen und hiessen uns bei sich willkommen.

In Xela selber bewegten wir uns hauptsächlich im Stadtzentrum rund um den zentralen Park, wo es einige schöne Kolonialbauten und Kirchen gibt. Wir besuchten auch noch den zentralen Markt, aber den kann man getrost vergessen. Obwohl wir herausfanden, dass vieles des Kunsthandwerks, welches überall im Land verkauft wird, hier in Xela hergestellt wird, findet man hier wenig davon. Und das was es hier gibt, ist zwar günstiger aber dafür eher in schlechterer Qualität.
Auch hier liefen wir sonntags zufällig in eine religiöse Prozession, ähnlich der, die wir schon in Antigua gesehen hatten. Religiöse Bildnisse werden mit viel Pompom, Musik und Weihrauch durch die Stadt getragen.

Freitags fuhren wir nach San Francisco el Alto, wo ein grosser wöchentlicher Markt stattfindet. Die Anfahrt war etwas nervenaufreibend, denn es war gar nicht so einfach den Ort zu finden, wo die Busse nach San Francisco abfahren. Aber auch hier waren die Leute sehr hilfsbereit und so fragten wir uns von einem zum nächsten durch. Am Schluss lud uns sogar noch ein Busfahrer einer anderen Linie ein und nahm uns gratis mit bis zur richtigen «Bushaltestelle» (also einfach irgendein unscheinbarer, nicht gekennzeichneter Ort an der Strasse, Gott allein weiss, wie man darauf kommen soll). Der Markt in San Francisco ist ein Markt für die Locals, es gibt also kein Tourizeugs und keine Souvenirs zu kaufen, sondern einfach Produkte des täglichen Bedarfs für die Einheimischen. Dafür bekommt man günstig Stoffe und bestickte Roh-Blusen (die noch seitlich auf die richtige Grösse zugenäht werden müssen), für die man auf dem Touri-Markt ein Vermögen zahlen würde. Der Markt ist riesig und man würde es hundertprozentig schaffen sich hoffnungslos zu verlaufen, wenn er nicht direkt an einem steilen Hang liegen würde, so dass man sich wenigstens daran orientieren kann, dass man irgendwo von unten gekommen ist.
Zuoberst auf dem Hügel liegt das «Highlight»: der Viehmarkt, der auf dem sandigen Fussballplatz vor der Kirche stattfindet (Bei Wind Augen zuhalten!). Feilgeboten werden alle möglichen Tiere: Kühe, Schafe, Schweine, Hühner, Truthähne, Kaninchen, Hunde, Katzen, Enten, etc. Es war sehr amüsant das Treiben zu beobachten, wenn ich auch nach einer Weile das ständige herzzerreissende Quicken der Schweinchen kaum mehr ertragen konnte. Die Leute gehen hier halt auch nicht gerade zimperlich um mit den Tieren, Tierschutz und biologische Freilandhaltung kennt man hier halt (noch) nicht. Jörg hat spasseshalber ein wenig rumgefragt, was denn die Tiere kosten, und ob es Mengenrabatt gäbe. Tatsächlich glaubten wohl einige Verkäufer, dass wir ein paar Schafe in unser Reisegepäck quetschen könnten, wobei ich mir tatsächlich überlegt hätte, eines der kleinen, quickenden Ferkelchen zu adoptieren, wenn es dann auch so klein bleiben würde. Ein Schaf jedenfalls hätte 500 Quetzal (ca. 72 Fr.) gekostet, ein Schweinchen 400 Quetzal (ca. 57 Fr) und ein Kaninchen 40 Quetzal (ca. 5.70 Fr.). Na? Lust bekommen auf Kaninchenbraten? 😊

Samstags hatten wir vor nach San Andres Xecul zu fahren, wo die bekannteste Kirche Guatemalas steht. Die Kirche ist wohl in jedem Reiseprospekt und auf jeder Touri-Broschüre über Guatemala zu sehen, obwohl sie in einem völlig unscheinbaren Ort liegt, wo es ansonsten nicht besonders viel zu sehen gibt. Nach dem Bus-Desaster vom Freitag hatte ich absolut keine Lust, wieder eine Ewigkeit in der Gegend rumzulaufen, um erstmal die «Bushaltestelle» zu finden. Also kontaktierten wir kurzerhand unseren Freund Luis, der Fahrer der uns auf halber Strecke von San Pedro abgeholt hatte, und heuerten ihn an, um uns nach San Andres zu fahren. Natürlich war die Privatfahrt um einiges teurer als die Busfahrt, aber es hat sich gelohnt, denn Luis ist ein wirklich netter Kerl, dem man gerne einen kleinen Zusatzverdienst gönnen mag und wir hatten auch wirklich sehr interessante Gespräche mit ihm. Er erzählte uns von seiner Familie, 12 Geschwister seien sie, 8 Schwestern und 4 Brüder. 2 Brüder würden in den USA leben und hätten kaum mehr viel Kontakt zur Familie. Sie würden zwar regelmässig Geld schicken und zu Weihnachten anrufen, aber sie würden nicht mehr nach Guatemala zurückkehren. Er selbst hat 5 Kinder, eigentlich hätte beim vierten Schluss sein sollen, aber dann kamen noch Zwillinge.
Wir kamen auf die indigenen Kleider zu sprechen und fragten ihn, warum eigentlich hauptsächlich die Frauen die indigenen, farbigen Trachten tragen würden, die Männer hingegen kaum, sondern eher normale Jeans und T-Shirts. Er erzählte uns, dass es sehr teuer sei, diese Kleider zu kaufen, nicht nur für die Touristen, sondern auch für die Einheimischen. Viele der indigenen Frauen können sich ihre aufwändigen Kleider selbst weben, aber die, die es nicht können, müssen solche für teures Geld kaufen. Dabei würde eine vollständige Tracht mit Rock, Bluse und Gürtel schnell mal 2000 Quetzal (ca. 290 Fr.) kosten. Eine Jeans sei um ein Vielfaches günstiger als eine traditionelle, gewebte Männerhose. Viele Leute hätten einfach eine Tracht zuhause, die sie zu besonderen Anlässen und Feierlichkeiten tragen würden. Teilweise würden die Leute die teuren Kleider sogar auf Anzahlung kaufen und in Raten abzahlen. Aber gerade er selber mit seinen 5 Kindern könne es sich nicht leisten, die ganze Familie mit traditionellen Sachen einzukleiden. Das ist ja eigentlich schon auch irgendwie absurd, wenn ein Volk sich irgendwann die eigene Tradition und Kultur nicht mehr leisten kann. Vor allem wenn man bedenkt, dass es interessanterweise eher die ärmsten Leute sind, die eigentlich in den teuersten Kleidern rumlaufen, einfach weil sie diese selber herstellen können.
Es gab einen weiteren grossen Vorteil, mit Luis zu fahren: Er fuhr uns nicht direkt zur Kirche, sondern erst zu einer kleinen Kapelle weiter oben im Dorf. Von dort aus hatte man einen atemberaubenden Blick auf die Kirche weiter unten. Atemberaubend vor allem deshalb, weil die leuchtend gelbe Kirche extrem aus dem Einheitsgrau des Dorfes heraussticht. Gleich neben der Kapelle gab es eine seltsame Plattform, wo Rauch aufstieg und Asche lag. Luis erklärte uns, dass die Leute hier traditionelle Maya-Zeremonien abhalten würden, um für allerlei Dinge zu beten, zb. Für sich selber Wohlergehen, Gesundheit, Glück in der Liebe oder Erfolg im Geschäft, aber auch manchmal sogar aus Rachedurst und Schadenfreude, um anderen Leuten Pech und Misserfolg zu wünschen. Er selbst habe auch mal einige Jahre in den USA gelebt und er habe vor seiner Abreise einen Schamanen engagiert, um eine solche Zeremonie abzuhalten, um für Glück und Erfolg für die Reise zu beten. Das wäre sehr teuer gewesen und habe damals etwa 3000 Quetzal gekostet (ca. 430 Fr.). Luis erzählte uns, dass im Rahmen der Zeremonie verschiedene Dinge in ein grosses Feuer geworfen und so geopfert würden, manchmal würde sogar vor Ort ein Huhn geschlachtet und ins Feuer geworfen. Wir hatten tatsächlich zuvor auch schon von solchen Zeremonien gehört, die für Touristen abgehalten wurden, aber wir hatten dies für ein reines Touri-Spektakel gehalten (und deshalb auch nicht weiter danach gesucht). Umso überraschter waren wir zu erfahren, dass die Einheimischen diese Riten tatsächlich noch immer praktizieren.
Luis deutete auch noch auf einige Terrassen und Dächer von Häusern wo Unmengen an Baumwollsträngen in allen möglichen Farben hingen und erklärte uns, dass San Andres einer der Hauptorte ist, wo Baumwolle mit natürlichen Zutaten gefärbt wird.
Anschliessend vereinbarten wir, dass Jörg und ich zu Fuss durch das Dorf hinunter zur Kirche gehen würden, während Luis dort mit dem Auto auf uns warten würde. Und so spazierten wir gemütlich ein wenig durch San Andres, bevor wir dann zu der berühmten gelben Kirche gelangten, um sie uns aus der Nähe anzuschauen.
Wie gesagt gibt es in San Andres ansonsten nicht besonders viel zu sehen, und so machten wir uns bald wieder auf den Rückweg.

Sonntags entschlossen wir uns einen gemütlichen Tag zu verbringen und schliefen erstmal in Ruhe aus. Anschliessend fuhren wir mit einem Shuttlebus zu den Fuentes de Georginas, ein Thermalbad bestehend aus einigen kleinen Becken, welche mit Wasser aus dem vulkanischen Boden gespeist werden. Da es Sonntag war, war es auch entsprechend voll mit Touristen und Einheimischen. Natürlich wollte ich mich persönlich davon überzeugen, dass das Wasser, welches direkt aus dem Berg hinaus ins Badebecken tropfte auch wirklich warm war, und stellte fest, dass es sogar kochend heiss war. Und so planschten und entspannten wir also 2h im heissen Wasser, bevor das Shuttle wieder zurückging. Wir machten uns einen Spass daraus, zwischendurch unter die eiskalte Dusche zu springen und dann wieder rein ins warme Becken. Noch spassiger war es, zuzuschauen, wie das Grüppchen Einheimischer, das neben uns im selben Becken war, anfing, es uns nachzumachen.
Abends fuhren wir zum Restaurant «La Panorama» in Xela, welches von einem Schweizer geführt wird. Dem Namen entsprechend hatte man wirklich eine umwerfende Aussicht auf die nächtlichen Lichter von Xela. Und es gab dort: Fondue (und unter anderem auch Geschnetzeltes mit Röschti)! Man muss dazu sagen, dass das Fondue ziemlich teuer war und dass die Portion so winzig war, dass man kaum davon satt wurde. Nachschub an Brot musste man extra zahlen und musste 10 Minuten auf das zusätzliche Brot warten, so dass das Fondue währenddessen schon anfing in der Pfanne einzukochen. Aaaaber: es war ein Stück Heimat, welches wir sehr genossen haben. 😉

Montag morgens machten wir uns vor dem Webkurs auf Richtung Zunil. Diesmal gingen wir wieder mit dem Bus und diesmal fanden wir auch die Haltestelle auf Anhieb. Nach Zunil fuhren wir, um San Simon zu besuchen. San Simon ist in Guatemala ein Volksheiliger, der von den Einheimischen verehrt wird. Es gibt Schreine für ihn an verschiedenen Orten. San Simon wird in einem eigens für ihn reservierten Gebäude oder Raum verehrt. Sein Aufenthaltsort wechselt alljährlich, daher muss man ihn erstmal finden (mit einem Tuktuk natürlich kein Problem, jeder der Einheimischen weiss, wo er sich befindet). Die Cofradia-Familie, die jedes Jahr ihm Rahmen einer Feier neu gewählt wird, ist dafür zuständig, über den Schrein zu wachen und ihn zu pflegen. Täglich statten ihm viele Dorfbewohner einen Besuch ab. Als Gaben bringen sie Kerzen, Blumen und Blütenblätter mit, die sie auf dem Boden oder auf kleinen Altären aufstellen bzw. ausbreiten. Vor allem aber spielen Alkohol und Zigarren bzw. Zigaretten eine große Rolle bei der Hervorbringung seiner heilenden und helfenden Kräfte – manchmal wird der Stuhl, auf dem er sitzt, nach hinten gekippt und einige Tropfen Schnaps werden ihm eingeflößt; die Zigarren und Zigaretten werden von den Männern angeraucht und ihm dann glimmend in den Mundwinkel gesteckt. Die Luft ihm Raum ist voll von Weihrauch und einige Leute sassen versammelt an kleinen Tischchen und tranken Bier, als wir dort waren. Wir (als Touristen) mussten natürlich einen kleinen Obulus bezahlen, um ihn sehen zu dürfen, und noch einen weiteren, um Fotos machen zu dürfen.
Die Dame, die bei ihm wachte und das Eintrittsgeld von uns kassierte, bedeutete uns, dass wir auch noch ein Stockwerk weiter nach oben gehen sollten. Wir verstanden erst nicht weshalb, haben es dann aber schnell gemerkt, denn wir hatten ein riesen Glück. Im oberen Stock gab es nämlich wieder eine solche Plattform mit Asche und Rauch und dort fand gerade eine Maya-Zeremonie statt. Und zwar eine Richtige, live und in Farbe, und nicht so ein Touri-Blödsinn. Und es hatte gerade erst angefangen. Ein junges Paar stand neben einer Schamanin, die gerade dabei war, unter lautem Gebet Tonnen von verschieden farbigen Kerzen über einem aus Salz gezeichneten Kreuz aufzutürmen. Jede Kerzenfarbe hat dabei eine andere Bedeutung, das hatten wir schon im Maya-Museum in San Cristobal in Mexiko gelernt. Anschliessend wurde der Haufen in Brand gesteckt und das Feuer wurde immer grösser. Unter lautem Gebet und Gesang warf die Schamanin immer wieder andere Sachen als Opfergabe ins Feuer, unter anderem verschiedene Pflanzen, Reisig, Schnaps und Dosen mit Mais. Daraufhin begaben wir uns in Deckung und warteten in sicherer Entfernung darauf, dass die Maisdosen explodierten. Eigentlich kamen Jörg und ich uns ziemlich blöd vor, einfach so in die Zeremonie von diesem jungen Paar zu latschen, für die sie wohl auch ordentlich bezahlt hatten, wie wir ja von Luis wussten. Wir wollten aber auch nicht mittendrin einfach respektlos wieder davonlaufen ohne etwas zu sagen, à la «jetzt haben wir es gesehen und ein Foto gemacht, adios». Entsprechend versuchten wir uns so gut es geht unauffällig im Hintergrund zu halten und nur heimlich ein paar Fotos zu machen. Während wir dann aber alle zusammen im Eingang des Treppenhauses auf das Explodieren der Dosen warteten, gaben uns die jungen Leute zu verstehen, dass wir herzlich willkommen waren, ihrer Zeremonie zuzuschauen. Während des Wartens auf den Knall sprachen sie flüsternd Gebete, und zwar meinte ich ziemlich katholisch klingende Gebete vernommen zu haben. Es ist sehr interessant, dass dieser Glaube bzw. der Ritus offenbar eine Mischung aus der alten indigenen Religion und dem Katholizismus beinhaltet.
Wir durften also offiziell der Zeremonie beiwohnen, was für uns wirklich eine Ehre war. Von den Göttern gab es sogar eine Gabe zurück, in Form eines Bonbons, welches auch an uns ausgeteilt wurde.
Das Paar musste auch immer wieder übers Feuer treten, und den Rauch zu sich wedeln. Ausserdem berührte die Schamanin die Leute immer mit den Opfergaben, bevor sie sie ins Feuer warf.
Jörg wartete natürlich die ganze Zeit darauf, dass ein Huhn geschlachtet würde, während ich die ganze Zeit dachte: hoffentlich schlachteten sie kein Huhn. Nun, es wurde gottseidank kein Huhn geopfert, obwohl auf der Plattform tatsächlich ein Käfig mit gackernden Hühnern vorhanden war.
Nachdem die Zeremonie zu Ende war, kamen wir draussen nochmals mit dem jungen Paar ins Gespräch. Sie erklärten uns, dass sie die Zeremonie abgehalten hatten, um für Erfolg im Geschäft der jungen Frau zu beten, und weil der Mann sehr oft Kopfschmerzen habe und bisher nichts anderes geholfen hat. Es sei für sie auch das erste Mal gewesen, dass sie eine solchen Zeremonie überhaupt gesehen hatten. Jörg konnte es natürlich nicht lassen, und fragte, warum kein Huhn dran glauben musste. Die Schamanin erklärte uns, dass dies nur bei schweren Krankheiten gemacht würde. Sie erklärte auch, dass es offenbar auch «schwarze» Zeremonien gäbe, bei der wohl Tiere geopfert werden. Ihr Spanisch war allerdings so schwer zu versehen, dass wir leider nicht alles ins Detail verstanden haben. Das Paar fragte uns sogar, ob wir die Zeremonie gefilmt hätten, worauf wir ziemlich verdutzt waren. Natürlich hatten wir aus Respekt die ganze Sache nicht gefilmt, aber wir haben ihnen gesagt, dass wir ein paar Fotos gemacht hatten. Wir haben uns natürlich auch tausend Mal bedankt, dass wir Zeuge dieses Anlasses sein durften und so herzlich eingeladen worden waren. Das war wirklich ein unbeschreiblich cooles Erlebnis.
Direkt neben dem Schrein von San Simon und der Zeremonien-Stätte fand ein kleiner lokaler Markt statt, durch welchen wir anschliessend noch ein wenig geschlendert sind. Wir fielen hier natürlich auf wie die bunten Hunde, waren wir doch die einzigen Ausländer hier, aber wir wurden von allen Leuten freundlich gegrüsst und auch immer mal wieder angesprochen.

Nachdem wir dann nachmittags auch noch unseren Schal zu Ende gewebt hatten, kehrten wir am nächsten Tag zurück nach Antigua, von wo aus wir als nächstes nach El Salvador reisen würden. Wir werden aber nochmals nach Guatemala zurückkommen für die Semana Santa, die Osterwoche.

Guatemala hat uns wirklich wahnsinnig gefallen, es ist ein wunderbares Reiseland. Es gibt viel zu sehen und zu erleben und man kommt hier wirklich auf Tuchfühlung mit der indigenen Kultur. Die Leute freuen sich, dass man da ist, sie heissen einen willkommen und erzählen meist gerne von sich, ihrer Kultur und ihrem Land. Natürlich ist man auch hier, wie überall auf der Welt, für sein Portemonnaie beliebt, man zahlt auch häufig mehr als die Einheimischen zb. in Museen. Wie bereits ausgeführt, versucht auch die Bauersfrau auf dem Markt noch einen Quetzal mehr herauszuholen, wenn sie ihre Früchte an Touristen verkauft. Das darf man einfach nicht persönlich nehmen. Aber man hat nicht das Gefühl ausgenutzt oder verarscht zu werden und kriegt eigentlich immer die Leistung geboten, für die man bezahlt hat.
Man lebt als Tourist aber auch ein wenig in einer Parallelwelt, es gibt an vielen Orten eine eigene reine Touristeninfrastruktur. Man kann mit den Einheimischen sehr gut in Kontakt kommen, man muss aber nicht, man kann sich auch einfach in der gemütlichen Traveller-Szene bewegen, wenn man das möchte. Spanisch zu sprechen ist sicher ein riesen Vorteil, wenn man mit den Locals in Kontakt kommen und etwas tiefer gehende Gespräche führen möchte. Englisch ist nicht sehr verbreitet bzw. wenn, dann wohl nur ein ziemlich oberflächliches Englisch. Aber die Leute, die über Sprachkenntnisse in Englisch verfügen, kramen diese mit Freude hervor, um die Gelegenheit zu nutzen, selbst ein wenig zu üben. So kann es schonmal vorkommen, dass man fleissig spanisch spricht, das Gegenüber aber ebenso fleissig englisch antwortet.
Mit den negativen Seiten des Landes kommt man wenig in Kontakt, man spricht wenig über die Probleme, die es im Land gibt. Und von der leider auch hier herrschenden Kriminalität und Gewalt durch die Maras (Gangs) bekommt man eigentlich nichts mit, wenn man sich nicht explizit danach erkundigt.
Wir können Guatemala jedem Reisenden nur empfehlen, der auf angenehme, unkomplizierte und relativ sichere Art ein zentralamerikanisches Land kennenlernen möchte.

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