Veröffentlicht: 11.08.2017
10.08.
heute komme ich erst spät weg.
die letzte nacht an einer der stark befahrenen straßen nazcas hat in aller deutlichkeit gezeigt, dass die nazcarener einfach ein problem mit stille haben.
die taxis hupen zwei mal, wenn sie auf fahrgastsuche sind. hupen ist das eine, aber statt der hupe gibt es polizeisirenen auf dem markt oder schwarzmarkt, die stattdessen gerne und langanhaltend benutzt werden.
dann gibt es autos mit einer oder zwei boxen auf dem dach, die für veranstaltungen oder produkte oder wie heute morgen, scheinbar für den islamismus werben.
dann gibt es die, die sich abends in ihr auto setzen, ihre dolby surround anlage inkl. subwoofer anstellen, eine cd einlegen und dann in gemächlichem tempo durch die innenstadt fahren. und der erfolg gibt ihnen recht. sie werden zum hingucker, sie werden beachtet. vor lauter dröhnen und übersteuerten bässen, die bis ins mark gehen, kann sich die musik selbst nicht mehr gehör verschaffen.
und dann gibt es die, die sich alarmanlagen in ihre autos gebaut haben und die gewollt oder ungewollt alarm auslösen und in der vielfalt der töne und sirenen fast kein halten kennen - und schön laut sind.
hinzu kommt noch das regelmäßige tuten, wenn der rückwärtsgang eingelegt wird und gegen morgen die hahnenschreie und wie heute morgen auch noch jaulende hunde.
aber das gehört dazu und muss einfach toleriert werden. es hätte wohl wenig zweck, den dolby surround fan zu bitten, seine anlage leiser zu stellen. frevel!!
da ich weiss, dass die andenstrapatze hinter mir liegt und ich in weniger stunden mehr kilometer schaffe, frühstücke ich gemütlich, bepacke die vepse und fahre erst einmal zu einem reifenhändler, von dem ich mir gut vorstellen kann, dass er einen manometer hat. die tankstellen haben so etwas nicht. der peruanische autofahrer weiss einfach, wann die gewünschte bar-zahl erreicht ist.
meine rechnung geht auf. der reifenhändler hat einen manometer, und meine reifen werden mit der richtigen menge luft versorgt.
und dann geht es raus aus der stadt. der gegenverkehr wartet mit 3 megatrucks mit überbreite auf - es werden durchmesserstarke rohre transportiert und das geht scheinbar nur tagsüber - aber ich als zweiradfahrer darf mich durchdrängeln, die autofahrer müssen warten. dann bin ich endlich wieder auf der panamericana, die mich für die nächste halbe stunde kerzengerade richtung horizont führt. mit zunehmender entfernung von nazca lässt die fruchtbarkeit nach.
mich umgeben ausnahmlos triste steinberge und endlose steinwüste.
irgendwann ist die straße mit einer grünen hecke eingefasst
wie zerknülltes packpaier - im vordergrund die frisch eingepflanzten bäumchen
ich lasse die nazca-linien links liegen, die vepse tobt sich trotz gegenwind mit knapp 100 km/h aus, und wir kommen gut voran.
in dieser dürre sehe ich, dass auf beiden seiten der straße junge bäume eingepflanzt worden sind und auch regelmäßig gewässert werden. sie sehen beim ersten anblick traurig und laublos aus, aber bei genauem hinschauen sind bei vielen kleine grüne blätter zu erkennen.
und tatsächlich viele kilometer weiter sind daraus stattliche hecken geworden. unfruchtbare wüste? unterirdische wassertanks oder wasseradern?
die stadt ica mit 225 tausend einwohnern stellt sich als nadelöhr da. sie ist von dem verkehr auf der panamericana direkt betroffen, die lkw stauen sich und dieseln vor sich hin, alte busse können das auch und mir bleibt nur, irgendwie an diesen stinkern vorbei zu kommen. an roten ampeln klappt das gut und wird auch toleriert, wenn ich auf der linken spur bis ganz nach vorne fahre, mich vor das erste fahrzeug stelle und dank der schnellen beschleunigung die lange schlange in sekundenschnelle hinter mir lasse.
85 km noch bis paracas, einem kleinen fischerdorf direkt am pazifik. das soll mein ziel für heute sein, dann sind es nur noch knapp 300 km bis nach lima. unterwegs wieder viel grün, ich sehe plantagen mit mandarinenbäumen, die früchte stapeln sich in den verkaufsständen entlang der straße, ich glaube, weinplantagen zu erkennen, bin mir aber nicht ganz sicher, weil diese hinter den hohen hecken versteckt sind. aber es kann gut sein, weil pisco nicht weit ist.
maritimes flair - da ist es wieder
gegen vier komme ich in paracas an. es liegt auch mitten in der wüste. in der stadt mit schätzungsweise 20.000 einwohnern gibt es grüne grasflächen, palmen und blühende büsche.
hier wurden ausgrabungen gemacht, die auf 800 v. chr. zurückgehen. es wurden mumien entdeckt mit äußerst seltenen und nach oben gezogenen schädeln. es gibt meinungen, die sagen, es hätte etwas mit status und gesellschaftlicher stellung zu tun. schon als säuglinge wurden den betroffenen die schädel verlängert. ähnliches wurde auch in der nasca.kultur entdeckt.
ausserhalb der touristenmeilen verlassene und zerfallene häuser, kein baum, kein strauch.
vor 10 jahren war in dem 15 km nördlich liegenden pisco ein schlimmes erdbeben, das pisco so ziemlich zerstört hat. so zogen und ziehen die touristen 15 km weiter südlich hierher nach praracas. immer wieder entdecke ich lkw mit wassertanks, die für nachschub sorgen.
in der nähe vom strand finde ich ein kleines restaurant, zu dem in wenigen 5 minuten die nachmittagssonne hinwandert - und dort bestelle ich mir zwei getoastete käsesandwiches und eine cola und lasse den rest des nachmittages an mir vorbeigehen. wenige meter weiter rauscht der pazifik, ich sehe wenige gringos, schreibe apps und denke erst als es kalt wird an die hostelsuche.
mir steht immer noch nicht der sinn nach einem hostel mit mehrbettzimmern, und als ich unschlüssig vor solch einer backpacker-behausung stehe, kommt ein kräftiger jacketträger, mitte fünfzig, auf mich zu, guckt mich an, guckt die vepse an und schüttelt den kopf. "grazy, absolutly grazy..." - und er will wissen, was alle wissen wollen und er erzählt mir, dass er deutschland kennt, er habe in süddeutschland gearbeitet und eine liebe in stockholm gehabt und sie alle vierzehn tage mit dem auto besucht. nein, es gäbe keine kinder - ich wollte auf ein happy end hinaus - jetzt sei er mit einer russin verheiratet... er erzählt von seinem restaurant drüben in dem mehrstöckigen haus mit meeresblick, es sei sehr gut und teuer, aber er gäbe mir 50%. er zeigt mir dann noch ein hostel,vorher aber muss noch ein foto gemacht werden - von der vepse und dem grazy german guy.
eine nette begegnung, ich nehme das angebot an, verspeise am abend einen grooooßen salat und ein fischfilet und kassiere den nachlass ein. nette verabschiedung, erneutes kopfschütteln, als ich ihm sage, dass montevideo mein ziel sei. grazy, absolutly grazy!
ich übernachte in einem privado. eine große anlage mit restaurant und pool, grünem rasen, liegestühlen und ohne hupende taxis. eine erholsame nacht steht mir bevor.
11.08.
heute passiert nichts. ist auch nicht schwer, denn hier verläuft das leben in zeitlupe. ich habe beii der vepse düse und schelle gewechselt, eine probefahrt mit ihr gemacht, das visier des helms grundgereinigt und ich bin der frage auf den grund gegangen, warum die gegensprechanlage nicht funktioniert.
höhenflug
nachwuchs
wenn sie schlafen wollen, sieht es von ferne so aus, also ob sie den kopf mit dem langen hals und den störenden schnabel zusammenklappen und auf die seite legen
ein ruhiger tag , dem allgemeinen tempo angemessen.
12.08.
heute ähnlich.
draussen werden auf offener feuerstelle in einem großen topf nudeln gekocht und an anderer stelle - das kann ich nicht sehen - bestimmt etwas mit huhn.
die leute aus dem dorf kommen hierher und holen sich ihre mahlzeit in geschlossenen styroporbehältern ab. es ist schon sehr windig, und es interessiert eigentlich niemanden, dass plastiktüten sich selbstständig machen, dass die styroporboxen durch das gelände fliegen - für umwelt und das, was gerade plastiktüten anrichten können gibt es hier nur wenig sensibilität. ich beobachte das von meinem zimmer aus, und irgendwann stehe ich auf, sammele die tüten, die sich irgendwo verfangen haben ein und bringe sie dem eigentümer oder pächter dieser anlage. er schaut mich etwas verwirrt an.
die plastiktüten,, die wie windbomben durch die stadt richtung wasser fliegen, sind eine gefahr für die tiere und vögel, die wehrlos sind, wenn sich diese tüte am kopf verfängt
der ganze strand ist voll davon. und die menschen, die sich hier ihre mahlzeiten abholen, kommen ohne taschen und gehen mit einer weissen plastiktüte versorgt nach hause. wo diese später zu finden ist... wenn die müllentsorgung nicht funktioniert und die hunde die säcke nach was essbaren aufreissen, spätestens dann fliegen die tüten davon.
könnte etwas von weltuntergang haben
eine fahrt ins reservat muss ich auf empfehlung von sicherheitslleuten abbrechen, weil ein ziemlicher sandsturm tobt. ich will ihn nicht so richtig ernst nehmen, folge aber dann doch den empfehlungen und drehe um. der himmel hat nichts mehr von seiner bläue, das sonnenlicht wird durch die sandwolken gefiltert. es gibt keinen horizont mehr, die palmen biegen sich wie im fernsehen, nur wenig touristen sind auf der promenade, die verkäufer von kunstgewerbe und alpacas haben ihre verkaufsstände geschlossen.
noch ist die bläue des himmels zu erkennen
ich passe mich wieder dem allgemeinen zeitlupentempo an, beobachte das treiben auf dem wasser, die kitesurfer, die meterhoch über den wellen fliegen können und gekonnt wieder aufsetzen, die starts und landungen der pelikane, esse später ceviche und gehe am späten nachmittag wieder zurück.
am horizont links im bild dümpelt die yacht von jacky onassis...
vorne im bild rennmaschinen mit zwei aussenbordern
ich korrespondiere noch etwas wegen der sprechanlage, die ich bei einem eddo-besuch vor einem jahr in aurich gekauft habe. eddo hat heute morgen - nach deutscher zeit kurz vor feierabend - für mich den laden angerufen und den kontakt hergestellt. jetzt geht es um einen neuen akku und die kernfrage, wo der überhaupt sitzt... da wo er sitzen sollte, schauen mich elektronische bauteile an...
heute ist samstagnacht - ist es die ruhe vor dem sturm? bis auf jaulende hunde ist draussen nichts zu hören...
die nacht von freitag auf samstag hat das wochenende eingeläutet mit openair-musik bis heute morgen um 5 uhr.
die häuser hier in der anlage sind aus regipsplatten zusammengesetzt und geben keine schallisolierung.
13.08.
die vergangene nacht - alles ruhig und zivilisiert.
nicht nur mir, dem westeuropäer, fällt das permanente gehupe der autos auf - nein es wurde sogar eine agentur beauftragt, ein entsprechendes verbotsschild zu entwerfen. auf meinem weg zurück ins hostel habe ich es entdeckt:
frei übersetzt: keine lärmbelästigungdas museum steckt in einander verschachtelten lehmroten betonquadern, die durch fensterflächen und großzügige eingangsbereiche aufgelockert und damit ansehnlich sind.
scheinbar gibt es zwei fraktionen unter den gelehrten:
die, die besagt, dass die nasca-kultur schon 800 v. chr. bestanden und die paracas-kultur in den wesentlichen dingen beeinflusst habe - hier in paracas spricht man davon, dass die nasca-kultur nach paracas gekommen sei.
dieses spiel kommt mir bekannt vor:
im chilenischen pisco lernen die kinder in der schule und die turistas in den weissen sprintern, dass pisco / chile der ursprung des aus traubenmost hergestellten destillats sei, im peruanischen lehrplan steht, dass der pisco im peruanischen pisco seinen ursprung habe.
ob 2.100 oder 2.800 jahre spielt aus heutiger sicht keine große rolle mehr. mehr wohl die frage, wer von wem "abgeschrieben" hat.
die schwerpunkte des museums liegen in der darstellung medizinischer leistungen, beispielsweise darin, dass die menschen damals in der lage waren, operationen am und im schädel durchzuführen.
so werden schädel ausgestellt, die ein fünfmarkstück großes loch aufweisen. diese operationen erfolgten bei epilepsie, bei chronischen schmerzen oder auch zur geisteraustreibung.
die genesung der patienten lag bei über 50 %. diese kunst nennt sich trepanation und wurde um 400 v. chr. angewendet. man behalf sich mit harten steinen, um den schädel zu öffnen oder bohrte sie auf. es gibt abbildungen, auf denen zu erkennen ist, dass außerhalb des schädels am gehirn operiert wurde.
ein anderes merkmal - auch bei anderen indigenen völkern südamerikas - war die verformung des schädels, um sowohl ethnische unterschiede oder auch den gesellschaftlichen status hervorzuheben. heute sind es glücklichweise ausgewählte kleidungsstücke oder hochwertige autos, die zeigen sollen, wer das geld hat.
diese kopfverlängerung wurde bei säuglingen entweder mithilfe eines bretts, mit binden oder speziellen wiegen durchgeführt.
vermutllich wurden die säuglinge und auch die op-patienten bei den schädeloperationen mit hilfe sedierender pflanzen ruhig gestellt.
es wurde hier im museum anhand lebensgroßer figuren eine schädeloperation gezeigt. der patient sitzt und scheint in meditation versunken, seine begleiterin hält ihn und der chirurg öffnete mit einem steinwerkzeug den schädel. es gibt fotos von schädeln, bei denen man erkennen kann, dass nach dem eingriff das loch wieder völlig zugewachsen ist.
auch dem totenkult wird hier viel platz eingeräumt.
die toten wurden mumifiziert und dann in ein flaschenförmig ausgehobenes grab gesetzt. der flaschenhals war extra lang, und die grabsätte selbst so niedrig gehalten, dass die toten in sitzhaltung bestattet werden konnten.
die gewebten tücher, in die sie eingewickelt waren, wurden nur zu diesem zweck hergestellt
bis zu 30 bis 40 mumien wurden in den gräbern bestattet
das flaschenförmige grabinteressant finde ich auch, wie sie die farben für ihr gewebten tücher hergestellt haben. das rot beispielsweise wurde aus den ausscheidungen eines parasiten gewonnen.
Oder für die fischerei wurde aus der gegerbten haut des seelöwen kunstvoll ein großes fischernetz geknüpft.
aus gegerbter seelöwenhaut geknüpftes fischernetz
die menschen wohnten auch in unterirdischen häusern, aber auch in steinhäusern. die steine bestanden aus einem sand-und mineraliengemisch, das sich mit der zeit und aufgrund der trocknen witterung zu einer sehr harten konsistenz verbunden hat.
das baumaterial für die häuser
am nachmittag erfahre ich mit der vepse die halbinsel. es ist verhältnismäßig wenig verkehr. im ort paracas werden buggies und quads verliehen, mit denen die turistas dann in begleitung eines pkws des vermieters die halbinsel erkunden können. eine mordsgaudi - trotzdem gibt es lange lärmfreie abschnitte. der wind hat wieder zugenommen, es ist schwer, die spur zu halten, aber ich habe tolle ausblicke.
messerscharfe verwehungen
am abend mache ich dann noch einen gang auf der promenade und bewundere zwei alte, etwas aus der zeit gekommene peruaner, die mit einer guten geschäftsidee ihr geld verdienen.