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Caminho Portugues

Veröffentlicht: 22.02.2020

Hello again, it is me, Sarah. Heute erzähle ich euch unteranderem die Geschichte, wie meine Mutter und ich zu Pilgerinnen wurden. Wie alles begann:

Meine Mutter sollte am Donnerstag 6.2.2020 in Porto Portugal landen, deshalb entschlossen Steffi und ich uns vor dem grossen Wiedersehen noch zu duschen. In einem modernen Fitnesscenter mit Wellnessbereich konnten wir gratis spörtle, entspannen und duschen, weil der erste Tag als Gratis-Probetag gilt. Als Belohnung dafür, dass wir immerhin schon fünf Tage unserer 100 Days-Challenge gemeistert hatten, assen wir danach im Burgerking Mittag. Nun waren wir soweit, meine Mutter, aka Irene, am Flughafen abzuholen.

Nach einem kurzen Abstecher an den Atlantik fuhren wir nach Valenca direkt vor der spanischen Grenze. Hier würden wir morgen unseren ungefähr 110km langen Pilgerweg nach Santiago de Compostela starten. Die Rucksäcke waren gepackt, die Jakobsmuschel montiert, die Wandersocken parat gelegt. Bei einem leckeren Abendessen beim Inder und Treffen von anderen Pilgern freuten wir uns auf den morgigen Tag. Filou, der während dem Essen im Büssli wartete, gelang es, drei Farmerstengel aus unserem Wandervorrat zu stibitzen. Dieses Schlitzohr! Kaum hatte ich bei der Rückkehr sein Verbrechen bemerkt, wusste er schon was er getan hatte. Mit grossen Augen und eingezogenem Schwanz sah er mich an, ganz ala « Ich weiss ich hätte es nicht tun sollen, aber es war so guuuuut!». Janu, teils unsere Schuld, wir hätten es ihm nicht praktisch vor die Nase legen sollen.

Am ersten Wandertag begleitete uns Steffi noch für ein Stück. Nach einer Stunde machte sie aber kehrt, da sie zu unserer Büslitransporteurin und Wandersupporterin erkürt worden war. Sie machte uns morgens jeweils unser Frühstück mit Kaffee und Tee parat, kümmerte sich um die Wäsche, bewegte das Büssli von Ort zu Ort und erledigte was sonst noch so anstand. Pilgern Deluxe für uns. Filou lief mit uns tapfer weiter. Der Weg führte uns über die spanisch-portugiesische Grenze nach Galizien, über eine verträumte alte Römerbrücke, durch kleinere Ortschaften und Waldwegen. Allgemein führt der Caminho Portugues meist entlang des alten Römerwegs XIX. Der Jakobsweg ist immer wieder mit gelben Pfeilen und Meilensteinen markiert. Falls wir den Weg verlieren sollten, hatte Mama auch ein super Caminho-Wanderführer dabei. Nach 20km erreichten wir mit müden Füssen und Pfoten unser erstes Etappenziel O’Porrino. Nach ein paar deftigen Tapas und einem Feierabendbier liessen meine Mutter und ich uns müde in die Betten der Pilgerherberge plumsen. Filou blieb nachts immer bei Steffi im Büssli, da er in den Herbergen leider nicht willkommen ist.

Tag zwei war landschaftlich der am wenig schönste Wandertag. Der Weg führte viel über befahrene Strassen und durch Ortschaften. Dennoch gab es ein Highlight. Mitten auf einer wenig befahrenen Strasse in irgendeinem galizischen Dörfchen stand plötzlich eine riesige pink, graue Sau am Wegrand und schnüffelte gemächlich vor sich hin. Filou war zuerst sehr verunsichert, was er mit einem solchen Tier, das etwa viermal so voluminös war wie er selbst, anstellen soll. Mit all seinem Mut ging er auf die Sau zu, schnüffelte ganz vorsichtig daran rum. Die Sau kümmerte sich einen Dreck um ihn und stampfelte weiter. Filou verlor das Interesse, denn schon bald waren da auch schon zwei Hunde, mit denen er viel besser spielen konnte. Plötzlich erkannten wir, dass weiter hinten nochmal eine Sau stand. Amüsiert zogen wir an den zwei freien Säuen vorbei.

Unser Etappenziel war in Redondela. Pilgerherbergen zu finden, war kein Problem. Sobald man in eine Ortschaft kommt, findet man überall Werbung dafür. Wir schliefen meist in den öffentlichen Pilgerherbergen, wo man schon ab sechs Euro ein Bett bekommt. Die Einrichtung und sanitären Anlagen waren immer in einem guten Zustand. Allein das W-Lan funktionierte nie. In jeder Herberge bekommt man einen Stempel in den Pilgerpass. Einen Stempel bekommt man auch unterwegs in Kirchen, Restaurants oder Touri-Büros. Pro Tag braucht man zwei Stempel. Es soll ein Beweis sein, dass man auch wirklich den Weg gelaufen ist.

Am dritten Tag waren die Wege und Pfade wieder sehr schön. Vorbei an alten Kirchen und Kapellen. Auf dem alten Römerweg mit den grossen Pflastersteinen, der durch den Regen fast zu einem kleinen Bach wurde. Durch wohlriechende Wälder. Auf dem ganzen Weg findet man auch immer wieder schön hergerichtete Kornspeicher, die bekannt sind für die Region. Mit letzter Kraft in den Beinen erreichten wir Pontevedra. Für diese Nacht hatten wir uns für etwas mehr Komfort entschieden und ein Hotel in der Altstadt gebucht. Ausserdem entschieden wir uns, dass es Zeit war für einen Ruhetag, auch weil es sich lohnte, Pontevedra noch etwas genauer zu bestaunen. Ich hatte ja erwartet, dass wir mehr auf so Asterix und Obelix Dörfchen treffen würden in Galien. Doch Pontevedra hatte eine grosse, wunderschöne Altstadt mit grossen alten Steingebäuden und Kirchen.

An unserem freien Tag schlenderten wir durch die Strassen, assen, tranken, ruhten uns aus. Unterwegs sprach uns ein alter Mann an und fragte, ob wir Pilger sind. Wir bejahten und fragten, ob er auch schon gepilgert sei. Darauf erzählte er uns seine ganze Lebensgeschichte, dass er das nicht könne wegen seines Herzens, dass sein Sohn in Amerika lebt und der andere in Deutschland, dass er selbst auch in Texas gelebt hat etc. etc. etc. Etwas später halfen wir einer alten Frau, die von einer Treppe gestolpert war und sich den Kopf angeschlagen hatte.

Das nächste Etappenziel war Caldas de Reis. In der Mitte des Weges trafen wir Steffi und sie kochte uns ein feines Zmittag im Büssli. Während dem Wandern trafen wir immer wieder auf andere Pilger. Meist tauschten wir uns kurz aus und wünschten einander dann ein fröhliches «Bon Camino». Ab und zu riefen uns das auch Anwohner zu. Zum Zvieri machten wir halt in einer kleinen Beiz, in der sich die alten Männer vom Dorf scheinbar gerade über ihre Frauen beklagten. In dieser Nacht schlief ich wieder mal bei Steffi und Filou im Büssli und Mama in der Pilgerherberge. Spontan wurde sie dort von anderen Pilgern auf ein Glas Sekt eingeladen, da einer der Pelegrinos Geburtstag hatte. Das war sicher ein schöner Abend mit spannenden Unterhaltungen für sie.

Kaum war ich am darauffolgenden Tag ein paar Meter in meinen Wanderschuhen unterwegs, merkte ich, dass mein rechter Fussknöchel unglaublich schmerzte. Er war angeschwollen und wollte nicht mehr im engen Wanderschuh rumgeschubst werden. Ich befreite ihn und lief in meinen Crocs weiter. Die waren echt bequemer zum Wandern als ich dachte. Auch Mama kämpfte schon seit ein paar Tagen mit Blasen an den Füssen. Aber wir waren dafür natürlich ausreichend mit Blasenpflaster ausgerüstet. In Padron angekommen wollten wir uns in der Pilgerherberge gleich neben einem Kloster niederlassen. Beim Eingang fing uns ein junger holländischer Pilgerer ab, den Mama tags zuvor kennengelernte hatte, und begrüsste uns herzlich. Während er Filou streichelte, erzählte er uns seine Pilgergeschichte. Es war zwar wirklich sehr spannend zum Zuhören aber eigentlich wollten Mama und ich einfach nur einchecken und chillen.

Das nächste und letzte Ziel war Santiago de Compostela. Mit superviel Motivation starteten wir unseren letzten Wandertag. Trotz eines kleinen Umwegs schafften wir es in Crocs und Wanderschuhen und mit einem grossen Lächeln im Gesicht zur eindrucksvollen Kathedrale. Nach ein paar obligatorischen Touri-Fotos machten wir uns schnurstracks auf den Weg in unser Hotel. Ja, haben wir uns wieder gegönnt. Auch Steffi traf nach einer langen Suche für einen Parkplatz in der Innenstadt bei uns ein.

Am nächsten Tag in Santiago zeigten wir unser Pilgerpass den Franziskanern und bekamen dafür eine Pilgerurkunde. Sehr stolz auf uns genossen wir den Tag in der Stadt mit Sightseeing und Essen. Zurück im Hotel bemerkte Mama, dass sie ihren Pilgerpass verloren hatte! Zum Glück fand sie ihn tagdarauf bei den Franziskanern, sie hatte ihn dort liegen lassen.

Mitten in der Nacht wurde mir auf einmal mega super übel und ich musste mehrmals erbrechen inkl. Durchfall. Ich vermutete eine Lebensmittelvergiftung. Zum Glück war Mama noch den Tag da, ihr Rückflug ging erst am Abend. Sie kümmerte sich um mich, wie in den guten alten Zeiten. Teeli trinken, Zwieback essen. Schade, dass das genau an ihrem letzten Tag mit uns passieren musste! Sie verbrachte trotzdem noch ein paar schöne Stunden alleine in der Stadt. Souvenirs kaufen, Tee trinken und lesen. Nach dem Abschied von Mama, entschieden Steffi und ich, das Hotel für zwei weitere Nächte zu verlängern, damit ich mich ausruhen konnte. Denn Krank-Sein macht im Büssli noch viel weniger Spass. Ausserdem war Steffi neidisch auf das bequeme grosse Hotelbett.

Nach meiner Genesung fuhren wir weiter an die galizische Nordküste auf einen Stellplatz. Als erstes putzte ich fast drei Stunden das Büssli blitzblank. In der Nacht ging es dann Steffi plötzlich nicht mehr gut. Nun hatte sie ihre 24h Übelkeit und co. Ich machte ihr Tee und Bouillon. Zum Glück war die Toilette auf dem Stellplatz nicht zu weit weg. Wir dachten schon darüber nach, nochmal ein Hotel zu buchen, aber da ging es ihr schon etwas besser. Am nächsten Tag war sie wieder top fit. Wir machten eine kleine Velotour mit den Fahrrädern, die der Stellplatzbesitzer so stolz angepriesen hatte. Nunja.. die Fahrräder hatten sicher schon bessere Tage gesehen, aber es ging.

Nach zwei Tagen Weiterfahrt der Küste entlang, stehen wir nun irgendwo in Frankreich. Adios Espana, Bonjour Frooonkreisch.
Auf dem heutigen Weg hatten wir ein schreckliches Erlebnis auf der Autobahn.

Ich fuhr auf der Autobahn, ca 120 km/h. Um einen Lastwagen vor mir zu überholen, schaute ich, wie immer, zweimal in den Seitenspiegel. Strasse war frei, weiter hinten ein paar Autos. Easy. Ich setzte den Blinker nach links. Ich schaute nochmal und fuhr dann auf die linke Bahn. Bei einem weiteren Blick in den Seitenspiegel sah ich, dass plötzlich ein Motorradfahrer hinter mir auf der linken Spur war. Ich war etwas verunsichert, war der vorher auch schon dort? Scheinbar musste er wegen mir abbremsen – er war aber auch ziemlich schnell unterwegs. Er überholte uns dann RECHTS durch die superenge Lücke zwischen unserem Büssli auf der Überholspur und dem Lastwagen, den ich gerade überholen wollte, und zeigte uns den Stinkefinger. Dann bremste er plötzlich wenige Meter vor uns ab, so dass ich mit 120 Sachen voll auf die Bremse musste!! Ich erschrak ab seiner gefährlichen Aktion und hupte ihn an. Er zeigte uns nochmal den Mittelfinger, beschleunigte auf gefühlte 200 km/h und raste bei der nächsten Ausfahrt durch die anderen Autos hindurch blitzschnell hinaus, immer noch wild gestikulierend. Ein oder zwei Minuten nachher, wir waren immer noch total schockiert, taucht er plötzlich wieder aus dem Nichts rechts von uns auf und schlug mit seiner Faust auf unseren rechten Seitenspiegel ein. Dabei schlug er so fest, dass unser Toter-Winkel-Spiegel auf die Strasse flog und unser Seitenspiegel sich wegdrehte. Dann fuhr er nochmal vor uns, zeigte uns wieder den Mittelfinger, und raste dann mit etwa 200km/h (Tempolimit wäre übrigens 130) durch die Autos vor uns weg und war bald nicht mehr zu sehen. Wir waren total schockiert! Der Typ war extra nochmal auf die Autobahn gefahren, um sich an uns zu rächen?! Zum Glück konnte ich das Büssli auf der Bahn halten und es ist sonst nichts passiert. Das ist doch ein Psycho! Wer macht den sowas?! Mit 200 km/h über die Autobahn rasen, Autos rechts und links überholen und das Gefühl haben, er sei der König der Welt und dann noch solche gefährlichen, idiotische Aktionen unternehmen??? So ein lebensmüder Hu*******! Buah eh rege ich mich wieder auf jetzt! Der Schrecken sitzt mir noch tief. Ich hoffe, so etwas passiert uns nie mehr.

Wechseln wir zum Schluss zu etwas, das uns alle glücklich macht: DISNEYLAND! Wir gehen in ein paar Tagen ins Disneyland! Wir freuen uns riesig! Und in zwei Wochen sind wir dann bereits in Holland bei meinen Grosseltern 😊 

Ps. Ausserdem auf dem Programm: Video vom Pilgern schneiden, Fotoshooting mit Steffi (mir ist aufgefallen, dass wir in diesem Blog kaum Fotos von ihr hatten xD Die Arme!)

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