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Corona und Goodbye

Veröffentlicht: 29.03.2020

Bevor wir im Juli 2019 auf unsere Reise gestartet sind, habe ich immer wieder mal gedacht - Wir müssen das jetzt machen und voll geniessen und zwar möglichst lange, weil wer weiss, ob das in Zukunft noch möglich sein wird - Man weiss schliesslich nie, was noch kommt. Vielleicht wird man krank, hat einen Unfall, vielleicht werden die eigenen Eltern betagt und brauchen Unterstützung, vielleicht wird man von einem der unzähligen Schicksale getroffen, die man nie treffen will. Aber diese Gedanken habe ich stets schnell weggeschoben nach dem Motto – Man kann sich dann sorgen, wenn es soweit ist – oder – es passiert bestimmt nichts.

Sieben Monate später. Irgendwann im Februar hören wir zum ersten Mal vom Coronavirus. Ein paar Tage danach, als wir im Disneyland in Paris sind, stirbt ein Pariser Lehrer am Virus. Ein mulmiges Gefühl beschleicht uns. Kaum in Holland angekommen, werden in der Schweiz die Basler Fasnacht und sämtliche Veranstaltungen ab 1000 Personen abgesagt. Eine Woche später treffen wir Freunde aus der Schweiz in Amsterdam. Sie sind alle überrascht, dass man hier nichts vom Coronavirus merkt. Wir schlendern fünf Tage lang durch die Stadt, besuchen Bars, Cafes, Restaurants, Museen, gehen shoppen und besuchen sogar ein Konzert mit über 1'200 Menschen. Wir lassen es uns mit unseren Freunden richtig gut gehen – ohne zu wissen, dass es für lange Zeit das letzte Mal sein wird.

In den folgenden Tagen spitzt sich die Situation allmählich zu. Die Zukunft wird immer ungewisser, so auch unsere Reisepläne. Wir überlegen, ob es sinnvoller wäre, statt nach England nochmals zurück nach Spanien zu fahren– dann würden wir, sollte es noch schlimmer werden, immerhin nicht auf einer Insel festsitzen. Und hätten ein bisschen Sonnenschein, könnten surfen. Doch von Tag zu Tag werden noch mehr und noch einschneidendere Massnahmen verkündet und die Frage, ob eine Weiterreise überhaupt noch möglich ist, drängt sich uns immer mehr auf.

Irgendwann wird es dann klar: Weiterreisen geht nicht mehr. Länder schliessen ihre Grenzen, für uns wichtige Infrastrukturen wie Campingplätze, Schwimmbäder und Fitnesscentren machen dicht und niemand weiss, wie lange diese Geschichte dauern wird. Trotzdem wollen wir noch eine Weile bei Oma bleiben und schauen, wie sich die Situation entwickelt. Vielleicht ist in einem Monat alles wieder vorbei und wir können weiterfahren?

Und plötzlich passiert ganz viel auf einmal: Der Bundesrat ruft alle Schweizer Reisenden dazu auf, sofort nach Hause zu kommen. Wir fragen beim EDA und der deutschen sowie holländischen Botschaft nach – tatsächlich könnte es sein, dass wir demnächst nicht mehr in die Schweiz zurückreisen können, weil die Grenzen komplett schliessen. Unabhängig davon erhalten wir am gleichen Tag beide ein Jobangebot – ich als Corona-Aushilfe für ein paar Monate beim Sozialdienst der Stadt Luzern und Sarah ebenfalls als Corona-Aushilfe in einem Kinderheim, wo man sie für die nächsten Monate als «Homeschool-Lehrerin» brauchen kann.

24 Stunden später sind wir zurück in der Schweiz. Die Fahrt von Duiven in Holland nach Ottenhusen in Luzern zu meinen Eltern verlief problemlos. Keine Staus, keine Kontrollen, nur an der Schweizer Grenze wurde kurz nachgefragt, woher wir kommen.

Vier Tage später arbeitet Sarah schon wieder als Lehrerin, bei mir geht’s am 1. April los.

Dass wir wieder zurück sind und unsere Reise tatsächlich zu Ende ist – ich denke, das haben wir noch nicht wirklich begriffen. Zu sehr sind wir damit beschäftigt, nebst der Coronakrise mit Vollgas unser Leben hier in der Schweiz wieder aufzunehmen und uns um Dinge wie Wohnungssuche, Krankenkasse, Anmeldung bei der Gemeinde usw. zu kümmern. Eher selten sind die Momente, wo die Erinnerungen an das Leben, das wir bis vor kurzem führten, aufkommen. Erinnerungen an die Freiheit, die wir für so selbstverständlich hielten. Und wenn so ein Moment kommt, bin ich unglaublich traurig. Nie hätte ich gedacht, dass sich die leisen sorgenden Gedanken, die ich ab und an vor der Reise hatte, bewahrheiten würden. Dass es jetzt tatsächlich nicht mehr möglich war, einfach draufloszufahren. Es ist so surreal. Und gleichzeitig denke ich, wie glücklich wir uns doch schätzen können: Fast acht Monate lang durften wir eine wunderschöne, freie und sorglose Zeit mit dem Menschen, den wir lieben, und dem Vierbeiner, in den wir beide total vernarrt sind, geniessen. Und jetzt kommen wir zurück und haben beide einen Job, während viele Menschen derzeit nicht mehr arbeiten können und von schwerwiegenden Existenzängsten bedroht werden. Während andere Vagabunden ihre Reiseabenteuer nicht mehr starten können. Während Menschen erkranken und sterben. Während niemand weiss, wie es weitergeht. Während die Welt irgendwie still steht. Und sich gleichzeitig etwas grundlegendes verändert. Etwas, das noch nicht ganz fassbar ist. Wir werden sehen.

Für uns jedenfalls ist der Moment gekommen, den letzten Eintrag in unseren Reiseblog zu schreiben. Ich tue das gerade mit sehr gemischten Gefühlen – es ist wohl einer eben dieser seltenen Momente, in denen man realisiert, was alles passiert. Ich bin traurig, aber auch glücklich, dass es all den Menschen, die wir lieben, gut geht. Ich hoffe von tiefstem Herzen, dass das auch weiterhin so bleibt, und dass Corona bald Geschichte ist. Dass wir Menschen bald wieder rausgehen und gemeinsam lachen und uns umarmen können.

Einen grossen Dank an all die Menschen, die tatsächlich unseren Reiseblog gelesen haben 😊 Nur durch die positiven Rückmeldungen konnten wir uns stets aufs Neue dazu aufraffen, uns irgendwo hinzusetzen und in die Tasten zu hauen. Wir sind sehr froh darum. Denn gerade in Zeiten wie diesen ist dieser Blog für uns sehr wertvoll - damit wir ab und zu in Gedanken zurückschweifen und all die schönen Momente nochmal erleben können. Vielen, vielen Dank dafür!

Falls uns irgendwer mal wegen irgendetwas kontaktieren möchte und nicht weiss wie: Schreib einfach eine Mail an stephanie.koellinger@bluewin.ch oder folg uns auf Instagram unter

https://www.instagram.com/stephanie.koellinger/

Machts gut! 

Steffi, Sarah und Filou



Autorin: Stephanie Köllinger

Antworten (1)

Monique
Es war superschön eure Reise folgen zu können! Leider, für diesen Moment geht es nicht weiter, aber wer weiss, vielleicht in der Zukunft... Vielen Dank, für Blogs, und der Besuch aan die Nederlanden! Biss balt, ihr Drei💞