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Mo, die Van-Möwe

Veröffentlicht: 04.02.2020

Nach unserem letzten Blogeintrag vor fast drei Wochen sind wir Richtung Norden gefahren und haben es endlich geschafft, die Algarve zu verlassen. Unterwegs haben wir zwei Nächte auf einem Stellplatz verbracht, wo ich die Zeit genutzt habe, um nochmal ein paar kleine Roststellen am Dach und an der Tür zu entfernen. Es sind nur oberflächliche Sachen, aber in Portugals Winter kann es trotz der oft warmen Tage nachts sehr kalt und feucht werden, und das liebt der Rost. 

Ein paar Tage später haben wir das Tierheim Bianca in der Nähe von Sesimbra erreicht, wo unser Filou 6 Monate lang gelebt hat, bevor wir ihn adoptiert haben. Die Leiterin konnte sich sogar noch an ihn erinnern, aber Filou selber scheinbar nicht. Insgesamt zwei Tage waren wir im Bianca und waren sehr positiv überrascht. Es gibt eine grosse Anlage für die Hunde mit mehreren «Parks». Die Zwinger sind grosszügig gebaut und werden jeden Tag gereinigt, in dieser Zeit dürfen die Hunde raus und können sich auf der Parkanlage frei bewegen. Seit kurzem gibt es auch ein Katzenhaus mit verschiedenen Zimmern – eins für die jüngeren Kitties, eins für die älteren, eins für die kranken usw. Es wird sehr strikt auf die Hygiene geachtet, beim Katzenhaus zum Beispiel muss man vor jedem Zimmerwechsel die Hände desinfizieren. Aber so schön alles klingt; aufgrund einiger neuer Gesetzesänderungen sind viele Tierheime in Portugal überfüllt, so auch Bianca. Eine Gesetzesänderung besagt, dass Hunde nicht mehr getötet werden dürfen, was an sich toll ist, aber es gibt deshalb nicht weniger Tiere. Auch ein anderes Gesetz ist vor kurzem in Kraft getreten und schreibt vor, dass jeder Hund gechipt und registriert sein muss. Das Ziel dieses Gesetzes: Niemand kann seinen Hund einfach so aussetzen, da man den Besitzer leicht findet. Die Kehrseite: Seit in Kraft treten dieses Gesetzes setzen viele Leute ihre Tiere aus, weil ihnen die ca. 30 Euro für die Registrierung beim Tierarzt zu teuer ist.

Am ersten Tag bekamen wir eine Führung durch Bianca und durften anschliessend selbständig Fotografieren und filmen. Ein kleines Filmchen haben wir inzwischen bereits geschnitten und hochgeladen auf Youtube, hier könnt ihr es anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=mLyRH46fLeg

Es wäre toll, wenn ihr dieses Video mit Leuten teilt, die sich ein Haustier anschaffen wollen. Vielleicht will ja lieber jemand einem Tier aus Portugal ein zu Hause schenken anstatt einen Rassehundes beim Züchter zu kaufen. Und für alle, die jetzt sagen: «wieso vom Ausland holen, wir haben hier in der Schweiz ja auch Tierheime» --> Richtig, aber: die Nachfrage an Hunden in der Schweiz könnte alleine durch Schweizer Tierheime gar nicht gedeckt werden, weil es dafür zu wenig Hunde in den Tierheimen hat. Das hat mir erst letzte Woche die Schweizer Tierschutzorganisation STS bestätigt. Es bleiben dann also folgende zwei Optionen übrig: Einen teuren Rassenhund vom Züchter holen oder einen Hund aus dem Ausland adoptieren. Es soll jeder selber wählen, was er oder sie haben will, aber ich finde man sollte sich zumindest über alle Optionen bewusst sein. Falls jemand einen Hund oder eine Katze von Bianca adoptieren möchte, der kann das über die Tierschutzorganisation Casa Animales (www.casa-animales.de) machen oder einfach direkt beim Tierheim nachfragen (www.bianca.pt). 

Für unsere Reportage haben wir anschliessend ein Interview mit Ana Duarte, der Tierheimleiterin, geführt. Sie macht ihre Arbeit freiwillig und unbezahlt und zwar neben ihrem 100% Job, den sie anderswo in einem Büro erledigt. Sie hatte seid über 10 Jahren keine Ferien mehr und macht ihre Arbeit für Bianca mit richtig viel Herzblut. Doch mehr wollen wir an dieser Stelle noch gar nicht verraten – unsere Reportage ist demnächst fertig und wir hoffen, dass wir eine passende Redaktion finden, die sie in ihrem Magazin druckt, dann könnt ihr dort alles nachlesen. Wir halten euch auf dem Laufenden.

Am zweiten Tag haben wir am Vormittag geholfen das Katzenhaus zu reinigen. Es machte ziemlich Spass, denn ständig kamen Katzen, schmiegten sich an unseren Beinen und kletterten an uns rauf.

Am Nachmittag sind wir weitergefahren auf einen Stellplatz am Rande von Lissabon und sind dort gleich 5 Nächte geblieben. Der Stellplatz befand sich direkt neben einem ziemlich alternativen «Künstlerhaus», das einige Bandräume, ein kleines Theater, eine Bar, ein Restaurant und eine grosse Bibliothek beherbergt. Am Wochenende gab es dort Live Konzerte. Die Nacht kostete 15 Euro inkl. Strom. Wir haben dort ein Schweizer Päärchen kennengelernt – Simone und Jonas – mit denen wir viel Zeit verbracht haben. Sie sind auch für ein Jahr mit ihrem Camper unterwegs und haben eine ähnliche Route wie wir. Vielleicht treffen wir sie nochmal weiter nördlich. Wir haben auch eine tierische Freundschaft geschlossen, und zwar mit einem kleinen Pitbull Weibchen namens Bisquette. Sie gehörte einer anderen Camperin auf dem Stellplatz. Wir haben ja sonst eher ziemlichen Respekt vor sogenannten Kampfhunderassen, aber Bisquette war einfach zum Verlieben. Die Art wie sie einen ansah und auf einen zukam war einfach zum Anbeissen, sie hatte so etwas liebevolles an sich. Einmal, als Sarah mit Filou in den nahegelegenen Park ging, war sie plötzlich hinter ihr – sie war Sarah über eine vielbefahrene Strasse gefolgt. Wir treffen ja jeden Tag auf Hunde, aber Bisquette war einfach etwas ganz besonderes.

Von Lissabon haben wir den Stadtteil Alfama und Belem besucht, und Sarah war noch im Geschichtsmuseum, das sie sehr toll fand. Lissabon hat uns sehr beeindruckt, insbesondere Alfama mit seinen kleinen Gässchen und farbenfrohen Häusern, und natürlich den alten Trams, die noch immer in Betrieb sind.

Nach Lissabon sind wir weiter nördlich gefahren in Richtung Sintra. Eigentlich wollten wir den Parque da Pena besichtigen, indem sich ein eindrucksvoller Palast mit einer Art Märchenwald darum befindet. Wir sind eine lange Strasse mit vielen engen Kurven zu diesem Park hochgefahren, aber dann stand da plötzlich die Polizei und hat uns ohne Begründung in eine andere Richtung geschickt. Und irgendwie haben wir uns dann völlig verfahren und sind plötzlich am westlichsten Punkt Europas gelandet – bei Cabo da Roca. Dort befindet sich nicht viel mehr als ein Leuchtturm an der Küste, und trotzdem war da ziemlich viel los. Fast der ganze Platz wurde von asiatischen Reisegruppen bevölkert. Wir blieben nicht lange – irgendwie machten wir uns ein bisschen Sorgen wegen des Coronavirus. Also sind wir wieder weitergefahren und schliesslich etwas ausserhalb von Peniche an einer abgelegenen Laguna gelandet.

Dort war ein kleiner braunweisser Hund – wir haben ihn Woody getauft – ohne Halsband und mit Ekzemen unter den Achseln. Er durchwühlte gerade den Abfall, als wir vorfuhren. Ich weiss, wir müssen vorsichtig sein, wenn wir mit Filou auf Strassenhunde treffen, aber bisher hatten wir nie Probleme gehabt. Erstens sind die meisten Strassenhunde sehr friedlich und zweitens ist Filou ja geimpft, hat ein Scaliborhalsband, und falls er dann doch mal ein paar Flöhe aufliest, dann sind die mit einem Spot-On schnell wieder weg. Filou und Woody haben ein bisschen zusammengespielt, Woody haben wir ein Nachtessen spendiert und gleichzeitig haben wir Gabriela Clemens von der Tierschutzorganisation Casa Animales angefragt, was wir mit Woody tun sollen. Etwas später am Abend schrieb sie uns zurück, wir sollen ihn in den Camper holen, damit er nicht verschwindet, und am nächsten Tag ins Tierheim Bianca fahren. Inzwischen war es dunkel. Ich ging also mit der Taschenlampe raus und rief nach Woody, plötzlich standen zwei grosse Hunde vor mir, bellten und knurrten mich an. Ich hüpfte schnell wieder in den Camper und machte den Schweinwerfer an. Vor unserem Camper standen zwei grosse, massige Labradormischlinge, einmal in beige und einmal in schwarz. Auch sie hatten beide kein Halsband an. Ich rief nochmal Gabriela an und meinte, dass da noch mehr Strassenhunde seien, und dass ich Woody morgen suchen würde, weil ich ein bisschen Angst vor den beiden habe. Sie meinte, dass die Hunde mir bestimmt nichts tun würden. Mit neuem Mut ging ich nochmal nach draussen, und als die beiden Hunde wieder knurrend auf mich zukamen, warf ich schnell ein paar Guddis auf den Boden. Und siehe da, das Knurren hörte auf, die Hunde verschlangen gierig die Guddis und kamen dann schwanzwedeln auf mich zu.

Kaum waren wir am nächsten Morgen wach, tauchten die Labradore aus dem Unterholz auf, legten sich vor den Camper und dösten friedlich vor sich hin, während wir unseren Kaffee unter den warmen Sonnenstrahlen tranken. Von Woody weit und breit keine Spur. Da wir die Labradore nicht mitnehmen konnten, da wir einfach keinen Platz für zwei so grosse Hunde haben, informierten wir Gabriela über den Standort und fuhren weiter nach Nazaré.

In Nazaré gibt es im Winter die höchsten Wellen der Welt. Als wir ankamen, konnten wir ein unglaubliches Spektakel am Praia do Norte beobachten. Surfer, die von Jetskifahrern auf die Riesenwellen gezogen wurden und welche auf den bis zu 30 Meter grosse Wellen surften. Nur mal so am Rande: so etwas ist hochgradig lebensgefährlich. Wenn da einer vom Surfbrett fällt, dann wird das echt kritisch. Wir haben uns auf Youtube ein paar Videos angeschaut, wenn ihr Lust habt eine Rettungsaktion zu sehen, dann schaut hier: https://www.youtube.com/watch?v=Eq-eAhiX18E

Die Kraft dieser Wellen macht einen einfach sprachlos.

Als wir am Strand von Nazaré das Spektakel beobachteten, fiel uns eine junge Möwe auf. Filou war zu ihr gegangen und hatte sie beschnüffelt, ohne dass sie einen Wank gemacht hat. Als sie schliesslich von einer Welle überschwemmt und Richtung Meer gezogen wurde, fischten wir sie raus. Sie machte äusserlich einen gesunden Eindruck, hatte aber scheinbar eine Verletzung am Bein, denn sie konnte kaum noch aufstehen. Andere Camper erzählten uns, dass die Möwe schon seit ein paar Tagen verletzt am Strand lag. Wir schauten im Internet nach und sahen, dass es eine Autostunde entfernt eine Wildstierstation gab. Kurzerhand packten wir die Möwe in eine Kiste, denn es war klar, dass sie hier draussen ohne Wasser und Futter nicht mehr lange überleben würde. Bei der Wildtierstation angekommen war leider niemand da, auch am Telefon ging niemand ran und die Nachbarn sagten, dass hier nur unregelmässig jemand kam. Blöd, jetzt hatten wir also eine verletzte Möwe im Auto. Wir haben sie Mo getauft. Wir fuhren wieder zu der Lagune, wo wir letzte Nacht verbracht haben. Unterwegs kauften wir frischen Fisch. Von den Strassenhunden war diesmal keiner vor Ort. Wir legten Mo auf eine Wiese und stellten ihm eine Schale Wasser und den Fisch hin. Er trank gierig und frass fast die Hälfte des Fischs. Die Nacht verbrachte er wieder in der Kiste in der Fahrerkabine. Am nächsten Morgen trank er nochmal, ass etwas vom Fisch, dann stand er auf, humpelte zur Lagune und schwamm davon. Wir wissen nicht, ob er es mit seinem verletzten Beinchen überleben wird, aber immerhin haben wir ihm nochmal ein bisschen Zeit verschafft. Und zudem scheint die Lagune mit dem ruhigen Wasser der bessere Ort für eine verletzte Möwe zu sein als der Strand von Nazaré mit seinen Monsterwellen. Mo, wo auch immer du jetzt bist, wir wünschen dir alles Gute.

Am Mittag sind wir weitergefahren nach Leiria. Wir haben uns vorgenommen, eine Challenge zu machen, die heisst: «100 Days of Sweat». Das Ziel dabei: 100 Tage lang am Stück jeden Tag ins Schwitzen kommen. Wir fingen damit im Hallenbad von Leiria mit einer 40-minütigen Schwimmsession an. Am Abend schauten wir uns im Kino eines Einkaufszentrums den Film «Jojo Rabbit» an - können wir sehr empfehlen!

Nach dem Kino wollten wir eigentlich noch weiterfahren an einen schönen Platz am Strand, aber kaum losgefahren merkten wir, wie müde wir waren. In der Dunkelheit und im Regen war die Sicht zudem sehr schlecht, also kehrten wir nach Leiria zurück und übernachteten in der Nähe eines Skaterparks.

Am nächsten Morgen sind wir weitergefahren nach Gafanha da Boah Hoara. Dort gab es einen Stellplatz für 10 Euro inkl. Strom, direkt am Meer. Wir blieben zwei Nächte und genossen die schöne Umgebung und die warmen Temperaturen. Nach fast einer Woche Regen gab die Sonne alles und wir fühlten uns wie an einem wunderbaren Frühlingstag Ende Mai in der Schweiz. So macht auch Joggen richtig Spass.

Heute auf der Autobahn habe ich – Sarah war leider gerade am Handy und hat davon nichts mitbekommen– eine unglaublich beängstigende Situation erlebt. Wir fahren mit 120 km/h auf der Autobahn. Vor uns überholt ein grosser Lastwagen ein kleines Auto. Beim Überholen fährt der Lastwagen aus für mich unerklärbaren Gründen immer mehr nach rechts, als ob er schon wieder auf die rechte Spur wechseln wollte, dabei war das kleine Auto erst auf halber Höhe. Und dann rammt er tatsächlich das kleine Auto! Zum Glück reagierte die Fahrerin des kleinen Autos geistesgegenwärtig. Das Auto machte einen grossen Schwenker nach rechts, sie konnte aber im richtigen Moment gegensteuern und das Auto wieder kontrollieren. Mensch, das hätte auch verdammt in die Hose gehen können. Holz anfassen!

Inzwischen sind wir bei unserer Challenge bei Tag 6. Wir haben beide noch nie so viele Tage hintereinander Sport getrieben und bis jetzt macht es uns riesigen Spass, wir fühlen uns einfach saugut. Aber 100 Tage sind eine lange Zeit, ich bin gespannt, ob wir das wirklich so lange durchhalten. Bis jetzt sind wir jedenfalls hochmotiviert.

Übrigens noch eine Ergänzung zum Thema Strassenhunde. Je weiter nördlicher wir fuhren, desto mehr Strassenhunde sahen wir. Alleine gestern haben wir an drei verschiedenen Orten insgesamt 8 Strassenhunde gesichtet. Es ist schon ziemlich traurig. 

So und zum Schluss haben wur noch eine kleine Ankündigung: Wir wissen, wann wir wieder in der Schweiz sind! Unsere Route bis im Sommer ist mehr oder weniger klar. Wir werden in den nächsten zwei Wochen mit Sarahs Mutter auf dem Jakobsweg von der Grenze Portugal-Spanien bis Santagio de Compostela wandern. Danach fahren wir innerhalb von zwei Wochen nach Holland zu Sarahs Grosseltern und Ende März oder anfangs April geht es ins Vereinigte Königreich. Während 2-3 Monaten wollen wir England, Schottland und Irland in unserem Camper erkunden, und danach geht es gemütlich zurück in die Schweiz – zumindest vorübergehend. Es gibt dafür verschiedene Gründe. Einerseits finden wir, dass der Sommer in der Schweiz einfach klasse ist. Mit Freunden in der Badi chillen, grillieren, wandern, im See schwimmen – ja, wir haben ein bisschen Heimweh! Andererseits denken wir, dass es in der Hochsaison ziemlich doof ist, mit dem Hund in der Gegend herumzureisen. Einerseits können wir Filou aufgrund der Hitze nicht alleine im Camper lassen, wir müssen ihn also überall hin mitnehmen. Andererseits gibt es gerade im Sommer viele Einschränkungen für Hunde. An vielen Stränden sind Hunde nicht erlaubt, es gibt zwar Hundestrände, aber so richtig entspannt ist es nicht, wenn man mit 20 anderen Hunden auf einer vollgepinkelten Wiese liegt und dir ständig einer über das Badetuch läuft. Der Plan ist also, dass wir irgendwann im Juli oder August in die Schweiz zurückkommen und hier 1-2 Monate in unserem Camper herumreisen, Freunde besuchen und neue Orte in der Schweiz entdecken. Vielleicht fangen wir dann auch schon mal mit der Wohnungssuche an, in Zug ist das ja nicht so einfach. Ob wir dann in der Schweiz bleiben oder im Herbst nochmal für 2-3 Monate losziehen, das lassen wir derzeit noch offen. Hängt auch mit den finanziellen Mitteln ab, und das vorherzusehen ist nicht ganz so einfach.

In zwei Tagen treffen wir Sarah’s Mutter in Porto und dann geht’s ab auf den Jakobsweg. Während Sarah und Irene insgesamt 100 Kilometer wandern werden, werde ich das Büssli von Ort zu Ort bewegen und den beiden jeweils entgegenlaufen. Das werden sicher ganz tolle Days of Sweat!

Bis zum nächsten Mal!


Autorin: Stephanie Köllinger

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