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Samstag, 18.01, Narvik

Veröffentlicht: 24.01.2020

Von meinem Abteil im Nachtzug war ich wirklich hellauf begeistert. Hin und weg. Es war kein Liegewagenabteil, nein, sondern ein Schlafwagenabteil. Das heißt drei Personen statt sechs und deutlich komfortablere, schon überzogene Betten. Jetzt kommt das Beste – haltet euch fest – ich hatte das ganze Abteil für mich alleine. Ich habe mich sehr, sehr wohlgefühlt. Es gab sogar ein eigenes Waschbecken und auf dem Gang eine Dusche. An dieser Stelle kann ich ja mal ganz generell loswerden (auf Antrag eines treuen Lesers), dass die Züge hier in Skandinavien allesamt sehr komfortabel sind. Viel Beinfreiheit, nette Bistros, deren Preise auch nicht teurer als am Bahnhof sind, meist gutes Wlan und nettes Personal. Auch die Bahnhöfe sind allesamt gut in Schuss und hübsch anzuschauen. Die Nacht war also ein Träumchen, ich liebe dieses Gefühl, sich einkuscheln zu können mit dem Wissen, am nächsten Morgen in einer anderen Welt anzukommen.

Ich hatte in Freiburg immer mal wieder die Wettervorhersage gecheckt und daher nicht erwartet, dass ich sonderlich viel Schnee sehen würde. Ui, das war nach dem Öffnen der Gardine vielleicht mal eine Überraschung, allerdings eine sehr schöne. Da konnte ich mir ein dickes fettes Grinsen nicht verkneifen. An manchen Bahnhöfen unserer Reise durch Lappland über die Berge nach Norwegen wurde immer mal wieder kurz Rast gemacht. Diese Gelegenheit wollte ich direkt nutzen, um mal ein Foto von unserer treuen Lokomotive zu knipsen. Doch leider absolvierten zwei Chinesinnen bei Minusgraden mindestens 20 Minuten lang ein Fotoshooting vor dem Zug. Da wurde aus dem Rasten fast ein Ausrasten. Aber gut, irgendwann waren sie dann auch mal fertig, und solange sie ihren Spaß hatten, kann ich sowas noch tolerieren und ein Auge zudrücken. Bin ja ein Netter.

Merkwürdig war das Einsetzen der Dämmerung schon so um 13 Uhr. Das Konzept der Dämmerung ist mir zwar aus Deutschland schon bekannt, aber es fühlt sich einfach so falsch an, wenn es zur Mittagszeit quasi schon Abend ist. Das verändert extrem die Wahrnehmung des Tages und war besonders deutlich auch in Narvik und Bodø so.

Bei der Überquerung des Polarkreises wurde der Zug leicht erschüttert, ein Raunen ging durch die Abteile und rote, pulsierende Lichter erschienen schwebend vor den Fenstern. Vielleicht passierte aber auch einfach gar nichts. Trotzdem cool.

In Narvik angekommen war es dann schon stockfinster. Die Stadt hat den nördlichsten an das Schienennetz angebundenen Bahnhof Europas, ist aber abgesehen von ihrer Lage, dem Wetter und allem was dazugehört eine relativ normale Stadt (was sonst soll man auch erwarten?). 2210 Kilometer nach Hamburg – und das Richtung Süden – ist natürlich trotzdem ne ziemliche Ansage.

Als Unterkunft musste mir eine AirBnB-Wohnung dienen, die noch am günstigsten war. Dafür hatte ich dann wenigstens eine kleine Wohnung mit nicer Fußbodenheizung nur für mich, wenn auch aus mangelnder Alternative. Während diese bezugsfertig gemacht wurde, wärmte ich mich mit einem schönen warmen Kakao in der lokalen Bar auf. Kurz bevor ich gehen wollte setzten sich an den Nachbartisch vier Narviker, ungefähr die Generation unserer Eltern. Als ich auf eine norwegische Frage von ihnen nur mit „Sorry?“ antworten konnte, waren sie direkt hochinteressiert an meiner Herkunft und was ich in Narvik mache. Selbstverständlich habe ich gerne berichtet von Interrail und meiner Reise, was sie sehr aufregend fanden (ich habe ihnen mein Blog gezeigt, falls sie also mitlesen: Hei, jeg var veldig glad for å møte deg. Forhåpentligvis se deg snart.) Auch für mich war es interessant zu hören, wie das Leben in Narvik ist und wir haben uns noch eine ganze Weile unterhalten. Ich habe ihnen auch von meinem Plan berichtet, mich später am Abend noch auf die Suche nach dem Polarlicht zu begeben, wozu ich sehr nette Tipps zu den besten Orten dafür bekommen habe. Als ich meinte, die halbe Stunde dahin würde ich dann einfach zu Fuß gehen, haben sie mir ganz solidarisch 300 Kronen (ca. 30 €) zugesteckt, womit ich mir ein Taxi gönnen sollte (mit der Option, das Geld für die Seilbahn am nächsten Tag zu nutzen, was ich dann letztendlich getan habe). Sie wollten einfach nur, dass meine Zeit in Narvik so toll wie möglich ist, weswegen ich diese Geste nicht ablehnen konnte. Wirklich sehr nette Leute.

Am späten Abend gegen halb 12 zog ich endlich in hoffnungsvoller Erwartung das Polarlicht zu sehen los. Die Bedingungen waren gut und ich war exzellent vorbereitet (Stichwort vier Lagen Kleidung, Fotobeweis oben). Auf Narviks Straßen war ich so ziemlich alleine unterwegs, was gut zur Stimmung beigetragen hat. Die einzigen Geräusche waren damit mein leises Schnaufen und das Knirschen des Schnees unter meinen Füßen (eines meiner Liebingsgeräusche). Der viele Schnee und (natürlich besonders bei Tageslicht) der weite Blick über den Fjord haben mir an Narvik am besten gefallen und sind ja auch schon fast klischeehaft für den hohen Norden. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dort eine Zeit lang zu leben, die Häuser sahen alle derart nett aus, dass ich fast geklingelt hätte um spontan einzuziehen.

Auf dem Weg zum von meiner neuen Bekanntschaft empfohlenen Stelle sah ich auf einmal schon das Polarlicht. Zuerst habe ich es gar nicht richtig begriffen, weil ich ja noch mitten in der Beleuchtung der Stadt stand und einfach wegen der Lichtverschmutzung überhaupt noch nicht damit gerechnet hatte. Mit eigenen Augen war es noch einen Ticken besser zu sehen als auf den Fotos, welche allerdings ja auch keinen ästhetischen Anspruch haben sollen, sondern nur dem Beweis dienen. Das Polarlicht sah aus wie eine durchsichtige, grünliche und wabernde Wolke, die trotzdem auf der Stelle schwebt und ständig, aber langsam ihre Form ändert, an manchen Stellen verschwindet, woanders wieder auftaucht, mal mehr, mal weniger leuchtet. Ein Grinsen konnte ich mir wieder nicht verkneifen, auch weil ich froh war, so ein Glück gehabt zu haben. Andere bleiben wohl teilweise eine Woche und sehen das Polarlicht gar nicht. Man sollte also nicht für das Polarlicht Urlaub an einem Ort machen, sondern für den Ort selber und es nur als Schmankerl betrachten.

Nach angemessener Genusszeit ging ich weiter, da ich mir von dem angepeilten Ort etwas außerhalb der Stadt auf einem Berg einen noch besseren Blick erhoffte. Irgendwann führte Google Maps mich von der Straße auf einen kleinen Weg mit relativ hohem Schnee, in den ein kleiner Trampelpfad eingetrampelt war. Die Tatsache, dass der Weg nicht beleuchtet war und in den Wald hineinführte kitzelte meinen höchst ausgeprägten Abenteurergeist. Ich zückte also meine funzlige Taschenlampe, die ich in weiser Voraussicht mitgenommen hatte und stapfte los. Nach kurzer Zeit stieß ich an einen Wasserfall, der das Ende der Fahnenstange markierte. Google Maps (blödes Ding) zeigte das Ziel oberhalb von mir an. Doch beim Gedanken, durch den Wald ohne Trampelpfad mit einem Wasserfall neben mir steil bergauf zu laufen, wurde mir schon etwas mulmig und vor meinem inneren Auge erschienen die Schlagzeilen „Deutscher Held im Polargebiet verschollen“. Also machte ich kehrt. Im Nachhinein, als ich mindestens 50 Höhenmeter weiter oben über einen anderen Weg ans Ziel gekommen bin, stellte sich das als die richtige Entscheidung heraus. Dort folgte ich noch weiter einer Skiroute in die Berge, wobei ich es auch hier nicht übertreiben wollte und daher nach ca. 100 Metern, als die Stadt schon längst außer Sicht war, mein Beobachtungslager aufschlug. Es war sehr schön, für einige Zeit das Spiel des Polarlichts zu betrachten. Irgendwann überzeugte mich das Wetter aber dann doch zur Heimkehr und gegen halb 3 kuschelte ich mich schließlich ins Bett. Hätte ich eine bucket list, könnte ich „das Polarlicht sehen“ somit nun abhaken.

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