Salam Alekum!
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Auf dem Platz der Gehängten

Veröffentlicht: 01.02.2023

01.02.23 Marrakech Die Souks von Marrakech – für mich war von Anfang an klar, dass das einer der Höhepunkte unseres Marokko-Abenteuers sein wird. Ich bin nicht der Typ, der vor einer Reise Bücher wälzt, um sich zu informieren. Ich will nicht durch die Eindrücke anderer Erwartungen aufbauen, die mich beeinflussen, lenken und so verhindern, dass ich all das Neue mit meinen Augen sehen, mit meinen Sinnen unverfälscht wahrnehmen kann.

Die Souks von Marrakech sind eine Ausnahme. Ich hatte ein klein wenig Angst davor, dass dieses mächtige Feuerwerk an Menschen, Farben, Gerüchen und Geräuschen mich einfach wegschwemmt. 2600 Händler. Stoff- und Teppichverkäufer, Krämer, Metzger, Schmiede, Lederhändler, dazwischen Feuerschlucker, Akrobaten, Geschichtenerzähler, Schlangenbeschwörer, Zahnhändler – neue und gebrauchte! – Schuhputzer, Verkäufer für Liebesdrogen, Barden, Prostituierte, Geldleiher und und und … Eine innere Stimme sagte mir, dass ich da nicht unvorbereitet hingehen darf, und je mehr ich las, umso deutlicher wurde mir, warum das so ist …

Ausgangspunkt ist der Djemaa el-Fna, der Platz der Gehängten. Warum der so heißt, will ich gar nicht so genau wissen. Er gilt als einer der bekanntesten Plätze in ganz Afrika. Ein alter Spruch sagt: „Hast Du einen Tag in Marokko, verbringe ihn in Marrakech. Hast Du nur eine Stunde, verbringe sie auf dem Djemaa el-Fna.“ Jetzt weiß ich auch warum. Hier schlägt das Herz dieser pulsierenden Metropole.

Wir kommen wieder mit dem Taxi in die Innenstadt. In fünf Minuten sind wir auf dem Platz der Gehängten. Ricci vereinbart Treffpunkte, weil von Anfang an klar ist, dass wir uns in diesem Treiben schnell aus den Augen verlieren können. Das will ich vermeiden und so versuche ich, zwei drei Crew-Mitglieder im Blickfeld zu haben. Mir wird schnell klar, dass ich hier Grenzen ziehen muss. Was will ich sehen? Was interessiert mich? Was hier an Eindrücken wie eine Flut über mir zusammenschlägt, nimmt mir den Atem.

Ich mache den Fehler und probiere eine Ledermütze. Ein junger Verkäufer steht sofort neben mir und verwickelt mich in ein Gespräch. Ich will die Mütze nicht, aber er kann das nicht akzeptieren. Ich sage ihm, dass sie mir zu groß sei und hoffe, damit alles klar gemacht zu haben. Von wegen: Keine zehn Minuten später – ich bin bestimmt schon zwei-, dreihundert Meter durch ein Labyrinth von Gassen gelaufen, steht er plötzlich wieder neben mir mit einer Ledermütze, mit einer kleineren, wie er meint. Was mache ich nun? Ich will diese Mütze nicht! Ich sage ihm das, aber er lässt nicht locker. Da zeige ich auf eine Schramme in der Mütze und sage, dass das keine gute Qualität sei. Er lächelt und verschwindet in der Menge. Mir schwant Böses, und tatsächlich ist er keine fünf Minuten wieder zurück mit einer tadellosen Mütze in der richtigen Größe. Ich lache ihn an und sage: Nein. Er lächelt zurück und sagt: „Guter Preis, bester Preis. 300 Dirham.“ Das sind 30 Euro. Ich winke ab. Er sagt: „Was ist dein Preis? Was willst du bezahlen?“ Ich sage: „50 Dirham.“ Er schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Ich balle innerlich die Faust: Yes! Jetzt hast du’s ihm gegeben! Er sagt: „250.“ Was mache ich nur? Da kommt wie ein Engel von der Seite ein Engländer oder Amerikaner und fragt mich, wo es diese Mützen gäbe. Ich kann’s nicht fassen! Ich deute mit beiden Zeigefingern auf den jungen marokkanischen Verkäufer, klopfe dem amerikanischen Engländer auf die Schulter und flüchte in die Menge.

Hier lernt man zu handeln, zu feilschen. Es gibt Empfehlungen: Der Händler nennt dir einen Preis. Zum Beispiel: 100 Dirham. Das Gegenangebot von dir sollte so um die 20 Prozent sein, also bei unserem Beispiel 20 Dirham. So und jetzt geht’s los. Hin und her, her und hin und wieder zurück, nicht zu ernst, ein klein wenig Spaß dabei und immer so wirken, als brauche man die Ware, um die es geht, ohnehin nicht. Ja, und wenn du dann am Ende weniger als 50 Prozent des Ausgangspreises bezahlst, also weniger als 50 Dirham, hast du alles richtig gemacht. So läuft hier das Geschäft. 365 Tage im Jahr. Es läuft und läuft und läuft. Für mich ist es nach fast drei Stunden ausgelaufen. Es war schön die Souks gesehen zu haben, aber mehr davon muss nicht sein.

Zum Glück gingen wir gut gestärkt in dieses Abenteuer. Das Geburtstagsessen zu Martins 70. stand noch aus und zusammen mit Gerd hat sich der Jubilar was Besonderes ausgedacht: Zwiebelfleisch aus der Pfanne mit Nudeln und Salat. Den ganzen Vormittag stand eine ganze Rotte an Gemüseschneidern und Hilfskräften parat, ehe Gerd in der riesigen Pfanne über der Gasflamme mit dem Kochlöffel zu kreisen begann. Er rührte und rührte und rührte, ehe dann gegen 13 Uhr die Messer gewetzt werden konnten. Hmmm … Es hat total lecker geschmeckt! Hoffentlich lässt der nächste Geburtstag nicht allzu lange auf sich warten … 

Antworten (3)

Richard
Leider war es dieses Mal in den Abendstunden hier in der Stadt etwas frisch, sodass nicht so viel los war.. dafür konnten wir uns in den Souks besser umsehen… wieder ein schöner Marokko Tag… Morgen geht’s weiter über den hohen Atlas Richtung Süden…

Peter
Es macht richtig Spaß diesen Blog zu lesen. Vielen Dank dafür und für die Arbeit. Mein Grinsen im Gesicht wird immer breiter.

Willi
Vielen Dank, das freut mich sehr!

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