Veröffentlicht: 25.11.2022
„Die einen lieben es, die anderen hassen“, das wurde mir im Vorfeld von einigen Seiten über Bangkok gesagt. Nach insgesamt drei Tagen kann ich sagen, dass ich es liebe, auch wenn ich sicher nicht alles gesehen habe, was es zu sehen gibt. Vom vielen Dreck, den sehr vollen Straßen und dem lauten Verkehr, wofür die thailändische Hauptstadt bekannt sein soll, habe ich nicht viel mitbekommen. Das mag aber auch daran liegen, dass ich von den anderen südostasiatischen Metropolen etwas abgehärtet bin. Im Vergleich zu beispielsweise Hanoi ist Bangkok die reinste Wohlfühloase.
Im Gegensatz zu meinen letzten Stationen hatte ich mir dieses Mal keinerlei Programm für die nächsten Tage rausgesucht. Das lag zum einen daran, dass ich eigentlich nur eine Nacht in Bangkok bleiben wollte und zum anderen, dass ich im Januar Besuch aus Deutschland bekomme und dann noch einmal für ein paar Tage in Bangkok sein werde. Am ersten Vormittag hatte ich nur ein Ziel: Ich musste einen Schneider finden. An meinem tragbaren Zuhause hatte sich eine Naht geöffnet, die möglichst schnell geschlossen werden musste. Ich bin also mit meinem Rucksack los, um einen Schneider zu finden. Eigentlich kein Problem, immer leben hier fast neun Millionen Menschen. Tja, falsch gedacht. Über eine Stunde dauerte es, bis mir ein Einheimischer den entscheidenden Tipp gab. Für sage und schreibe 1,34 € reparierte ein Straßenschneider den Rucksack und das binnen fünf Minuten. Das nenne ich mal Service.
Danach bin ich mehr oder weniger ziellos durch die Stadt gestreift und habe das thailändische Großstadtleben auf mich wirken lassen. Das hat oft den Vorteil, dass man etwas abseits der Touristenpfade unterwegs ist und so das echte Leben der Bevölkerung viel besser wahrnimmt. So bin ich am zweiten Tag auch eher zufällig dem chinesischen Staatspräsidenten über den Weg gelaufen. Nun ja, wir haben uns zwar nicht persönlich getroffen, aber er ist an mir vorbeigefahren. Ich war wieder auf irgendwelchen Nebenstraßen unterwegs, als mich ein Polizist auf einmal anwies, doch bitte stehen zu bleiben und nicht weiterzugehen. Binnen Sekunden war die komplette Umgebung zum Stillstand gekommen, es fuhren keine Autos und Busse mehr, alle Menschen standen still an ihrem Platz und warteten. Da ich nicht wusste, was überhaupt los war, fragte ich eine Einheimische, die sich den Bürgersteig mit mir teilte. Gerade hatte ich die Frage ausgesprochen, da konnte ich sie mir auch schon selbst beantworten. In diesem Moment fuhr nämlich eine große Polizeieskorte und mehrere Limousinen mit chinesischen Flaggen an mir vorbei. In diesen Tagen fand eine Zusammenkunft mehrerer asiatischer Staaten in Bangkok statt, an der eben auch China in Person von Präsident Xi Jinping teilnahm. Kaum war der Tross vorbeigezogen, wurde es wieder laut. So schnell wie die Stadt stillstand, so schnell bebte sie wieder. Ein bizarrer Anblick.
Ein Fußballspiel – wie kann es auch anders sein – hat dazu geführt, dass ich meinen Aufenthalt doch verlängert habe. Wie in Vietnam wollte ich auch in Thailand mindestens ein Spiel sehen und wie es der Zufall wollte, war für Samstagabend ein Spiel von Bangkok United angesetzt. Ich verlängerte also um zwei Nächte im Hostel und stellte mich fest darauf ein, am Samstag zum Fußball zu gehen. Als ich am Samstagmorgen dann schauen wollte, wie ich zum Stadion komme, musste ich jedoch mit Verwunderung feststellen, dass das Stadion rund 50 Kilometer außerhalb von Bangkok liegt. Wie ich es drehte und wendete, der Besuch war kaum zu realisieren. Ich brauchte also ein (sportliches) Alternativprogramm. Und da kam mir die Muay Thai Boxing Fightnight natürlich perfekt gelegen. Der Unterschied zwischen Boxen und Muay Thai Boxen liegt hauptsächlich darin, dass neben den Fäusten auch die Beine fliegen. Sieben Kämpfe bekamen die rund 500 Zuschauer, von denen gefühlt 400 Europäer waren, geboten. Es ging ganz schön zur Sache, ohne Rücksicht auf Verluste kämpften die Boxer gegeneinander. Nach diesem Abend kann ich sagen, dass ich doch lieber bei Ballsportarten bleibe, auch wenn es ein cooles Erlebnis war.
Nach insgesamt vier Tagen Bangkok ging es weiter in Richtung Norden. Dieses Mal allerdings nicht auf der Straße, sondern auf der Schiene. Für unfassbare 54 Cent kaufte ich ein Ticket nach Ayutthaya. Bei diesem Preis könnte man meinen, dass es sich um eine Station innerhalb von Bangkok handelt, aber nein, zwischen Bangkok und Ayutthaya liegen tatsächlich rund 80 Kilometer. Nun muss man dazu sagen, dass das Ticket für die dritte Klasse war, sprich ich musste auf Holzbänken und mit einem Ventilator statt einer Klimaanlage vorliebnehmen, aber wir sprechen hier immer noch von 54 CENT FÜR 80 KILOMETER. Dafür schwitzt man doch gerne bei 30 Grad auf seiner Holzbank.
Am frühen Nachmittag kam ich dann in Ayutthaya an. Eigentlich hatte ich den Ort nur als Zwischenstopp für die Weiterreise in den Norden ausgewählt. Zwar war Ayutthaya Anfang des 17. Jahrhunderts die größte Stadt der Welt, heute ist davon jedoch bis auf viele alte Tempel nicht mehr viel zu sehen. Und da ich seit Angkor eigentlich genug von „alten Steinen“ habe, wollte ich hier nur eine Nacht verbringen und möglichst schnell weiterziehen. Das änderte sich jedoch mit Betreten des Hostels. Von der ersten Sekunde fühlte ich mich direkt sehr wohl. Ich wurde unfassbar freundlich empfangen und kam sofort mit den anderen Backpackern ins Gespräch. Und spätestens mit dem gemeinsamen Abendessen – die Hostelbesitzer kochten jeden Abend für alle – stand für mich fest, dass ich hier nicht nur eine Nacht bleiben kann. Aus einer Nacht wurden dann insgesamt drei Nächte. Wir mieten uns Fahrräder, erkundeten die Umgebung und besichtigten den ein oder anderen „alten Stein“. Es waren aber nicht die Sehenswürdigkeiten, die den Ort so schön machten. Viel mehr waren es die Leute. Andere Stationen meiner Reise hatten sicherlich mehr zu bieten, hier stimmte aber der Vibe. Und ich merke, dass mir dieses Gemeinschaftsgefühl immer wichtiger wird. Leider sind die meisten aus unserer kleinen Gruppe am dritten Tag weitergereist, weshalb auch ich mich dazu entschieden habe, weiterzuziehen.
Mit dem Zug ging es zurück nach Bangkok, wo abends der Nachtbus nach Chiang Mai auf mich wartete. Vorher machte ich aber noch einen kleinen Abstecher nach Deutschland. Ich musste die Zeit bis zur Abfahrt abends um 20 Uhr totschlagen und ich wollte mich deshalb in ein Café setzen. Im Internet bin ich dabei auf das „Glück“ gestoßen, einem von Deutschen geführten Café mitten in Bangkok. Und was soll ich sagen, beim Betreten war ich wieder in Deutschland. Im Radio lief SWR3, es war weihnachtlich geschmückt und auf der Speisekarte fanden sich Sachen wie Weißwurst, Brotzeit und Omas Apfelkuchen. Ich hätte mir in diesem Moment kaum einen besseren Ort vorstellen können. Der Himmel auf Erden. Frisch gestärkt mit Brezn, Obazda, süßem Senf und einem Stück Apfelkuchen setze ich mich abends in den Bus in Richtung Chiang Mai.