15/10/2018 Heute ist mein letzter ganzer Tag in Hong Kong. Armelle und ich wollen die gute Gelegenheit nutzen und gemeinsam einen Ausflug nach Macao machen. Dabei haben wir weniger im Sinn hier im „Las Vegas des Ostens“ unser Glück beim Roulette oder an den Tischen des Blacks der zahlreichen Casinos zu versuchen. Nein, auch wenn unsere Reisekasse eine Aufbesserung sehr gut gebrauchen könnte, interessiert uns die einzigartige Fusion des kolonialen Erbes Portugals mit dem modernen China. So verspricht es zumindest der Reiseführer und ich freue mich. Eine Stunde dauert die Überfahrt zur 65km entfernten chinesischen Sonderverwaltungszone Macao und dann erfolgt noch die Passkontrolle zur Aus- und Einreise. Vom Anleger kommt man mit dem Bus in die Stadt. Dabei kann man kostenlos bei einem der klimatisierten Reisebusse der Casinos mitfahren, die ihre Gäste abholen. Dazu müsste man aber wissen, wo dieses liegt und ob es sich in der Nähe des anivisierten Ziels befindet. Da meine SIM-Karte hier im Hong-Kong-Ausland nicht funktionert, können wir das nicht checken. Und die Tempeltänzerin-Hostess, die die betuchten Chinesen zu den Bussen weiterwinkt, damit sie ihren Spieltrieb befriedigen und viel Geld lassen können, ist zwar sehr dekorativ, hat aber weder Englischkenntnisse noch Ahnung. Macht nichts! Wir springen lieber in den öffentlichen Bus, denn laut Lonely Planet fährt die Linie 26 zur Ruine de São Paulo. Man sollte pro Person 6 MOP (Macao Pataca) in Münzen bereithalten. Leider haben wir noch keine Landeswährung, aber man kann problemlos ebenso mit Hong Kong Dollar bezahlen, zumal der Kurs gerade 1:1 ist.
Macao liegt im Delta des Perlflusses und besteht aus einer Halbinsel, auf der sich das historische Stadtzentrum befindet und den zwei vorgelagerten Inseln Taipa und Coloane, die im Rahmen der Landgewinnung zusammengewachsen sind. Schon von Weitem sieht man die riesigen Brücken, die die Stadtteile verbinden. Mit der App maps.me und dem Haltestellenplan im Bus klappt die Orientierung auch offline so gut, dass wir es schaffen an der richtigen Stelle auszusteigen. Yeah! Mir fällt sofort positiv die Ruhe und Entspanntheit auf. Im Vergleich zum Wahnsinn Hong Kongs und dessen Hektik, Enge und völligen Verbautheit wirkt Macao geradezu dörflich charmant. Hier kann man durchatmen.
Armelle und ich setzen uns im Park auf eine Bank und machen einen Sightseeing Schlachtplan. Uns bleibt nicht so viel Zeit wie wir gerne hätten, da wir die Fähre um 16 Uhr zurücknehmen möchten, um rechtzeitig im Postamt zu sein und unsere Souvenirs vor der morgigen Weiterreise in die Heimat zu schicken. Wir spazieren zur Ruine von São Paulo, vorbei an kleinen Mosaiken, portugiesischen Bäckereien, schrammeligen Balkonen und am ewigen Glück. Wie süß! Die Mischung aus westlicher und fernöstlicher Kultur ist wirklich einzigartig. An manchen Stelle habe ich das Gefühl in Europa zu sein, um Sekunden später etwas typisch Chinesiches zu sehen.
Ich finde es viel spannender, die Ruine von hinten zu fotografieren.
Wir spazieren weiter zum das Fortaleza do Monte. Von hier hat man einen phantastischen Blick über die Dächer der Stadt. Das Grand Lisboa sticht sofort ins Auge.
Mit seinem goldenen Turm in Form einer Lotusblüte hat sich das Casino als kitschiges Wahrzeichen der Stadt etabliert. Schön ist anders! Aber: Las Vegas war gestern Macao ist heute. Da es der einzige Ort in China ist, an dem Glücksspiel legal ist, strömen die Chinesen in Scharen her. Die Glücksspielumsätze sind sieben mal höher als in Las Vegas. Und Macao wäre eines der reichsten Länder der Welt, wenn es nicht wirtschaftlich China angegliedert wäre.
Obwohl im Hintergrund hässliche chinesische Hochhäuser zu sehen sind, stellt sich bei mir ein Spa-Gefühl ein. Und offenbar bin ich nicht die Einzige, die trotz optischer Ausreißer hier gut entspannen kann.Weiter geht es zum Fortaleza da Guia, dem höchsten Punkt der Stadt, der einen atemberaubenden Panoramarundumblick verspricht. Bei guter Sicht soll man bis nach China und auf die Inseln sehen können. Na, bei diesen dicken Wolken heute wird daraus sicher definitiv nichts. Wir erklimmen das Fort und kommen schweißgebadet oben an. Die Kapelle und der Leuchtturm sind leider nicht zugänglich. Schade. Dann genießen wir eben nur die angenehme Brise und die schöne Aussicht. Wir nehmen einen anderen Weg hinunter zum Largo do Senado. An diesem Platz stehen die wichtigsten historischen Gebäude, der Leal Senado mit der Staatsbibliothek und nebenan die Dominikuskirche, Igreja de São Domingos, aus dem 17. Jahrhundert. Ein prächtiger Kolonialbau steht neben dem nächsten. Sie sind alle in Gelbtönen gehalten, von zartem Zitronen- bis zu sattem Sonnenblumengelb. Palmen säumen die Straße und Bänke laden zum Verweilen ein. Der Boden ist mit portugiesischem Wellenmosik gepflastert. Und an den Ecken duftet es aus den Bäckereien nach Pastel del Nata. Hier ist mediterranes Flair pur. Kein Wunder, dass dieser Teil 2005 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde. Der letzte Punkt auf unserer Sightseeing Wunschliste ist das Mandarin-Haus (Caso do Mandarim). Dieser Ahnensitz von Zheng Guanying wurde 1869 gebaut und umfasst ein Mondtor, ruhige Innenhöfe und mehr als 60 exquisite Zimmer und Hallen, die im Stil vieler alter chinesischer Gebäude labyrinthartig angelegt sind. Herrlich, wenn man so viel versteht, nicht?Das Mandarin-Haus an sich haut mich jetzt nicht so vom Hocker. Das Mondtor allerdings schon, ebenso die filigranen Details und wie sich die Formen nach innen fortsetzen.Ist das nicht schön?Wir haben Mühe einen Bus zum Anleger zu finden. Nicht wissend, dass es mehr als einen gibt, landen wir wie Murphys Gesetz es verlangt natürlich am falschen. Mit dem Taxi geht es dann zum richtigen Anleger und ab aufs Schnellboot. In Hong Kong angekommen, müssen wir wieder einreisen und stecken dann ins der total verstopften Metro fest. Rush hour! Wie sagt meine Lieblingsschwester immer so schön: nach müde kommt doof! Hier der beste Beweis!Armelle hat eine Verabredung mit einem anderen Couchsurfer. Das passt ganz gut, dann kann ich meinen letzten Abend in Hong Kong alleine gestalten. Hungrig geht es zum Food Market in der Temple Street, schließlich möchte ich da unbedingt noch hin. Es schüttet wie aus Eimern und habe keine Ahnung, wo das Essen gut ist. Also verlasse ich mich auf mein Gefühl. Mit einem kühlen Bier lässt sich die Wartezeit bis zum Essen doch prima verkürzen. Mit der Beratung der Kellnerin habe ich gebratenen Spinat bestellt und Knoblauch-Hühnchen. Yuuummieh! Ich bin hin und weg. Mit Abstand das beste Essen, das ich hier in Hong Kong gegessen habe. Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich jeden Abend hier gegessen. Danach kaufe ich noch flott im 7Eleven ein Geschwisterbier und laufe, so flott es die Menschenmenge zulässt zur Promenade am Victoria Harbour. Ich ergattere ein Plätzchen auf den Stufen, öffne das zischende Bier und los gehen Musik- und Lichtshow! Touristisch, aber auch seeehr schön. Nach 10 Minuten ist der Spaß vorbei. Die anderen Touris gehen. Ich bleibe sitzen und genieße die aufkommende Ruhe. Ein perfekter Moment der totalen Entspannung und des Genusses. Ich lasse meinen Besuch in Hong Kong in Gedanken Revue passieren. Es ist unfassbar, dass ich bloß 4 Tage und 5 Nächte hier war. Ich habe so viel gesehen und erlebt: und gleichzeitig habe ich noch so einiges, was ich gerne sehen würde. Eine Welle puren Glücks durchströmt mich. Ich darf morgen weiterreisen, in ein anderes neues aufregendes und spannendes Land. Ich freue mich so unfassbar, dass ich erstmal eine Runde weinen muss. So schön!