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-Kapitel 25- Die Tongariro- Wanderung unseres Lebens

Veröffentlicht: 12.08.2020

Das Tongariro Alpine Crossing ist die beliebteste Wanderstrecke Neuseelands. Um ihn zu wandern, checkten wir auf einem Campingplatz im National Park Village ein. In dem Dorf gab es eigentlich nichts, nichts außer einer Tankstelle und dem Bergblick. Drei Tage mussten wir dort verbringen, weil die Shuttles nur bei gutem Wetter fahren, und es bei uns leider durchregnete. Außerdem wurde es so kalt wie noch nie. Ich musste meine Winterjacke wieder rausholen, die ich seit November in den Koffer gepackt hatte und fror trotzdem. Im Nationalpark Village campte zur gleichen Zeit wie wir auch ein polnisches Pärchen mittleren Alters, die die ganze Zeit das Wohnzimmer in Anspruch nahmen, und sich einen kostenlosen schwarzen Tee nach dem anderen machten. Sie lebten in der Schweiz, hatten ihren Job gekündigt und reisten nun, ich glaube vor allem um sich dort mit Leuten auszutauschen.

In der Nacht vor demTongariro kühlte es sich auf 5° ab. So kalt war es wahrscheinlich auch inunserem Auto. Wir schliefen mit dicken Socken, Leggings, Pullovern und Schalsund Celina mit dem Kopf unter der Bettdecke. Ich schlief so gut wie gar nicht.Eine super Grundlage um am nächsten Tag 20 Kilometer zu wandern! Als der Weckerum 5 Uhr klingelte, sprintete ich mit Winterjacke zum Bad. Um 6 wurden wirzusammen mit 10 anderen Leuten vom Shuttlebus bei einem nahen Parkplatzabgeholt. Wir hatten das früheste Shuttle gebucht, weil wir davon ausgingen,sehr langsam zu sein. (Als wir das den Polen erzählten, stöhnten dieerschrocken auf). Der motivierte Busfahrer erklärte uns, dass man heute wegenzu starken Windes nur die Hälfte der Strecke gehen dürfte. Deshalb konnten wir „nur“zu den Emerald Lakes und wieder zurück gehen. Im Shuttle saßen wir neben zweiJungs, die wir schon in Wai- O- Tapu gesehen hatten, und wir waren froh, dasswir die Strecke nicht mit unserem Auto fahren mussten. Diese Straße war sogarfür neuseeländische Verhältnisse schlecht und schüttelte uns ordentlich durch. Auf dem Parkplatz angekommen, schossen wir voll motiviert ein paar Fotos von dem 19.4 Kilometer Schild, und machten uns ruhig auf den Weg.
motiviert vor dem 19,4 km Schild

Das Wetter war jetzt ganz angenehm frisch, nur ein bisschen trüb. Der Weg war vollkommen in Ordnung, es ging auf einem ebenen Trampelpfad zwischen die Berge, und wir wanderten ganz entspannt. 

Es kamen mehrere Warnschilder, die uns auf verschiedene Dinge hinwiesen, vor allem aber darauf, ob wir wirklich fit genug wären. Ein Schild war mit zwei Fotos versehen: Auf einem der vor uns liegende Weg in der Sonne, auf dem anderen der gleiche Weg in Wolken gehüllt. Exakt so wie es gerade bei uns aussah. Darauf stand, man solle bei diesen Wetterverhältnissen lieber umdrehen. Wir wurden aber laufend von anderen Wanderern überholt, die uns freundlich „Hi“ sagten, also gingen wir weiter. Nach ungefähr einer Stunde ging es alle paar Meter ein paar Treppen hoch, und wir liefen über eine Art Holzsteg, der über Sumpf führte. Wir passierten die vorerst letzten Toiletten (in denen eine Statistik hing, wie viele Menschen jedes Jahr vom Tongariro gerettet werden müssen, sehr motivierend). Danach ging es sehr steil und sehr viele Treppen nach oben. Zu diesem Zeitpunkt waren wir schon fast drei Stunden unterwegs, und waren mehrmals stehen geblieben. (Man muss dazu sagen, dass Celina und ich alles andere als geübte Wanderer sind). Als wir auf der Hälfte der Treppen frühstückten, war die Sicht nach unten sehr schlecht, denn eine Wolke hing plötzlich in den Bergen, und es zog sich so stark zu, dass wir ab da nichts außer dem Weg und weißem Nebel sehen konnten. Das hatte auf jeden Fall auch etwas Cooles, und es störte uns erst Mal nicht weiter. 

Von den Erfahrungsberichten die ich mir im Voraus durchgelesen hatte, wussten wir, dass der schlimmste Teil eine so genannte Teufelstreppe sein sollte. Wir spazierten etwa einen Kilometer durch einen großen Krater, wobei wir von starkem Rückenwind angeschoben wurden. Wir hielten drei Etappen für die Teufelstreppe („Also ich glaube das ist sie jetzt wirklich“) bis wir tatsächlich bei ihr ankamen. Davor wurden wir von einem motivierenden Schild vor dem nun schwierigsten Teil gewarnt, und noch einmal „Bist du fit genug?“. Obwohl wir vorher schon ganz schön oft stehen bleiben mussten, begannen wir optimistisch den sandigen, sehr steilen Aufstieg zwischen Geröll und Felsen. Das war definitiv der schlimmste Teil. Es war die reinste Klettertour und bei schönem Wetter sicher schon hart für ungeübte Wanderer wie uns, aber die Kälte und der furchtbar starke, eisige Wind, der ungehindert über uns hinwegfegen konnte, gaben uns den Rest. Celina und ich entwickelten eigene Strategien um diesen Teil hinter uns zu bringen. Celina musste sich wie ein alter Rentner vorwärts kämpfen, während ich immer ein paar Meter sprintete, bis ich mich hinter einen Felsen kauerte, um Luft zu holen. Ich ärgerte mich, weil ich morgens meinen bzw. Celinas Schal wieder zum Auto gebracht hatte, als ich sah wie dünn die anderen angezogen waren. Wir begannen richtig krass zu zittern, und das Schlimmste war, dass wir beim Gehen wegen des Windes keine Luft bekamen. Außerdem sahen wir nach wie vor nur Nebel, und jetzt trafen wir auch immer seltener auf andere Wanderer. Nach Ewigkeiten- wahrscheinlich hatten wir nur 100 Meter geschafft- hockten wir uns hinter einen ziemlich großen Felsen, der den meisten Wind abhielt. Dort kauerten wir dann erst Mal eine Zeit lang verzweifelt. Wir waren vor Erschöpfung und Kälte so richtig überdreht. Die Haare, die aus den Mützen herausguckten, waren nass und gefroren, an meinen Wimpern war Frost und unsere Augen brannten richtig rot. Unsere Finger waren dabei abzusterben, deshalb holte ich Omas dicke Socken raus, die ich irgendwie noch zur Sicherheit in den Rucksack gepackt hatte und die wir nun um unsere Hände wickeln konnten. (Später kam uns eine Wanderin entgegen, die uns stolz ihre Hände zeigte, die auch in Wollsocken steckten).
Wir rangen uns dazu durch weiter nach oben zu klettern. Denn irgendwie hofften wir, dass wir irgendwann buchstäblich über den Berg sein würden, wo wir hoffentlich vor dem furchtbaren Wind geschützt waren. Wir brauchten noch mehrere Felsen zum Schutz, und das letzte Stück kroch Celina im Gleichschritt mit einem stark mitgenommenen Rentner hinauf, während ich um meinen Sauerstoff kämpfte. Wir sahen überhaupt nicht, was sich um uns herum befand, aber der Weg wurde immer schmaler und schmaler. Wir wussten, dass es zu beiden Seiten steil herunter gehen musste. Dann, endlich, hatten wir den höchsten Punkt erreicht und ließen uns ein paar Meter darunter sofort in den Sand fallen. Es war immer noch genauso neblig, aber immerhin windgeschützt. Erstmal stellten wir uns selbst wieder her, dann machten wir eine Mittagspause, und unglaublicherweise zog die Wolke für einen Moment weg und gab den Blick nach unten auf die Emerald Lakes, die grünen Vulkanseen frei. Das sah wirklich unglaublich aus!

was für eine Aussicht..

Je länger wir warteten, umso öfter konnten wir die Aussicht bewundern, bis die Wolken schließlich komplett abzogen, und wir sogar einen Blick auf die umliegende Landschaft werfen konnten. Wir schlitterten zusammen mit den anderen Wanderern den Weg aus losem Geröll herunter zu den Seen, wobei uns zwei Mal jemand festhalten musste, um uns vor dem Sturz zu schützen. (Jeder von uns ist an dem Tag einmal hingeflogen). Wir verbrachten mehr als eine Stunde bei dem See und genossen die Aussicht, fragten viele Leute nach Fotos und machten selbst Fotos.

eines unserer Lieblingsfotos
Celina vor dem knallgrünen Emerald Lake

Es war so schön und sonnig dort, dass wir fast vergaßen, was uns auf dem Rückweg auf der anderen Seite des Berges erwartete. Es war ein bisschen entmutigend, den sehr steilen Weg vor uns zu sehen.

Schweren Herzens verabschiedeten wir uns von den tollen Seen und kletterten kleinschrittig nach oben. Es war so rutschig und steil, dass wir uns am Boden festhalten mussten, um voran zu kommen. Als wir oben waren, mussten die fitten Wanderer direkt wieder eine Pause machen. Dieses Mal aber mit Blick in den roten Krater, der uns vorher wegen des Nebels verwehrt geblieben war. Wir entdeckten auch, dass wir auf dem Hinweg auf einem total schmalen Sandweg zwischen den Kratern entlanggelaufen waren und blieben auch dort noch eine Weile, um die Aussicht zu genießen.

Blick auf den Red Crater

Auf dem Rückweg war es zwar immer noch ziemlich windig, aber nicht mehr ganz so eisig kalt. Immer noch staunten wir über Aussichten, die wir vorher gar nicht sehen konnten.

Der Schicksalsberg: Filmkulisse Herr der Ringe

Als nach drei Stunden der Parkplatz wieder in Sicht kam, bemerkten wir, dass wir richtige Frostbeulen an den Händen hatten. Die Wetterschilder am Parkplatz zeigten uns, Minusgrade und Windstärken von 80 km/h auf dem Berg.

Total fertig sanken wir auf der erstbesten Bank zusammen, wo auch schon die zwei Jungs aus dem Bus warteten und Dehnübungen machten. Sie waren das komplette Gegenteil von uns. Denn während wir wahrscheinlich so aussahen, als hätten wir den Tag über mehrere Nahtoderfahrungen erlebt, waren die Jungs richtig gut gelaunt und fit. Sie organisierten das Shuttle zurück, (in der Zwischenzeit hatten Celinas Beine beunruhigend unkontrolliert angefangen zu zittern), und der Busfahrer vom Morgen holte uns wieder ab. Er schlug mit uns ein und fragte uns über den Tag aus. Da stellte sich dann heraus, dass die Jungs einmal den Tongariro komplett auf die andere Seite und wieder zurückgewandert waren. Kurz: Die doppelte Strecke wie wir, nur in der gleichen Zeit.

11 Stunden nachdem uns das Shuttle aus dem Dorf abgeholt hatte, waren wir also wieder bei der Unterkunft. Ich glaube die Polen (die statt dem Tongariro eine 4 Stunden Wanderung zu Bergseen gemacht hatten) wollten uns nicht so richtig abnehmen, dass wir heute die Wanderung unseres Lebens gemacht hatten. Als ich abends zum Duschen ins Bad ging und in den Spiegel sah, wusste ich auch warum. Ich sah genauso aus wie ich mich fühlte: Meine Augen waren blutunterlaufen und ansonsten sah ich aus wie eine Leiche. Mit dem festen Glauben, dass wir beide definitiv krank werden würden, kuschelten wir uns abends in die Bettdecke, froren aber trotzdem.

Flori regte sich später immer darüber auf, dass wir von unserer vorherigen Zeit in Neuseeland entweder vom Te Puke Holiday Park oder von „diesem Berg“ redeten. Und das stimmt wirklich. Auch wenn wir wahrscheinlich beide nie wieder ohne Übung so eine Wanderung machen würden, war der Tongariro das Highlight der gesamten Zeit in Neuseeland.

-> Fortsetzung folgt 

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