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-Kapitel 22- zweites Mal arbeiten: nicht okay sondern "sweet"-alle Erlebnisse

Veröffentlicht: 11.08.2020

In Te Puke war es nicht möglich, keinen Job zu finden. Über Indeed hatten wir ein paar Kiwiagenturen angeschrieben, und direkt einen Job gefunden. Ich glaube, solange man ein Visum und einen Reisepass besitzt, sind die da nicht so wählerisch. Da wir aber nur über SMS mit dem Typ geschrieben hatten, waren wir gespannt mit wem wir es dieses Mal zu tun bekommen würden. Es verwirrte uns ein wenig, dass er „Sweet“ statt okay schrieb, und einen Abend vor unserem ersten Tag schrieb er „Ich hoffe ihr seid harte Arbeiter und lernt schnell.“ Das klang ja schon mal toll. (Außerdem schrieb er um 21.00, dass wir bitte unsere eigenen nicht vorhandenen Heckenscheren mitbringen sollten). Dementsprechend nervös waren wir am nächsten Morgen. Als wir vor der Kiwifarm vorfuhren, sah ich erst Mal nur einen uralten Inder mit langem grauem Bart, Turban und Sonnenbrille, der einer Menge Leute in unserem Alter etwas erklärte. Noch nervöser stiegen wir aus und wurden von einem jungen Inder namens Taranji begrüßt, der sich als Verfasser der Nachrichten herausstellte. Wir folgten ihm auf die Kiwifarm, da er uns seinen Manager vorstellen wollte, der uns gar nicht beachtete und ihn nur ziemlich unfreundlich fragte, wo seine Familie wäre. Wir waren schon Mal beruhigt, dass es so viele andere Mitarbeiter gab, aber es wirkte dort auch alles sehr chaotisch. Irgendwie waren die Chefs sich uneinig, was wir tun sollten, unterhielten sich schnell auf indisch und schickten uns immer wieder in andere Reihen. Nach ein paar Minuten meinte Taranji, oder Taron, wie er von den anderen Mitarbeitern genannt wurde, dass ich mit seiner Schwester zusammenarbeiten könnte. Einer Frau, die so verhüllt war, dass ich nur ihre Augen sehen konnte, bis sie später ihre Sonnenbrille aufsetzte und ich gar nichts mehr sah. Celina sollte mit einem Mann mitgehen, den Taron ihr als „my... brother“ vorstellte. Im Laufe des Tages erklärte mir die Inderin aber sehr stolz, dass dieser ihr Mann sein würde. Das fanden wir erst ziemlich seltsam, doch da die Inder (zumindest die auf dieser Farm) sehr familienverbunden waren, und meistens alle gemeinsam in einem Haus lebten, sah Taron den Mann seiner Schwester wohl als seinen Bruder an. Die Inderin erzählte mir auch, dass ihre ganze Familie auf der Kiwifarm arbeiten würde, außer ihrer Mutter, die Hausfrau wäre. Die ersten Arbeitstage waren im Grunde ganz in Ordnung, aber Celina und ich mussten grundsätzlich getrennt arbeiten, was uns mit der Zeit ziemlich auf die Nerven ging. Schließlich arbeiteten alle anderen Mitarbeiter, mit niemand anderem als mit ihren Freunden zusammen und nicht mit den Indern, die mit der Zeit auch schon voll genervt waren. Ein wenig seltsam fanden wir auch, dass wir uns eigene Heckenscheren kaufen sollten, obwohl die anderen Mitarbeiter ganz selbstverständlich jeden Morgen die Heckenscheren aus Tarons Inderauto bekamen.

Wir waren die einzigen Backpacker auf der Farm. Ansonsten waren dort nur die Inderfamilie, zwei neuseeländische Jungs, eine Koreanerin namens June, ihre zickige Freundin Chris, der Philipino Francis und noch sechs Mädchen. Jeder von ihnen, Francis mal ausgenommen, waren allesamt neuseeländische Studenten, die in ihren Semesterferien auf der Kiwifarm jobbten.

Anders als bei Powen konnten wir gleich am ersten Tag unseren Arbeitsvertrag unterschreiben, und erhielten regelmäßig und ordentlich aufgeschlüsselt unseren Lohn. Das war sehr gut.

Die nächsten zwei Tage mussten wir 45 Minuten zu einer verwilderten und gigantischen Kiwifarm mitten im Nichts fahren. Der Besitzer war ziemlich gruselig, schlich immer gebeugt durch die Reihen und hatte eine dünne leise Stimme. (Ich bin mir ganz sicher, dass er einen Ork bei den „Herr der Ringe“ Filmen gespielt hat). Auf solchen riesigen Farmen wie dieser, waren wir insgesamt 40 Mitarbeiter. Eine andere Arbeitsgruppe, bei der wahrscheinlich eine Cousine von Taron das Sagen hatte, stieß dann immer dazu. Wir bemerkten auch, dass die Arbeit auf der Kiwifarm nichts für große Menschen war, denn in der anderen Gruppe gab es einen lustigen indischen Typ, der immer mit seinem Kopf auf der Schulter durch die Reihen gehen musste. Wenn er arbeitete, musste er breitbeinig stehen und trotzdem sah man ihn nur bis zum Hals. Er trug immer ein pinkes Tuch um die Schultern, grinste dauerhaft und wollte, dass wir ihm Wörter auf Deutsch beibringen. Die beiden Tage auf der verwilderten Farm waren die besten bei der zweiten Arbeit.

Eine gemütliche Runde unter Kollegen

An einem besonders heißen Samstag arbeiteten außer den Indern und uns nur der Philippino mit seiner Frau, die Koreanerin namens June und die beiden neuseeländischen Jungs. Der eine namens James, studierte in Queenstown, hatte einen Schnurrbart und einst ein Austauschjahr in Berlin absolviert. Er konnte allerdings nur wenig deutsch. Als er mit Celina eine Reihe bearbeitete, erzählte er ihr total begeistert von der ICE Fahrt nach Hamburg. In Neuseeland gibt es nämlich nur sehr wenige und kurze Passagierzüge. Seinen Kumpel bezeichneten Celina und ich als den Werwolf, weil wir seinen Namen nie erfahren haben. Er trug jeden Tag dasselbe orange Tshirt, hatte einen Vollbart und dicke, ziemlich lange Haare, was besonders seltsam war, weil er die Figur eines 14- jährigen hatte. In jeder Pause rauchte er Kette. Das Beste war aber immer noch sein Auto. Man hörte ihn schon lange bevor er zu sehen war. Eines Tages arbeiteten wir auf einer Farm auf einem Hügel, als ich fünf Minuten lang ein dermaßen lautes Geräusch hörte, dass ich dachte, es wäre ein Trecker. Aber es war der Werwolf, der zur falschen Farm gefahren war und deshalb eine halbe Stunde zu spät zur Arbeit kam.

Die Farm an diesem besonders heißen Samstag war sehr klein, und um 12 waren wir im Grunde schon durch. Taron war mit dem anderen Mann verschwunden, und seine Schwester hatte das Kommando übernommen. Sie wies uns an, besonders langsam zu arbeiten, damit der Besitzer der Farm nicht sah, dass wir schon lange fertig waren und trotzdem Geld kassierten. Um 14 Uhr sollten sich dann alle beim Auto versammeln und es gab Bier oder Vodka, zusammen mit großen, indischen Frühlingsrollen. Dann standen wir eine Stunde im Kreis und betrieben Konversation. Für Celina und mich war das ein Alptraum. Wir quälten uns mit unserem Bier ab, und waren ganz damit beschäftigt nicht fehl am Platz zu wirken (Hat glaube ich nicht so gut geklappt, denn Taron fragte uns einmal ob alles okay ist). Die Gespräche fanden im Grunde nur zwischen James, Taron und June statt, die sich gegenseitig sehr private Fragen stellten, oder dann wieder zu extremem Smalltalk wechselten. Wir unterhielten uns ganz nett mit den Jungs über den Mount Maunganui, woraufhin Taron, der uns beobachtet hatte, zu James „You finished them, right?“ meinte. Später versuchte James uns nochmal ins Gespräch zu bringen, in dem er uns etwas zu Deutschland fragte, aber Taron antwortete für uns und wechselte dann das Thema. Celina probierte aus Höflichkeit eine Frühlingsrolle, von der ihr zusammen mit dem Bier richtig übel wurde, und der Werwolf trank ein Bier nach dem nächsten und rauchte wie ein Kamin. Die Philippinos wurden nur einmal etwas gefragt, doch auch da antwortete Taron für sie, wie für zwei Kinder und nahm sie damit aus dem Gespräch. Viertel vor drei meinte Taron dann zu uns, und nur zu Celina und mir, dass wir ruhig als erstes nach Hause fahren können.

Was soll man da noch sagen? Wir wollten nichts wie weg von der Farm. Celina war richtig übel, deshalb versuchte ich völlig durch den Wind auszuparken und fuhr rückwärts den engen Gang zwischen den Kiwibäumen lang. Dabei raste ich volle Kanne gegen einen Holzpfeiler (Der Krach ließ die anderen aufhorchen. Es war so peinlich). Dann fuhren wir im Slalom rückwärts einmal um die ganze Plantage, bis wir endlich den Ausgang erreichten, wo wir- um nochmal einen draufzusetzen- auf die anderen Mitarbeiter trafen, die gerade auf die Straße fuhren, weil sie einfach 5 Minuten nach uns vorwärts gefahren waren. Unser Auto hatte zwar eine Menge Schönheitsfehler, als wir es gekauft hatten, aber die auffälligste aller Beulen hat es erst seit diesem schrecklichen Samstag.

uups.. eine Beule

Die Mitarbeiter

Das Gute an der zweiten Arbeit war, dass die Inder ihre Arbeit viel lockerer nahmen, als Powen und Mac, die die Kiwis wie „little babys“ behandelten. Wenn wir typisch deutsch doch mal den Fehler machten, kurz vor 8 anzukommen, waren wir immer die ersten und aus einer 10 Minuten Pause konnte schnell Mal eine halbe Stunde werden. Mit der Zeit gingen uns die Standardrufe, die Taron jeden Tag auf´s neue mit heiserer, tiefer Stimme runterspulte, richtig auf die Nerven. Alle paar Stunden schallte „KEEP MOVING GUYS“ oder „BACK TO WORK GUYS“ oder „MARK YOUR ROW GUYS“ über die Farm. Unser Lieblingssatz war aber immer noch das freundliche „SPEED UP, GUYS“. Außerdem machte es, wie wir schon mit den Franzosen bei Powen gemerkt hatten, einen riesigen Unterschied, ob es andere Mitarbeiter gab oder nicht. Die Arbeit ist okay, aber sehr eintönig, und man kann eben nicht 3 Wochen lang 9,5 Stunden über sein Leben nachdenken. Wir hatten besonders Glück, weil die anderen sehr nett waren und so viel Unterhaltungswert hatten. Ein Mädchen machte ihr Aufmerksamkeitsdefizit wett, in dem sie immer eine fette Musikbox auf dem Rücken trug und so laut Musik hörte, dass alle auf der Farm mithören mussten. Am Anfang war das ja noch ganz okay, aber nach zwei Wochen jeden Tag die gleiche Playlist zwei Mal hören (und besonders oft „Memorys“ von Maroon Five), waren wir ein bisschen genervt, wenn sie sich uns näherte und wir die Musik auf unseren Kopfhörern so laut aufdrehen mussten, wie es ging, um sie zu übertönen. In den Pausen rauchte sie immer mit dem Werwolf eine Kippe nach der anderen. Die Koreanerin namens June war sehr nett, so alt wie wir und ein paar Jahre zuvor ohne ihre Familie nach Neuseeland ausgewandert, um dort Grundschullehramt zu studieren. Dann gab es noch vier Mädchen, die unzertrennlich waren, alle relativ gleich aussahen und sich immer sehr laut dramatische Gerüchte erzählten. („WARTE! Der Mann hat ein Kind mit der besten Freundin seiner Frau?“). Sie sagten oft „Jaja“, was ich danach zu Celinas Ärger schön in meinen Wortschatz übernommen hab. Eine von ihnen übernahm besonders gerne das Wort und brüllte ihren Freunden so oft quer über die Farm zu, dass sich deren Namen bei uns wahrscheinlich für immer eingebrannt haben: „LEANNAOLIVIA, COME HERE!“.

Der einzige Mitarbeiter, der genau wie wir, jeden Tag und immer bis zum Schluss arbeitete, war der Phillipino namens Francis. Er hatte nur ein zeitlich begrenztes Visum und verdiente auf der Kiwifarm den Lebensunterhalt für sich und seine phillipinische Freundin, die in Neuseeland studierte. Er sagte nie ein Wort, außer „Yes“ oder „No“, wenn Taron sich doch mal traute, ihn anzusprechen. Ich glaube er hätte ihn genauso behandelt wie uns, wenn er nicht immer so grimmig geguckt hätte. Es war auf jeden Fall seltsam, ihm bei der Arbeit zuzusehen, denn er bewegte sich wie ein Faultier. Zehn Minuten vor Schluss markierte er immer schon seine Reihe um dann noch eine Weile rumzustehen, bis Taron „MARK YOUR ROW GUYS!“ rief. Nach der Pause fand er immer einen Weg, die Arbeit noch ein bisschen hinaus zu zögern. Entweder indem er seine Handschuhe in Zeitlupe abklopfte, oder seine Kopfhörer ganz sorgfältig aufwickelte. Einmal startete er nach der Pause eine Reihe neben uns, stand aber zehn Minuten nur rum. Dann ging er ein paar Meter nach vorne, bis er mit uns auf einer Höhe war, und fing von dort an. Als Taron ihm später sagte, er hätte zu viele Knospen vergessen, tat er als hätte er sie übersehen. Francis war uns voll sympathisch!

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