Veröffentlicht: 07.05.2019
Es ist heiß. Auch noch um 12 Uhr nachts. Wir sind an der Karibikküste von Kolumbien angekommen. Einige Tage wollen wir uns in dem kleinen Fischerdorf Ricon del Mar ausruhen. Dahin kommt man allerdings nur per Motorradtaxi vom 16km entfernen San Onofre. Da wir nach 24 Uhr ankommen, verlangen die Taxifahrer das Dreifache vom normalen Preis und reden alle hektisch auf uns ein. Uns ist das alles zu viel und wir wollen deswegen erst am nächsten Morgen fahren. Allerdings gibt es in San Onofre keine Hostels im Internet zu buchen und auch die Taxifahrer drängen natürlich darauf dass wir ins nächste Dorf fahren. Somit müssen wir spät in der Nacht kreativ werden und einen Zeltplatz finden. Wir laufen los zu einem Park auf unserer Karte, unterwegs unterhalten wir uns mit einigen Einheimischen. Alle raten sie uns von der Idee ab, die Nacht in San Onofre zu campen - anscheinend wegen paramilitärischer Gruppen in der Stadt. Eine Familie kann uns leider keinen Zeltplatz in ihrem Haus anbieten, empfiehlt uns aber bei der großen zentralgelegenen Tankstelle zu campen, dort arbeiten rund um die Uhr Angestellte, die aufpassen. Von neugierigen Jugendlichen und den Taxifahrer auf ihren Motorrädern beäugt schlagen wir unser Zelt auf. Wir hoffen, dass die ganze Nacht weiter dort Leute sitzen und die Tankwarte wach bleiben. Weil es so heiß ist, lassen wir die Türen des Zeltes auf, um Durchzug zu haben. Es ist unser bisher am meisten beäugter Campingplatz. Das merken wir auch am nächsten Morgen. Als wir um 6 Uhr aufwachen, haben einige Augen den Blick schon auf uns gerichtet. Die meisten sind Taxifahrer auf den Motorrädern.
Damit mussten wir rechnen - ungestört Pinkeln ist nicht. Schnell packen wir alles zusammen und sobald alles verstaut ist und wir den freundlichen, aber ungeduldigen Blicken begegnen, werden wir gefragt, ob wir nach Ricon del Mar wollen (JA) und eine hitzige Diskussion entsteht, darüber wer uns nun fahren darf. Die schnelle Taxifahrt auf dem Motorrad durch die savannenartige Landschaft, die ein wenig an Afrika erinnert, gefällt uns super. Die vereinzelten Bäume um uns herum sind groß und haben dicke Äste, die sich in den Himmel recken oder rot blühen.
Ricon del Mar besteht fast nur aus einer Lehmstraße, es gibt wenig Verkehr und einzelne kleine Geschäfte. Wir finden eine Unterkunft mit großem Matratzenlager unterm Dach, direkt am Strand und dank fehlender Wände: Blick aufs Meer. Die Betten wurden aus Paletten gebaut über die sich Moskitonetze spannen. Dieser Ort kommt richtig für uns und wir leben in den Tag hinein, schwimmen in der pisswarmen karibischen Badewanne, baumeln in der Hängematte im Schatten und ab und zu gönnen wir uns schon nachmittags ein kaltes Bier. Wir beobachten die auf Nahrungssuche ins Wasser hinabstürzenden Pelikane und Fregattvögel, die fast ohne Flügelschläge durch die Luft gleiten. Jeden Tag kommen Leute am Strand vorbei, die Massagen oder Kokusnüsse verkaufen, Muscheln oder große Langusten. Einmal kaufen wir eine Muschel zum Probieren. Der dunkelhäutige Mann öffnet sie gekonnt mit einem Spatel und träufelt Zitronensaft darüber. Jakob schlürft die rohe Muschel aber kaufen will er dann doch keine mehr, dafür ist der Geschmack zu ungewohnt. Stattdessen kauft ein 78 jähriger reicher Franzose (mit junger kolumbianischer Freundin) gleich den ganzen Eimer.
Einmal besuchen wir abends eine kleine Fiesta einer venezuelanischen Familie die ein Restaurant mit Zahlungsschwierigkeiten besitzen und gehen anschließend mit einigen Leuten im Dunkeln baden, um fluoreszierendes Plankton zu finden. Wir laufen zusammen 2-3 Kilometer am Strand entlang und gehen dann an einer Stelle ins Wasser. Immer wieder blitzt das Plankton nah an unserem Körper auf, je mehr wir uns bewegen desto stärker leuchtet es. Leider ist es an diesem Abend nicht besonders stark.
Nach entspannten Tagen wollen wir nach Cartagena; Taxi - check, Bus warten - check, Preis verhandeln - check. Wir sitzen glücklich im Bus, bis wir merken, dass Jakobs Handy im Taxi aus der Tasche gefallen ist (doofe Jogginghose!) - Wir sind fassungslos: täglich grüßt das Murmeltier. Wir halten den Bus an, zurück auf dem Motorrad in die Stadt. Hoffen auf ein Zeichen des Taxifahrers - und tatsächlich: er winkt uns vom Straßenrand zu und wir bekommen das Handy wieder. Finderlohn - check, Bus warten - check, Preis verhandeln - ach egal, einsteigen - check.
In Cartagena bleibt es heiß. Es ist sogar noch heißer, da sich die Hitze in der Stadt staut und wir nicht mehr nur im Schatten liegen können. Träge erkunden wir die Stadt. Wir sind müde vom Busfahren und wollen nicht mehr. Von Argentinien nach Kolumbien, das ist schon ein Stück, wenn wir uns das recht überlegen. Cartagena ist schön bunt dank angemalter Häuserfassaden, die sich in knalligen Tönen oder schon mit abblätterndem Putz aneinander reihen oder durch Grafitti auffallen. Wir schlendern durch die Gassen, die recht vollgestopft mit Touristen und Einheimischen sind. Wir essen ein selbstgemachtes Eis für 20 cent von einer Straßenverkäuferin mit Kuchengeschmack, trinken gekühlten Limonensaft und abends kochen wir regelmäßig in der gut ausgestatteten Hostelküche: Pasta mit geriebenen Karotten, reichlich Zitroensaft, Peperonies, Tomaten - unser neues provisiorisches Sommergericht.
Nach drei Tagen geht es für uns mit dem Bus in 24 Stunden zurück nach Bogota. Wir hoffen es ist unsere letzte Langstreckenfahrt. Draußen ist es brütend heiß während im heruntergekühlten Bus die Leute eingehüllt in Decken frieren. Die Babys - drei an der Zahl - fangen an zu husten, doch der Busfahrer lässt nicht mit sich reden. Als wir in Bogota am nächsten Vormittag ankommen, sind wir auf Grund des Schlafmangels und der Kälte wie in Trance, schaffen es mit dem Bus zu unser Unterkunft zu finden und fallen dort ins Bett. Auch am nächsten Tag fühlen wir uns noch "verkatert" von der Busfahrt. Einige Dinge gibt es noch für die Weiterreise zu organisieren: ein Visum für Kuba und die USA beantragen, und einen Tag verbringen wir im Sportwarengeschäft, da einige Dinge kaputt oder verloren gegangen sind. Mit unseren Gedanken sind wir - nicht gerechtfertigter Weise - schon in Kuba.
Nach knappen fünf Monaten in Südamerika ist eine lange Zeit vorbei. Von Buenos Aires in Argentinien sind wir durch Bolivien, Peru, Ecuador bis nach Kolumbien gereist. Auf Inlandsflüge haben wir komplett verzichtet, um CO2 einzusparen. Insgesamt umfasst die Route um die 20.000 km mit Zug, Bus und Trampen, das entspricht ca. 400 Stunden reine Fahrzeit, da die Busse auf den schlechten Straßen nur um die 50 km/h schaffen. Und passend zum Ende haben wir die Schnauze gestrichen voll vom Bus fahren. Insgesamt hatten wir eine aufregende und erlebnisreiche Zeit in Südamerika mit tollen und uns bisher fremden Landschaften, schönen Begegnungen mit Menschen und Tieren, oft schlechtem Essen und es kam uns in unserer Vorstellung meist gefährlicher vor als es tatsächlich war. Die Geschichten die man hört - auch von uns - erwecken oft falsche Vorstellungen. Nun sind wir aber auch bereit weiterzureisen, anderen Kulturen, Landschaften und Sprachen (bis auf Kuba natürlich) zu begegnen und vor allem lechtsen wir nach besserem Essen (Döner und Pizza ;). Adios Südamerika, es war uns eine Freude!